Es passiert etwas und niemand berichtet darüber
Hallo liebe Kulturinteressierte,
herzlich willkommen zur neuen Ausgabe der Kulturzeit Limburg-Weilburg. Dies ist bereits die vierte öffentliche Ausgabe des Newsletters und ich freue mich, dass weiterhin neue Leser dazustoßen. Diesmal geht es um die Lokalzeitung und ob wir Kulturtreibenden uns darin wiederfinden sowie um den 1. Tag der nicht sichtbaren Beeinträchtigungen.
Viel Spaß beim Lesen!
Wenn die Zeitung nicht mehr kommt
Die letzten zwei Wochenenden hat die Amateurbühne theater am bach gleich fünfmal den Vorhang für „Mord im Orientexpress“, den spannenden Krimi von Agatha Christie, geöffnet. Es war eine kurzweilige und fesselnde Aufführung, und ich habe es genossen, unseren Darstellern zuzusehen und mich Abend für Abend in die Geschichte hineinziehen zu lassen. Als jemand, der in der Vergangenheit über viele Theaterstücke berichtet hat, habe ich jedoch immer gezögert, über unseren eigenen Verein zu schreiben. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ich über eines unserer Stücke schreibe oder ein unabhängiger Berichterstatter. Doch was tun, wenn die Presse einfach nicht kommt?
Nicht nur die Darsteller haben gefragt, ob und wann etwas in der Zeitung steht. Auch die Zuschauer wunderten sich, ob sie den Bericht vielleicht übersehen hätten. Die Enttäuschung war spürbar und auf Nachfrage gab es nur eine ausweichende Antwort: Ob wir überhaupt Bescheid gegeben hätten (ja, das haben wir) und dass die zuständige Redakteurin nicht im Dienst war. Aber grundsätzlich sei man bereit, über solche Veranstaltungen zu berichten.
Für uns als Kulturverein war die Berichterstattung in der Zeitung immer von großer Bedeutung. Ein Artikel sorgte oft dafür, dass die Kartenverkäufe nochmal zunahmen. Dieses Jahr hatten wir gut besuchte Veranstaltungen. Doch es bleibt die Frage, ob wir die Lokalzeitung überhaupt noch brauchen?
Lokaljournalismus enttäuscht oft
Laut den Mediadaten der VRM für ihr ganzes Verbreitungsgebiet (und das sind mehr als NNP und WT) sind 39 Prozent der Leser zwischen 50 und 70 Jahre; 31 Prozent der Leser zwischen 14 und 49 Jahre. Wenn man speziell auf die Auflagenzahlen der NNP (11.225) und des WT (5.708) schaut, wird schnell klar, dass nur ein kleiner Teil der über 170.000 Einwohner im Landkreis tatsächlich die Lokalzeitung liest.
Die Enttäuschung über den Zustand des Lokaljournalismus ist groß – falsche Rechtschreibung, fehlende Neutralität, zu teuer, fehlende lokale Berichterstattung – selten hört man noch Lob über die Lokalzeitung. Dabei ist gerade der Lokaljournalismus von unschätzbaren Wert. Die Menschen möchten wissen, was vor ihrer Haustüre passiert – und dabei geht es nicht nur um die Kommunalpolitik, sondern auch um die Menschen und das Engagement vor Ort. Wenn die Zeitung diese Geschichten nicht mehr erzählt, warum sollten die Leser dann noch abonnieren?
Es entsteht ein Teufelskreis, der nur nach unten führt. Mir hat ein Redakteur mal gesagt, dass sie vor allem die Termine danach besetzen, was online geklickt wird. Wenn dann aber eine kulturelle Veranstaltung nicht besetzt wird, dann gibt es darüber keinen Artikel, der online geklickt werden kann und verliert somit seine Relevanz?
Dieser Kreislauf der Schrumpfung bedrückt mich zutiefst, denn das Problem betrifft nicht nur unseren Landkreis, sondern den gesamten Lokaljournalismus (Öffnet in neuem Fenster). Man kann nur hoffen, dass es doch noch eine Wende gibt, bevor es zu spät ist.
Nachgefragt…
1.Tag der nicht sichtbaren Beeinträchtigungen
Am morgigen Sonntag findet der 1. Tag für Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen statt. Anlass genug, um bei Rebecca Lefèvre nachzufragen, wie es um das Thema Kultur und nicht sichtbare Beeinträchtigungen steht. Rebecca ist im Verein „gemeinsam zusammen e.V.“ und steht hinter dem Projekt „Stille Stunde“.
Dieses Thema lässt sich von zwei Seiten betrachten: Auf der einen Seite steht der Wunsch von Menschen mit unsichtbaren Beeinträchtigungen, gleichberechtigt an der Kultur teilzuhaben. Auf der anderen Seite hat Kultur die besondere Möglichkeit, durch kreative Mittel auf diese Themen aufmerksam zu machen.
„Wir haben vergessen, barrierefrei zu denken für Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen“, erzählt mir Rebecca. Dies trieb sie und ihre Mitwirkenden bereits lange an und im letzten Jahr schrieben sie alle Landkreise in Deutschland an und mit über 100 Landkreisen kamen sie seitdem ins Gespräch, auch mit dem Landkreis Limburg-Weilburg. Rebecca ist es wichtig, Bewusstsein zu schaffen. Denn nur wer Bescheid weiß, kann sensibel miteinander umgehen und vermeidet es, Menschen vorschnell als „schwierig“ oder „problematisch“ abzustempeln. Anstelle von „Reiß dich zusammen!“ hilft ein aufrichtiges „Was brauchst du?“. Je mehr Fakten die Gesellschaft kennt, desto besser kann sie Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen unterstützen.
Die Krankheitsbilder sind sehr vielfältig – Depression, posttraumatische Belastungsstörungen, Neurodivergenz, Burnout, psychische Erkrankungen, chronische Erkrankungen, Autismus-Spektrum-Störungen, Krebs – doch die Reaktionen auf Überforderung ähneln sich oft: Rückzug, Isolation, entwickeln leider viel zu häufig suizidalen Gedanken. Deshalb sieht Rebecca ihre Arbeit auch als Suizidprävention.
Doch was kann Kultur speziell für diese Menschen tun? Kultur ist wichtig für die Gesellschaft und ermöglicht Teilhabe. Doch noch immer gibt es zahlreiche Herausforderungen und Barrieren. Und dies ist ein Bereich, dem bisher noch keine große Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Viele kulturelle Veranstaltungen oder Einrichtungen sind oft nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit unsichtbaren Beeinträchtigungen eingestellt. Das kann sich in der Akustik, dem Lichteinsatz, der Struktur von Veranstaltungsräumen oder in der Art der Kommunikation zeigen.
Wunsch für Veranstaltungen
Daher wünscht sich Rebecca, dass Veranstaltungen so gestaltet werden, damit auch Menschen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen daran teilhaben können. Manche versagen sich einen Kino- oder Theaterbesuch, wenn sie krankgeschrieben sind, aus Angst, stigmatisiert zu werden. Aber gerade ein solcher Besuch würde ihnen gut tun.
Manchmal ist es das Wissen um das Vorhandensein eines geräuscharmen, abgedunkelten Rückzugsortes, damit die Menschen Veranstaltungen besuchen können. Allein das Wissen um einen solchen Ort lässt manche bereits Veranstaltungen besuchen. „Die Personen möchten teilhaben, aber sie brauchen das Gefühl, sich zurückziehen zu können“, so Rebecca. In Limburg fehlen solche Orte noch. Auch Autismus freundliche Zonen, die nicht so überfüllt sind oder Veranstaltungen, bei denen nicht alle Sitzplätze besetzt werden, wären wünschenswert. So langsam kommt da etwas in Bewegung. Das Team des Projektes, bestehend aus Rebecca Lefèvre, Angelina Bergmann und Traute von Romatowsk, möchte dafür sensibilisieren und darauf aufmerksam machen.
Mit Kultur Inhalte transportieren
Und Kultur ist ebenfalls dafür da, um Inhalte zu transportieren und diese nicht sichtbaren Beeinträchtigungen sichtbar zu machen. So haben für den 1. Tag der nicht sichtbaren Beeinträchtigungen Menschen Bilder gemalt, um ihre Welt zu zeigen, denn jeder nimmt die Welt anders wahr. So könne ein erstes Gefühl davon vermittelt werden, dass wir alle einen anderen Blick auf unsere Umgebung haben und durch die andere Wahrnehmung auch anders darauf reagieren.
Am Sonntag soll ein Zeichen gesetzt werden für alle Menschen mit unsichtbaren Behinderungen und Beeinträchtigungen. Für diejenigen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht wahrgenommen werden und wegen ihrer Krankheitssymptome nicht wie gewünscht am Leben teilnehmen können. Für alle, die ihren Beruf in den Bereichen Pflege, Gesundheit, Erziehung und Bildung lieben, aber statistisch ein erhöhtes Risiko für Burnout tragen. Ebenso für Familien, Angehörige und Freunde, die erschöpft sind und durch gesellschaftliche Stigmata zusätzlich belastet werden. Auch für Menschen mit sichtbaren Behinderungen, die zu oft Ausgrenzung erfahren haben. Für Menschen mit Fluchterfahrung, die statistisch ein höheres Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und Depressionen haben. Für Frauen, deren körperliche Beschwerden, wie die Periode oder Menopause, oft nicht ausreichend anerkannt werden. Besonders im Bereich der Neurodivergenz werden Frauen häufig unterdiagnostiziert und erhalten Medikamente, die an Männern getestet wurden. Ein Zeichen für all diejenigen, die in der LGBTQ+ Community weiterhin Stigmatisierung und Hasskriminalität ausgesetzt sind und deshalb vermehrt in Angst leben müssen. Und für Kinder und Jugendliche, denn psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen sind der zweithäufigste Grund, warum sie in Krankenhäusern behandelt werden.
Um 16 Uhr findet ein stiller Marsch ab dem Bahnhof in Limburg statt mit anschließender Kundgebung. Ab 16.20 Uhr wird die Kundgebung auf YouTube live übertragen. YouTube-Link zur Kundgebung (Öffnet in neuem Fenster)
In den sozialen Netzwerken setzen sie ebenfalls ein Zeichen. Schaut gerne auf dem Instagram-Kanal von Stille-Stunde (Öffnet in neuem Fenster) vorbei.
Kultur kann eine Rolle spielen, um das unsichtbare sichtbar zu machen - nicht nur durch den künstlerischen Ausdruck, sondern auch durch eine bewusstere Gestaltung von kulturellen Räumen und einem klareren Fokus auf Inklusion. Daher unterstützt gerne dieses Engagement!
Ihr möchtet keinen Newsletter mehr verpassen? Dann abonniert ihn gerne und erhaltet ihn direkt ins Postfach!
Vorschau
Immer wieder wunderschön sind die Jazzabende in Offheim. Hier heißt es schnell sein, denn die Abende sind zügig ausgebucht. Am Samstag, den 26. 10. 2024 sind ab 19h im Stammlokal „Zur Turnhalle Offheim“ zu Gast die „New Orleans Joymakers“. Es handelt sich um eine klassische Jazzband mit Trompete, Posaune, Klarinette, Schlagzeug, Bass und Banjo. Eine Reservierung ist über 06431/54227 möglich.
Am Samstag, den 23. 11. 2024 kommen Gäste aus der Pfalz, das „Little Wosnitzas Jazz Orchester“. Über alle Aktivitäten findet Ihr ausreichende Informationen auf der Internetseite (Öffnet in neuem Fenster).
Zum Schluss
Wenn Euch der Newsletter gefällt, dann schickt ihn gerne an interessierte Personen weiter. Ihr habt Themen, die ich mit aufnehmen soll, dann gebt mir gerne Bescheid. Ich interessiere mich seit Jahren für Kultur und finde es sehr faszinierend, jetzt nochmal tiefer in die Thematik einzutauchen. Denn Kultur ist der Kit in unserer Gesellschaft. Im Hintergrund passiert sehr viel, ich bin unterwegs und spreche mit vielen kulturtreibenden Menschen.
Also bis bald und ein schönes Wochenende,
Liebe Grüße
Eure Heike
Der 14-tägige Newsletter “Kulturzeit Limburg-Weilburg” ist kostenlos. Wenn ihr ihn gerne lest und meine Arbeit finanziell unterstützen möchtet, könnt ihr das gerne hier tun:
Lest hier, warum ich diesen Newsletter schreibe (Öffnet in neuem Fenster)
Ihr möchtet den Landkreis Limburg-Weilburg noch besser kennenlernen? Dann schaut gerne hier vorbei! (Öffnet in neuem Fenster)