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Die Grand Show ARISE 

Revuetheater im Friedrichstadt-Palast

(Foto: Friedrichstadt-Palast)

Anruf vom Chefredakteur:

So! Hast ja groß rausposaunt im Newsletter jehts um Liebesjeschichten. Wat haste die Woche?

Eine Tanzshow.

Jut.

Es war ein Date.

Mit Clint?

Nein.

Ist der nicht mehr aktuell? Schade, ick mochte den. Aber findest schon wieder eenen Neuen.

Das Date war mit seiner Mutter.

Ach Gotte. Wo die Liebe hinfällt.

Freitagabend. Es ist endlich der 14. Oktober. Seit Wochen steht der Termin in meinem Kalender. Das Taxi braucht nur zehn Minuten vom Humboldthain zur Friedrichstraße. Voller Vorfreude bewegen wir uns auf das leuchtende Gebäude zu. Ich reiche einer Frau im Anzug unsere Karten. „Willkommen im Palast“, sagt sie. Ich laufe mit Clints Mutter durch das Getümmel die Treppe hoch, die mit ihrem schwarzen Teppich, da sind wir uns einig, etwas sehr Elegantes hat. Am Tresen bestellen wir uns zwei Gläser Sektchen und für die Pause an Tisch 4 gleich nochmal zwei. Ich knipse von uns ein Selfie und verspreche, dass ich es ihr später schicken werde. Wir stürzen unseren Sekt runter, stoßen aber vorher noch einmal auf unseren Abend an. Am Saaleingang zeigen wir wieder unsere Karten, weil wir uns nicht sicher sind durch welche Tür wir müssen, bis wir schließlich zu unseren Plätzen eilen, die Mäntel fest unter den Armen geklemmt. Wir betreten grinsend den Saal. Ich schaue über eine Reihe fein gekleideter Rentnerköpfe hinweg, entdecke ein, zwei Kinder weiter unten an der Bühne und ein Pärchen, das frisch verliebt aussieht. Es ist mein erster Besuch im Friedrichstadt-Palast und der zweite für Clints Mutter. Wir plaudern noch ein wenig. Darüber, wie es ist drei Söhne zu haben. Wie es ist, wenn sie irgendwann ausziehen. Meine Schwiegermutter fasst sich ans Herz, dann streichelt sie mich und sagt, ich hab noch viel Zeit. 

Wir freuen uns über die fantastische Sicht auf eine Bühne, die ich in so einer Größenordnung auch noch nicht gesehen habe. Das Licht geht aus und ich liebe das, wenn plötzlich das Licht ausgeht. Diese flauschige Dunkelheit in Zuschauerräumen, im Kino, im Theater, bei Lesungen, eine, bei der man sich plötzlich so herrlich ungesehen fühlt. Der Scheinwerfer geht an. „Willkommen im Palast!“

ARISE heißt die bombastische Show. Und es ist die Art Show, in die man seine Schwiegermutter mitnimmt, die einem ihre Gänsehaut am Arm zeigt und man vor Rührung dann selbst eine bekommt. 

Der Palast ist der Friedrichstadt-Palast ist ein Revuetheater ist ein Erlebnis. Früher, im Jahr 1873, war der Palast ein Zirkus. An den muss ich schnurstracks denken, als wenig später zehn Akrobaten am Trapez in gold/weißer Leggings zusammen gerollt hin und her durch die Luft fliegen.  Erst fliegen zwei in einer Drehung jeweils auf die andere Seite, dann fliegen zwei gleichzeitig, aber entgegengesetzt und treffen sich in der Mitte zu einem schwingenden Körperpendel, was ich kaum aushalte, weil es nach einer knappen Sache aussah und ich deswegen ein bisschen quieke. An Moulin Rouge denke ich wiederum, als die Beine und Röcke der In-einer-Reihe-Tänzerinnen fliegen -tap-tap-tap, links und rechts gehen unsere Füße abwechselnd im Takt mit. „Dit konnt ick früher och mal“, sagt die Frau hinter mir. Der Abend ist sensationell. 

Es gibt prächtige Kostüme. Glitzer und Gold. Feuer, Wasser und Laser. Konfetti. Tanz. Gesang. Akrobatik. Noch mehr Gold und noch mehr Glitzer. Ein kleines Orchester. Und wirklich gute Knackpos! Natürlich gibt es eine Handlung. Aber die ist, anders als bei einem Musical, eher nebensächlich. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass sich auch die Sprachen, in denen gesungen wird, abwechseln. Deutsch und Englisch. Ein osteuropäischer Text kommt noch dazu. Osteuropäisch ist jedenfalls meine Vermutung, was, wie ich aber später rausfand, hebräisch war. Alles eben ein bisschen wild und durcheinander. Eben eine richtige Revue. Dazu gehört, dass das Publikum unentwegt mitklatscht. Der Saal lebt und wir sind zwei Stunden lang ein Teil davon.

Die Show ist zu Ende. "Das war großartig!", sagt meine Schwiegermutter und dann umarmen wir uns mit zwei seeligen Seufzern. 

Wir laufen durch die Tür zurück zur Treppe und von dort zum Ausgang. Prompt finden wir ein Taxi. „Zurück zu unseren Männern!“, sage ich und schreibe Clint, wir wären auf dem Heimweg. Überall flackern kleine Lichter in der Dunkelheit außerhalb unseres Taxi, an die wir vorbeiziehen, als säßen wir in einer Rakete. Es ruckelt und vibriert, es ist schnell und schön. 

Anmerkung der Redaktion: ARISE Grand Show im Friedrichstadt- Palast. Aktuelle Termine (Öffnet in neuem Fenster).

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