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Tag 240

Ihr Lieben,

der Bebelplatz ist seit Mitte Mai der Platz der Hamas-Geiseln. Die Aktion läuft bis zum 6. Juni und ist von Angehörigen der Geiseln initiiert worden. (Ich schrieb bereits im vorletzten Newsletter darüber.)

Der Bebelplatz ist ein besonderer Ort in Berlin. Natürlich ein touristischer, aber eben auch mein Halt, wann immer ich vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor laufe. Wenn ich Lust habe zu laufen oder weil ich laufen muss, weil wieder irgendwas mit den Bussen ist. Zum Bebelplatz ging ich auch am 9. November letzten Jahres, sagte meiner Freundin Karla Bescheid, bevor ich mich dem Gedenkzug in Moabit neben unserer ehemaligen Schule anschloss. Auf dem Bebelplatz verbrannten 1933 dort die Nationalsozialisten die Bücher vor allem jüdischer und kritischer Autoren.

Tag 238. Es war ein sonniger Tag an diesem Freitag, viele Touristen schoben sich vorbei am Berliner Dom, an das neue Humboldt Forum, an der Staatsoper. Wegen einer Sperrung fuhren keine Busse Unter den Linden, man lief Schritt für Schritt für Schritt.

Direkt am Eingang befindet sich die erste Installation. Eine riesige Sanduhr, symbolisch die Zeit, die für die Geiseln verrinnt. Es gibt leere Stühle und einen nachgebauten Tunnel. Seit meinem Newsletter von vor zwei Wochen ist die Zahl der Geiseln auf 125 gesunken.

Der Bebelplatz wurde nicht zufällig ausgewählt. Als ich ankam spielte gerade eine Band auf der Bühne ein hebräisches Lied, ich drehte mich nach rechts und sah einen Haufen Bücher, geschützt durch einen Glaskasten. Sofort erkannte ich Wisława Szymborska auf einem der Buchcover.

Auf der Infotafel las ich:

[…]

Diese Installation zeigt über 40 verbrannte Bücher aus Carmels Haus im Kibbuz, aus dem sie entführt wurde. Ihr Zuhause wurde wie unzählige andere von den Terroristen gnadenlos zerstört. Carmel wird immer noch seit über 200 Tagen als Geisel gehalten. Die Bücher gehören ihr und ihrer Mutter Kinneret, die ermordet wurde.

ABC

Nie werde ich erfahren,

was A. von mir dachte.

Ob mir B. bis zuletzt nicht verziehen hat.

Warum C. so tat, als sei alles in Ordnung.

Welchen Anteil D. am Schweigen von E. hatte.

Was F. erwartete, falls er erwartete.

Weshalb G. vergaß, obwohl sie genau wußte.

Was H. zu verbergen hatte.

Was I. hinzufügen wollte.

Ob die Tatsache, daß ich dabei war,

irgendwas bedeutete

für J. und K. und den Rest des Alphabets.

Wisława Szymborska

Ich spendete vor Ort Geld für die Familien der Geiseln Bringe them Home Now (Öffnet in neuem Fenster)und bekam als Dankeschön eine Anstecknadel.

Ich habe auch für die Hilfsorganisation cadus e.V. (Öffnet in neuem Fenster)aus Berlin gespendet, die medizinische Hilfe in Gaza leistet.

So ist es gut und richtig, dachte ich.

Anmerkung der Redaktion: Die Abschlusszeremonie findet am Dienstag, den 4. Juni statt. Alle sind eingeladen! Mehr Informationen (Öffnet in neuem Fenster)

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