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Weinen vor dem beschriebenen Blatt Papier

An einem grauen Montagmorgen, am 6. Mai 2024, kurz vor 9 Uhr, war die erste Fassung meines Essaybandes, die ich sieben Monate zuvor, am 29. Oktober 2023, begonnen hatte, plötzlich fertig. Es ist ein eingeschränktes „fertig“. In Wahrheit fehlen die Einleitung und ein ganzer Text, den ich jetzt noch nicht schreiben kann. Jetzt muss Zeit vergehen. Ich bin ungeduldig. Ich will, dass die Zeit schneller vergeht, ich will Abstand gewinnen, um wieder an den Essays arbeiten zu können. Die meisten Texte werden sich verändern, einige werden verschwinden, andere hinzukommen. Ein seltsames „fertig“ ist das.

Und was mache ich jetzt mit diesem angebrochenen Montag?

So früh am Morgen mit einer Aufgabe fertig zu sein, die so lange strukturgebend war, brachte meinen Tagesablauf durcheinander. Ich entschied mich für einen Spaziergang und wollte mich mit Kaffee und Kuchen belohnen. Irgendwie musste das doch gefeiert werden? Doch die Konditorei verlangte für ihre Törtchen absurd viel Geld – bin ich J.K. Rowling? –, also doch nur einen Cappuccino, bitte.

Das war unbefriedigend und auf dem Rückweg kaufte ich noch einen Strauß Blumen, für den ich drei Euro mehr bezahlt habe, als das Törtchen gekostet hätte.

„Ich will das Nichts finden, die zugewachsene Leere.“ Inna Hartwich, Friedas Enkel

„Schreibe deinen Essayband in sechs Monaten“, damit hatte mich Autorin und Schreibcoach Sophia Hembeck im Oktober 2023 geködert. Gutes Marketing. Mir war klar, dass es länger dauern würde, einen richtigen Essayband zu schreiben. Es war mir egal, ich hatte ein Thema, an dem ich arbeiten wollte. Ich brauchte Anleitung, ich habe sie bekommen. Es wurden also sieben Monate.

Sieben Monate mit Aufregung, Sehnsucht, Freude und einem kurzen Tränenausbruch. Einem von der Sorte, den Kinder haben, wenn sie stolpern, hinfallen und heulen, weil jemand zum Trösten in der Nähe ist und nicht, weil es wirklich weh tut. Das Kind lässt sich mit einem Bonbon beruhigen. Ich machte mir Tee.

Es gibt diesen dummen Spruch, dass Geld nicht glücklich mache, aber dass es schöner sei, im Auto, statt in der U-Bahn zu weinen. Weiß ich nicht. Was ich aber jetzt weiß: Unabhängig davon, wie es mit den Essays weitergeht, ob ich sie veröffentlichen kann oder in der digitalen Schublade ablegen muss, es ist schöner, vor dem beschriebenen Blatt Papier zu weinen, als vor einem leeren.

Vielen Dank, dass du mitliest – und bis in zwei Wochen!

Kristina

Was andere machen

Einige Songs haben mich in den letzten sieben Schreibmonaten begleitet, Kirill Richters Michigan 7 gehört dazu:

https://www.youtube.com/watch?v=Lw5UD-qWzm0 (Öffnet in neuem Fenster)

Sophia Hembeck schreibt drüben auf Substack den sehr schönen Muse Letter. Ende des letzten Jahres hat sie einen Artikel über die “awkward phase” veröffentlicht – die Phase im Leben “zwischen dem, was du bist, und dem, was du sein willst.” > zum Artikel (Öffnet in neuem Fenster)