Auf der Suche nach einem Roman #1
A Writer’s Diary
November 2024 © Kristina Klecko
Vor einigen Jahren habe ich bei einer Englandreise in einem der zahlreichen charity shops für knapp vier Pfund eine vergilbte Ausgabe von Virginia Woolfs A Writer’s Diary aus den 1970er Jahren erstanden. Damals wusste ich kaum etwas über die Autorin und hatte noch nichts von ihr gelesen, doch als Persönlichkeit interessierte sie mich bereits sehr.
Im Tagebuch schrieb Woolf über Alltägliches und immer wieder über ihre Arbeit. Am 1. November 2024, also heute vor genau hundert Jahren, notierte sie:
„Die Frage ist, wie ich die beiden Bücher fertigstellen kann. (…) Ich bin fest entschlossen, meine Essays vor meinem Roman herauszubringen.“
Der Eintrag verrät, dass sie an Mrs Dolloway arbeitete – und offensichtlich an Essays, die ein Jahr nach dem Roman als The Common Reader, deutsch Der gewöhnliche Leser, erschienen sind.
Jetzt, da ich auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster) verkündet habe, dass ich mit meinem Debütroman beginne, obwohl oder gerade weil der Essayband noch nicht veröffentlicht ist, fühlten sich Woolfs Zeilen wie eine Handreichung an. Ich schreibe nicht allein, auch wenn es sich so anfühlt. Unabhängig davon, ob im blauen Notizbuch wirklich ein Roman entstehen wird oder aber das Foto auf Instagram lediglich Büroutensilien zeigt, über die ich nie wieder sprechen werde, die Absicht war da. Der Funke war da.
Zwar hielt sich die Aufregung auch am Mittwoch und am Donnerstag, doch langsam meldeten sich fremde Stimmen. Stimmen von Autor:innen, die sich durch ihre Romane quälten, die schrieben, welch undankbare, unsichtbare Arbeit das sei. Ich dachte an eine Stelle in Benedict Wells Buch Die Geschichten in uns, über die ich bei der Lektüre sehr lachen musste, weil sie mich an meine früheren Versuche erinnerte, einen Roman zu schreiben:
„Man sticht ins Meer der weißen Seiten, will ‚in der Fantasie segeln und sie im Winde anschwellen lassen‘, wie Shakespeare es nannte. Doch nach der triumphalen Abfahrt im Hafen weht bald nur noch ein laues Lüftchen, bis es oft ganz ausbleibt. Man verreckt auf hoher See.“
Allen passiert das, so Wells. Auch diese Sätze waren eine Handreichung.
Der Auszug aus Virginia Woolfs Tagebucheintrag von vor hundert Jahren endet mit den Sätzen:
„Warum nicht darüber schreiben? Aufrichtig? Denn ich glaube, das Tagebuchschreiben hat meinem Stil sehr geholfen (…).“
Schadet auch nicht. Dann schreiben wir mal darüber.
Dieser Beitrag ist Teil der Serie (Öffnet in neuem Fenster) Auf der Suche nach einem Roman, in der ich den Weg zum Debütroman dokumentiere – meinen eigenen, aber auch den anderer Autor:innen. Über Neues in dieser Rubrik informiere ich in meinem Essay-Newsletter (Öffnet in neuem Fenster) Was mache ich denn da? – alle 14 Tage, kostenfrei.