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Noltes Notizen | 30. Dezember 2022

Liebe KLup-Freund:innen,

dieses Jahr endet - und ein großes Leben endet. Seit Mittwoch bewegt uns die Nachricht, dass Benedikt XVI. wohl im Sterben liegt. Bis zu diesem Moment, in dem ich diesen letzten Newsletter des Jahres an euch schreibe, um die 18.45 Uhr, hat sich an dieser Situation nichts geändert. 

Und darum gibt es für uns auch nichts aktuell zu berichten. Wir halten uns ohnehin einigermaßen zurück - vor allem aus zwei Gründen:

1. Benedikt XVI. ist seit knapp zehn Jahren nicht mehr im Amt. Als er Ende Februar 2013 für alle überraschend zurücktrat, hat er nicht weniger als das Papstamt abgelegt. Am 13. März 2013 ist nicht etwa "noch ein Papst" gewählt worden, sondern der Papst. Papst Franziskus. Es kann - das macht meiner Meinung nach fundamental dieses Amt aus - nur einen Papst geben, der als der eine Papst Garant der Einheit der Kirche ist, bei aller Vielfalt selbstverständlich. Mir persönlich war der Schnitt, den Benedikt XVI. damals gesetzt hat, zu dünn. Nicht nur, dass er die weiße Soutane weiterhin trug und es mit seinem selbst auferlegten Schweigen nicht allzu konsequent gehalten hat - er hat auch den Titel "Papst" behalten, wenn auch als "Papa emeritus". Ich halte das für hochproblematisch, und aus diesem Grund bemühen wir uns bei Kirche-und-Leben.de auch, diesen Titel möglichst nicht zu verwenden, sondern immer nur schlicht von "Benedikt XVI." zu schreiben, bestenfalls vom "früheren Papst". 

Eine zu ausführliche Berichterstattung jetzt hebt ihn meines Erachtens zu stark wieder in diese Rolle des Ruhestand-Papstes. Keine Frage: Benedikt XVI. war Papst, acht Jahre lang - und er war seit mehr als 400 Jahren der erste Deutsche auf dem Stuhl Petri. Er war ein hoch anerkannter, wenn auch nicht unumstrittener Theologe. Diese historische Relevanz ist unfraglich, wir haben sie im Februar 2013 umfangreich gewürdigt (Öffnet in neuem Fenster) - zum Ende seines Pontifikats. Doch mit seiner Entscheidung zum Rücktritt war schon damals logischerweise verbunden, dass Benedikt XVI. nicht als Papst stirbt. Wenn allerdings ein Papst (im Amt) stirbt, endet ein Pontifikat, wird eben dieser Stuhl Petri frei, beginnen zahlreiche Riten und Traditionen, und eine überaus spannende Zeit beginnt - angefangen beim Versiegeln der päpstlichen Gemächer und der Zertrümmerung des päpstlichen Fischerrings über die Novendiales, die neuntägige Trauerzeit, die öffentliche Aufbahrung und das Requiem bis zum Beginn des Konklaves, also der Wahl eines neuen Papstes. Das hat alles journalistische Aufmerksamkeit verdient - natürlich auch schon in der Phase seines Sterbens. Eines amtierenden Papstes.

2. Aus diesem ersten Grund ergibt sich zudem, dass sich gewissermaßen der dauerhafte Blick auf den Gesundheitszustand eines Menschen, der kein Amt mehr innehat, verbietet. Es gehört sich schlichtweg nicht. Darum haben wir auch keinen Gebrauch von dem Angebot der Agenturen gemacht, das uns seit Mittwoch durchaus in den News-Eingang flattert: Wie läuft das ab, wenn ein emeritierter Papst gestorben ist? Wer ist sein privater Arzt? Was wird wohl in ihm während seines Sterbeprozesses vorgehen? Auch erste Bewertungen seines Pontifikats gibt es bereits. Man kann das alles machen, sicher. Wir machen es nicht. Nicht, solange Benedikt XVI. im Sterben liegt. Wenn es soweit ist, ist es noch früh genug, darüber zu informieren, wie es nun weitergeht, welche Riten für diesen ja doch eher ungewöhnlichen Fall denn nun wirklich vorgesehen sind (bislang gibt es ohnehin nichts als Spekulationen darüber). Und auch nach seinem Tod bleibt Zurückhaltung angebracht. Denn auch dann ist - siehe oben - nach meiner Einschätzung nicht der emeritierte Papst gestorben, sondern der Altbischof von Rom.

Umso erstaunlicher fand ich es, dass nicht neutral-informativ das Presseamt des Heiligen Stuhls, sondern Papst Franziskus selber die Nachricht vom verschlechterten Gesundheitszustand seines Vorgängers in die Welt gesetzt hat. Zumal der Tod ganz offensichtlich so unmittelbar noch nicht bevorstand. Man kann das als Bezeugung seiner Achtung vor Benedikt XVI., als Anteilnahme verstehen - und das wird es auch sicherlich sein. Aber Franziskus hat damit auch die Unschärfe zwischen ihm als Papst und Benedikt als "Emeritus" eher verstärkt. Ob Franziskus wirklich bedacht hat, wie stark sein Vorgänger nun doch wieder in der Öffentlichkeit ist? Es ist kein Geheimnis, dass es Franziskus ganz und gar nicht gefällt, welche Bedeutung Benedikt in stark konservativen Kreisen der Kirche (und der Kurie) nach wie vor hat. Sie haben "ihren" Benedikt immer weiter verehrt als einen Papst, wie "man" ihn sich vorstellt - theologisch, protokollarisch-stilmäßig und kirchenpolitisch. Und vor allem anders als Franziskus. Dass der bald nach seiner Wahl ankündigte, mit diesem ganzen "Karneval" sei jetzt Schluss - das hat viele Benediktfreunde bis ins Mark getroffen und die Opposition noch verstärkt. Paradoxerweise führt jetzt das Sterben zu einer gewissen Wiederbelebung dieses Benedikt-Kults. Umso spannender wird es sein, in welcher Form dann tatsächlich die Beisetzung des einstigen Papstes gestaltet sein wird.

Damit leuchtet zum Ende dieses Jahres noch einmal die ganze Spannbreite katholischer Kirche auf: Während den einen Benedikt XVI. gerade recht(gläubig) ist, wirkt vielen Reformorientierten in Deutschland schon Franziskus als zu unbeweglich und konservativ. In dem Kontext darf ich euch schon heute auf die Silvesterpredigt von Bischof Felix Genn hinweisen, die er morgen Vormittag traditionell in Münsters Lambertikirche halten wird. Er berichtet darin von einer äußerst extremen Erfahrung - welches "Geschenk" ihm nämlich jemand hat zukommen lassen, der ihn für nicht mehr katholisch hält. Ab ca. 10.45 Uhr werdet ihr den entsprechenden Bericht bei uns lesen können. Bis dahin gilt eine Sperrfrist, sodass ich hier - anders als sonst schon mal - auch nicht exklusiv mehr dazu sagen kann.

Liebe Freund:innen, das war er also, der letzte Newsletter in diesem Wahnsinnsjahr 2022. Fast ist man geneigt zu sagen: Es kann nur besser werden. Aber ob das so kommt? Vielleicht geht es mit einer kleinen Erheiterung zuversichtlicher - mit dem berühmten Neujahrsgebet des einstigen Pfarrers von St. Lamberti, das ihr hier findet (und etwas mehr Hintergrund auch) (Öffnet in neuem Fenster).

Ich danke euch für all eure Unterstützung im sich neigenden Jahr, nicht zuletzt die finanzielle. Bleibt uns gewogen, bleibt uns treu, empfehlt uns weiter! Wir haben einiges vor im neuen Jahr - und versprechen, mit ganzer Kraft, Kreativität und ganzem Einsatz für euch, für uns als Kirche zu arbeiten.

Euch und euren Lieben einen schönen Silvesterabend und ein gesegnetes, möglichst friedvolles neues Jahr!

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur online)