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Noltes Notizen | 27. Januar 2023

Liebe KLup-Freund:innen,

es gibt viel zu sagen über die kirchenpolitischen Gewitter, die gerade zwischen Vatikan und Deutschland hin- und herziehen; womöglich hängen sie auch einfach an den Alpen fest und kommen weder vor noch zurück. Ob sich diese Unwetter letztlich reinigend auf die Atmosphäre auswirken oder ob wir uns - kirchenklimawandelbedingt - auf ungewohnt lange ausharrendes Gewölk wird einrichten müssen, und was das mit dem ohnehin schon länger mächtig unter "Kreislauf" und "Blutdruck" leidenden Volk Gottes hierzulande macht: Man wird sehen. 

Fakt ist: Derart gekracht hat es lange nicht mehr. Am Montag ging es los mit drei Spitzenkardinälen der römischen Kurie (Öffnet in neuem Fenster), die Krawums! der Bischofskonferenz und dem Synodalen Weg einfach mal verbieten, einen Synodalen Rat einzurichten. Weil einige gefragt hatten, ob sie das dürfen. Am Mittwoch legte Papst Franziskus nach (Öffnet in neuem Fenster), indem er Krawums! dem deutschen Reformprojekt attestiert, da sei sowas wie eine katholisch-theologisch-ideologische Elite am Werke. Weil ja bei vatikanischen Synoden so viele Laien stimmberechtigt dabei sind (nicht). Und heute lässt Georg Bätzing als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Blitze los (Öffnet in neuem Fenster), indem er Krawums! die Art des Papstes, diese Kirche mittels Interviews zu führen, als "äußerst fragwürdig" bezeichnet. Weil die deutschen Bischöfe ja erst beim Ad-Limina-Besuch im November lange miteinander reden konnten.

Warum macht ihr das mit?

Ich persönlich frage mich ehrlich gesagt schon lange, warum die Laien in dieser Kirche - und in diesem Fall vor allem die Delegierten in der Synodalversammlung - sich überhaupt noch derartige Respekt- und Würdelosigkeiten gefallen lassen. Schon bei der letzten Synodalversammlung im September in Frankfurt, als eine Sperrminorität der Bischöfe das Grundsatzpapier zur Reform der Sexualmoral mir-nichts-dir-nichts krachend durchfallen ließen, wäre ich definitiv draußen gewesen. Wegen mangelnden Benehmens, Kindergarten, was weiß ich. Not my business anymore. Not my church.

Was dann jetzt gewissermaßen aus allen Rohren von Rom aus an Beleidigungen und Unterstellungen, an Ignoranz und Arroganz abgeschossen wird, wie sehr besseren Wissens der Missbrauchsskandal als Ur-Auslöser dieser kirchlichen Wiederbelebungsaktion namens Synodaler Weg verleugnet wird - wäre ich Delegierter, ich würde nicht nur den Saal, sondern diese Kirche umgehend verlassen. Von wegen Königswürde aller Getauften oder schlichtweg Ehrenamt mit mega Zeiteinsatz. Geh mir wech.

Genügsame Laien

Nun bin ich kein Delegierter, sondern Journalist. My Business ist, bei aller inneren Verbundenheit (die darum auch Verletzungen kennt), die Distanz zu wahren und so nüchtern wie möglich von außen auf diesen innerkirchlichen Umgang zu schauen. Auch einzuordnen, zu bewerten - nicht zuletzt mit einer gewissen theologischen Expertise und einer gewissen zivilen Erwartung, was Anstand einerseits und Achtung vor der Freiheit des Menschen andererseits angeht. Und so ist gleich Anfang der Woche mein Leitartikel entstanden: "Erwiesenermaßen reformresistent". (Öffnet in neuem Fenster)

Viele, viele engagierte Menschen haben mich in diesen Tagen angerufen. Wütend. Verzweifelt. Frustriert. Bar jeder Motivation. Am Ende mit der Leidensfähigkeit. Der Tonus ist immer derselbe: Wie soll ich da noch weitermachen? Wie soll ich ernsthaft daran glauben, dass sich in dieser Kirche wirklich fundamental etwas ändert? Wie soll ich im Übrigen auch damit umgehen, dass doch längst Zentralkomitee der Katholiken (Öffnet in neuem Fenster) wie auch unser Diözesankomitee im Bistum Münster (Öffnet in neuem Fenster) sich damit begnügen, hier und da ein bisschen mitreden, kräfitg mitzuarbeiten, protestieren, weinen und wieder und wieder kämpfen zu dürfen - aber entschieden (oder eben auch nicht) wird doch von den Männern, die ganz offensichtlich immer noch nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat. 

Nicht beanspruchte Autorität

Der Synodale Weg hat viel auf den Weg gebracht, zweifellos. Hat viel an neuen Sensibilitäten gerade auch bei manchen Bischöfen ermöglicht, hat gezeigt, wie das Volk Gottes zusammensteht (und auch an der Seite ihrer Bischöfe, die nicht selten selber verzweifeln) - aber die Laien-Delegierten haben auch zugestimmt, dass diese Versammlung von vornherein eine möglicherweise beim manchen in Rom zu gewissen Irritationen führende Autorität gerade nicht beansprucht. Das wäre die Autorität einer echten Synode gewesen. 

Einmal mehr: Das Problematische an diesem Machtsystem wird nicht zulassen, dass das Problematische an ihm aufhört. Dazu kommt: Hier entscheiden Männer, deren existenzielle Biographie aufs Engste mit dem Problematischen dieses Machtsystems verbunden ist. Da kann es nicht wundern, dass sie sich - freundlich gesagt - schwer mit Fundamentalreformen tun. So infrage gestellt, wie es der Synodale Weg in großer innerer Sorge und errungener innerer Freiheit zu einer wieder glaubwürdigeren Kirche tut, kann die Reaktion das exakte Gegenteil sein. Und das heißt auf die Finger schlagen: Nein, Nein und nochmal Nein. Mit Reife hat das wenig zu tun. Mit Trotz und unanfragbarer Macht schon.

Schlaflos im Palast

Dafür erfahren wir dieser Tage aber auch die wirklich wichtigen Dinge aus Rom: Papst Benedikt XVI. ist seinerzeit wegen chronischer Schlafprobleme zurückgetreten (Öffnet in neuem Fenster). Hat er neun Wochen vor seinem Tod dem Buchautor Peter Seewald geschrieben. Sagt der. Manchmal sind die Dinge rührend einfach, wir sollten nicht immer so kompliziert denken. Wie ich Menschen darum beneide! Warum soll nicht auch ein Papst Schlafstörungen haben. Wobei "Störungen" maßlos untertrieben ist! Seit dem Weltjugendtag 2005 konnte er nicht mehr schlafen. Hat er geschrieben. Sagt Seewald. Dass das klar ist. 13 Jahre um den Schlaf gebracht - das macht seinen Rücktritt morgen vor exakt zehn Jahren nun wirklich glaubhaft. Notwendig beinahe. Klingt hier Ironie durch mein Geschreibsel? Wenn's doch der Benedikt dem Peter Seewald geschrieben hat ... Ist das auch geklärt.

Noch einmal muss von Krawumm! die Rede sein. Der Kardinal Hollerich hat dem Erzbischof Gänswein die Leviten gelesen. (Öffnet in neuem Fenster)Der hätte sich zu sehr in den Vordergrund gedrängt, sagt der Luxemburger über den Schwarzwälder. Ist das die Möglichkeit! Wie ein "Haupttrauernder" habe sich Don Giorgio bei der Beerdigung von Benedikt XVI. gegegeben. Sogar den Platz des amtierenden Papstes habe er einnehmen wollen. Na, das ist aber auch ... Genau: "Eine sehr ernste Sache, so der Kardinal." Steht in unserem Artikel.

Noch ein paar Marginalien ...

So sind am Abend dieses letzten Tags der Arbeitswoche in diesem Newsletter schlussendlich alle wichtigen Dinge im, vom und zum Vatikan ausgesprochen. Bleibt noch zu erwähnen, was diese Woche diesseits der Alpen an Marginalien bekannt wurde: Die Kirchenaustritte 2022 in NRW (Öffnet in neuem Fenster) klettern laut Landesjustizministerium mit einer Hammerquote von 44 Prozent auf einen neuen Höchststand. Kardinal Hollerich (genau: der, der den Gänswein schimpfte) sieht buchstäblich den Untergang des Abendlandes (Öffnet in neuem Fenster)wegen kompletten Relevanzverlusts. Und eine Umfrage hat ergeben: Die Deutschen haben zur katholischen Kirche mit 8 Prozent (Öffnet in neuem Fenster) nur unwesentlich mehr Vertrauen als zum Islam. 

Das nennt man Selbstatomisierung. 

Da freilich endet die Verantwortung der Herren in Rom. Wegen der Zuständigkeit. Und der Hierarchie, natürlich, nichtd zu vergessen. Und des Lehramts. Und dessen Macht.

Da ist die fehlende Glaubwürdigkeit schuld. 

Die der Laien.

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur Online)