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Noltes Notizen | 16. September 2022

Liebe KLup-Freund:innen,

das Beben von Frankfurt ist noch nicht dabei. Keine Frage: Was da an Beschlüssen etwa zur Neubewertung von Homosexualität, zur Gleichberechtigung von Frauen, zu einem Synodalen Rat als Verstetigung eines synodalen Umgangs von Bischöfen, anderen Geistlichen und Laien beschlossen oder doch auf den Weg gebracht worden ist - das kann man nicht anders als einen Fortschritt bezeichnen, der vor einigen noch undenkbar war. 

Randbemerkung: So wichtig es ist, dass Bischöfe ihren Leitungsstil und ihren Umgang mit Macht bedenken - letztlich die Diskussion über das geistliche Amt führen müssen - : Man wird ebenso deutlich fragen müssen, ob das Zentralkomitee der deutschen Katholiken so viel Gewicht in diesem Reformprozess haben sollte. Damit will ich - um Gottes willen - nicht das ZdK infragestellen. Aber wenn doch klar ist, dass die Volkskirche am Ende ist, dann muss doch auch die Frage gestellt werden, ob die Pfarrgemeinden und Verbände - aus deren Vertreter sich das ZdK zum Großteil zusammensetzt - wirklich noch die "Hauptquelle" ist, aus der sich das Gegenüber zur Bischofskonferenz speist. 

Impulsgeber waren andere

Man muss gar nicht so genau hinschauen, um zu erkennen: Die Impulsgeber, die Initiatoren, die Pioniere für die großen Themen "Frauen in der Kirche" und "Queere Menschen in der Kirche" - das waren nicht die Gemeinden, das waren nicht die Verbände, das war schon gar nicht das ZdK. Es waren Initiativen von einzelnen Christ:innen: etwa "Maria 2.0" (an deren Seite sich später zugegebenermaßen die KFD gesellt hat), gegründet von Frauen im Münsteraner Kreuzviertel; etwa die Aktion #liebegewinnt, die nach dem römischen Nein zu Segnungen homosexueller Partnerschaften aktiv wurde - und so dafür sorgte, dass auf einmal an gefühlt jedem zweiten Kirchturm Regenbogenflaggen flatterten; etwa die Aktion #OutInChurch, die mehr als 150 kirchliche Mitarbeitende dazu ermutigte, sich als queer zu outen. Diese letzten beiden Aktionen entstanden durch ein kleines Team von Seelsorger:innen.

Das passt vollkommen zu gesellschaftlichen Entwicklungen: Menschen engagieren sich projektbezogen, haben eine ordentliche Portion Skepsis gegenüber allen instituionalisierten Einrichtungen, verstehen und entwickeln sich eher basisdemokratisch und arbeiten mit möglichst flachen Hierarchien und Organisationsstrukturen. Darum sind sie wendiger, agiler, effektiver. Da können Supertanker wie ZdK oder Bischofskonferenz nicht mit. Womöglich gilt das auch für viele andere Gremien weit unter der Bundesebene ...

Was ich sagen will: Diese Impulsgeber:innen tauchen beim Synodalen Weg überhaupt nicht auf! Ihre Mahnungen, ihre Sensibilisierungen, ihr Mut, ihre Erfolge - ja, die unbedingt. Aber mitdiskutiert, mitgehört, mitgestritten, mitgelitten - das haben die Protagonist:innen zuhause, im Netz, in den sozialen Netzwerken.

Mehr Realität, bitte

Wenn diese Kirche, dieser Synodale Weg wirklich selbstkritisch sich selber und die Gremienfixiertheit der katholischen Kirche in Deutschland ansehen will, dann müsste er mit großer Begeisterung die starken Energien dieser Bewegungen aufnehmen - und so ein ganzes Stück mehr die Realität des Volkes Gottes in Deutschland abbilden.

Tatsächlich jedenfalls sorgt das Beben vom Donnerstag vergangener Woche weiterhin für Erschütterungen. Wenn man Bischof Georg Bätzing und Irme Stetter-Karp als Präsident:in der Synodalversammlung glaubt, soll der Abstimmungs-Eklat, bei dem ja das Grundlagenpapier für eine Reform der katholischen Sexualmoral an der (schweigenden) Ein-Drittel-Sperrminorität der Bischöfe gescheitert ist, auch in den Gremien nachdiskutiert werden, für die beide stehen. Bätzing kündigte ja schon wenig nach dem Desaster in Frankfurt an, darüber werde in der Herbst-Vollversammlung der Bischofskonferenz gesprochen werden müssen. Sie tagt vom 26. bis 29. September in Fulda. Und auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat betont, es sei noch nicht ausgemacht, ob dieser Weg weiter gehen wird. Was davon bleibt, wird man freilich sehen.

Wichtig jedenfalls ist, dass der Erfolg bei den oben genannten Themen nicht die Niederlage und den Eklat verdrängt. Aus dem Grund sieht die Titelseite unserer Print-Ausgabe in dieser Woche auch so aus, wie sie aussieht. Wir zeigen nicht das jubelnde Präsidium nach der Entscheidung zum Synodalen Weg, nicht die Standing Ovations der Synodalversammlung nach Verabschiedung des "Frauen-Papiers" und schon gar nicht die Delegierten in sich gekehrt beim (in der Tat bewegenden) Gottesdienst mit Bischof Bätzing - denn natürlich ist dieser Synodale Weg auch ein geistliches Ereignis. 

Nein, dies hier ist unser aktuelles Titelbild (Foto: Maximilian von Lachner / Synodaler Weg)

Es zeigt in der Mitte eine weinende Delegierte - links und rechts daneben zwei geschockte, ungläubig dreinschauende Frauen. Sie sind Teil eines Kreises, der sich nach der Ablehnung des Grundlagenpapiers durch mehr als ein Drittel der Bischöfe inmitten der Synodal-Aula gebildet hat. "Wo sind die Hirten?", riefen einige immer wieder. Andere standen wie gelähmt, nur gehalten von den hinter den Rücken verbundenen Armen der Mitdelegierten. Nicht zu sehen sind diejenigen, die den Saal verlassen haben - queere Delegierte, von Missbrauch Betroffene. Eine Frau (eine Journalistin, die Missbrauchs-Betroffene ist, wie ich hörte) brach unmittelbar hinter unserer Journalistenbereich zusammen. 

So etwas darf nicht von den Erfolgen verdrängt werden. Es muss klar sein, was die - dummerweise anonym abgestimmte - Entscheidung von nur zehn Prozent der Delegierten, die eine 83-Prozent-Mehrheit überstimmen können, bei Menschen auslöst. Von "Heckenschützen" war hier und da zu lesen. Ich mag dieses militärische Vokabular nicht. Aber klar ist: Dieses Verhalten - ohne jede Beteiligung im Vorfeld, ohne Diskussion "mit offenem Visier" (wie es öfter in Frankfurt hieß, auch das ist mir zu kämpferisch-gewaltvoll), ohne öffentliches Erklären - es verletzt Menschen zutiefst. Weil es so fürchterlich kalt, überheblich, selbstsicher Macht zeigt. 

Diese Zeiten sollten vorbei sein.

Wir sind nicht mutig

Dass uns gleichwohl immer noch eine übertrieben, nicht angebrachte Ehrfurcht vor bischöflichen Amtsträgern in den Genen steckt, verwundert einerseits nicht. Und doch war ich schon überrascht, wie viele Menschen uns Mut bescheinigten, weil wir die Münsteraner Weihbischöfe Stefan Zekorn und Rolf Lohmann gefragt haben, warum sie nicht in Frankfurt dabei waren (beide), wie Zekorn bei der anonymen Entscheidung über das letztlich gescheiterte Grundlagenpapier abgestimmt hat, warum er sich bei drei weiteren Themen enthalten und bei einem mit Nein gestimmt hat. 

Mit Verlaub, das ist nicht mutig - das ist unser Job. Dass uns dennoch Mut attestiert wird, zeigt nicht weniger als dies: Es scheint immer noch ungewöhnlich zu sein, dass auch in der Kirche professionell journalistisch gearbeitet wird. Übrigens haben beide Bischöfe - wir haben aus Zeitgründen um schriftliche Bearbeitung unserer Fragen - innerhalb von zwei Stunden ihre Antworten zurückgeschickt. Freundlich, verbindlich und überraschend flott. Es gab keinerlei Anlass zu meinen, sie hätten unsere Fragen auch nur im Ansatz als unverschämt, unangemessen oder sogar unerlaubt angesehen. Im Gegenteil. 

Dass diese beiden kurzen Interviews dennoch solche Kreisen gezogen hat - nicht nur die Kolleg:innen von "katholisch.de" haben sie aufgegriffen, auch das konservative Magazin "CNA deutsch" hat berichtet, jedenfalls über die (eben auch konservativen) Antworten von Weihbischof Zekorn.

Raus aufs Land

Nach diesen anstrengenden Tagen in Frankfurt, die nicht nur mich als Berichterstatter, sondern inhaltlich auch meine Kolleg:innen in unserem Team ordentlich beschäftigt haben, war es wunderbar, am darauffolgenden Montag gemeinsam zu entspannen. Ziemlich spontan hatten wir uns zu einer Grillerei auf dem Land verabredet. Es war ein herrlicher Abend, noch wunderbar lau, wohl der letzte seiner Art für dieses Jahr. Wir haben auch da perfektes Timing bewiesen: Die Außentemperaturen stimmten, das Beisammensein kam genau zur rechten Zeit, wir haben es gemeinsam genossen, bis in den späten Abend hinein bei Kerzenschein und an Biertischgarnituren unterm Sternenhimmel zu diskutieren, zu klönen, zu lachen. 

Lauer Sommerabend auf dem Land mit dem Redaktionsteam (von links): Michael Bönte, Jan Dirk Wiewelhove, Markus Nolte, Pater Daniel Hörnemann OSB, Jens Joest, Bernd Schumacher, Henry Robbert, Annette Saal, Johannes Bernard, Petra Helmers.

Besonders schön war es, dass unsere großartige Kollegin Marie-Theres Himstedt mit dabei war. Denn sie verlässt uns zum Ende des Monats und beginnt im Bereich Social-Media-Recruiting beim Träger mehrerer Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Zwölf Jahre war sie bei uns und hat zusammen mit Michael Bönte und Martin Schmitz den Video-Bereich auf- und ausgebaut. 

Es ist immer traurig, wenn ein:e Kolleg:in geht. Zugleich ist es natürlich völlig normal und richtig und wichtig, dass junge Menschen sich neu orientieren, Neues angehen und dafür Gewohntes verlassen. Dem gilt unser Respekt. Vorgestern haben wir Marie-Theres am Ende unserer Redaktionskonferenz verabschiedet. Die Suche nach einer Nachfolge läuft - so ist das nunmal. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald Klarheit darüber haben, wer neu in unser Team kommt.

In diesem Sinn: Dir, liebe Marie, und auch euch lieben KLup-Freundinnen ein herzliches

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur Online)

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