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Lernen, Sprache, Kreativität, Emotionen: Wie KI die menschliche Superpower Intelligenz simuliert

von Tanja Deuerling

Ach ja, KI, damit beschäftigen wir uns jetzt auch! Ob ich mit Freund:innen oder Kund:innen spreche, in meiner Medienblase blubbert KI ihrem Siedepunkt entgegen. Keine Medienkonferenz ohne KI-Panels, keine Branchenpublikation ohne KI-Aufmacher, kein Unternehmen, dass nicht hektisch neue Rollen erfindet, die KI im Titel haben. Ich habe allerdings oft den Eindruck, dass mehr Buzzword-Bingo gespielt wird als wirklich zu begreifen, was da auf uns zukommt. Einige denken (oder hoffen), dass wir es mit einem hippen Trend zu tun haben, „die nächste Sau, die durchs Medien-Dorf getrieben wird“. Den meisten ist klar, dass KI gekommen ist, um zu bleiben und unsere Arbeitswelt komplett zu verändern.  Sie wollen KI dringend lernen, aber wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Irgendwie ist das Ganze ja auch ein bisschen gruselig. Und überhaupt: Wie soll ich mir diesen Informatiker-Kram jemals draufschaffen? Wie mich durch den Dschungel an Tools kämpfen?

Man muss einfach irgendwo anfangen. Ich habe im Rahmen eines EU-Projektes zur Start-up-Förderung angefangen, mich mit KI-Tools im Medienbereich zu befassen. Es hat mich total fasziniert, was jetzt schon möglich ist und wie schnell sich KI verändert. Trotzdem habe ich das dringende Bedürfnis zurück zum Start zu gehen und mir die ganz banale Frage zu stellen: Was ist das, Intelligenz, was durch Maschinen simuliert werden soll? Was ist so besonders an menschlicher Intelligenz, dass die Maschine zur Retterin und zur Zerstörerin für die Menschheit werden kann? Schließlich passiert es ja nicht zum ersten Mal im Laufe der Zivilisationsgeschichte, dass eine Maschine menschliche Fähigkeiten ersetzt und dadurch die Welt revolutioniert.

Was ist das, Intelligenz, was durch Maschinen simuliert werden soll? Was ist so besonders an menschlicher Intelligenz, dass die Maschine zur Retterin und zur Zerstörerin für die Menschheit werden kann?

Intelligenz ist erst einmal eine kognitive oder geistige Fähigkeit des Menschen. Dahinter steckt aber wesentlich mehr als die Kompetenz logisch zu denken, Lösungen zu finden oder Sprache zu nutzen. Intelligenz umfasst auch Kreativität, emotionale Wahrnehmung und soziale Interaktionen. Sie bestimmt, wie wir Menschen die Welt erfahren und gestalten. Intelligenz ist die Superpower des Menschen. Wenn Maschinen intelligent werden, dann werden sie menschlich. Es macht also Sinn, sich Intelligenz genau anzusehen, um auszuloten wo die Grenzen von KI verlaufen und wieviel Mensch KI nachmachen kann.

Ich habe eine ganze Weile mit meinen Kolleginnen ChatGPT und Claude darüber diskutiert, was menschliche Intelligenz beinhaltet. Wir haben gemeinsam nach Facetten von Intelligenz gesucht und uns gefragt, ob und wie diese simuliert werden können. Ziel der zugegebenermaßen etwas akademischen Übung ist es, sich ein Raster zu verschaffen, was KI kann oder (noch) nicht kann, ohne sich an einzelnen Tools abzuarbeiten.

Schließlich haben meine künstlichen Kolleginnen und ich folgende 5 Facetten menschlicher Intelligenz zusammengestellt und uns im nächsten Schritt gefragt, wie gut KI sie simuliert:

1.     Lernen und Wissen

Lernen und Wissen würde ich als die Basis von Intelligenz bezeichnen. Diese aus KI- Sicht vergleichsweisen einfachen Fähigkeiten ermöglichen es den Menschen, Informationen zu verarbeiten und sich daran zu erinnern. Menschen bauen ihr Wissen und ihre unterschiedlichen Fertigkeiten ein Leben lang auf, erweitern und erneuern sie ständig. Selbst in hohem Alter können wir – solange wir nicht an Demenz oder Alzheimer erkranken - noch lernen und unser Wissen erweitern.

KI kann diese Basis menschlicher Intelligenz schon jetzt meisterhaft nachahmen. Sie „lernt“ aus Unmengen von Daten und bildet biologische Lernprozesse und menschliche Methoden zum Wissenserwerb immer besser nach. Übersetzungstools, personalisierte Medienempfehlungen, automatisierte Inhaltsbeschreibungen und Medienanalysen sind nur die prominentesten Beispiele im Medienkontext, mit denen wir es jeden Tag zu tun haben. Sie basieren auf den unterschiedlichen Arten von KI-Lernen wie Deep Learning, Machine Learning und das Bilden von virtuellen neuronalen Netzen, die wiederum die Basis sind von Vielem, was Künstliche Intelligenz noch kann.

2.     Problemlösung und Entscheidungsfindung

Etwas anspruchsvoller ist die menschliche Fähigkeit, Probleme zu lösen und sich für etwas zu entscheiden. Hier geht es darum, neue oder komplexe Situationen zu meistern. Menschen können das sehr gut, deswegen sind sie so weit gekommen. Sie analysieren auf Basis ihres Wissens, entwickeln Lösungen und wie man sie umsetzt. Dies umfasst auch die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, indem man Optionen abwägt und mögliche Ergebnisse berücksichtigt. Viel passiert dabei „aus dem Bauch“: Diese Art von Entscheidungsfindung, basierend auf Intuition und Common Sense, ist Maschinen fremd.

Abgesehen davon ist KI schon ziemlich gut darin, dieses Feld menschlicher Intelligenz zu simulieren. Grundlage ist wiederum, biologische Prozesse nachzubauen und mit „Erlerntem“ über Analogien oder Evidenzen zu logischen Schlussfolgerungen zu kommen. Im Bereich Medien übernehmen KI-Systeme zum Beispiel Content-Moderation auf Social-Media-Plattformen. Sie treffen Entscheidungen über das, was als unangemessener Inhalt gilt, und ergreifen Maßnahmen, um solche Inhalte zu moderieren oder zu entfernen. Auch bei automatisierten Musikmischungen, Textkorrekturen, Videomontagen oder Bildbearbeitungen trifft KI Entscheidungen, die sie den Nutzer:innen vorschlägt.

Einige Systeme finden neue Lösungen ohne menschliche Muster, und zwar über eigenständiges Trial-and-Error-Verfahren. In Bereichen, die extrem kompliziert, aber nicht komplex sind, ist KI dem Menschen jetzt schon überlegen. Ein gutes Beispiel dafür ist Schach: Hier ist grundsätzlich alles berechenbar, weil alle Züge festen Regeln folgen. Die KI der neuen Generation wird nicht mit menschlichen Daten gefüttert, sondern sie trainiert nur gegen sich selbst. Damit ist sie selbst für menschliche Großmeister kaum zu schlagen.

3.     Sprachverständnis-und gebrauch

Menschliches Sprachverständnis ermöglicht, komplexe Ideen auszudrücken, sie zu verstehen und dadurch Beziehungen zu anderen zu knüpfen. Auch in dieser menschlichen Domäne hat sich KI ausgebreitet.

Die Fähigkeit Sprache zu verstehen und zu gebrauchen, unterscheidet den Menschen im Wesentlichen vom Tier. Menschen können Sprache entwickeln, und sie nutzen sie nicht nur, um Informationen auszutauschen. Menschliches Sprachverständnis ermöglicht, komplexe Ideen auszudrücken, sie zu verstehen und dadurch Beziehungen zu anderen zu knüpfen.

Auch in dieser menschlichen Domäne hat sich KI ausgebreitet. Sie kann Sprache verstehen, interpretieren und darauf reagieren. Selbstverständlich verwenden wir Chatbots, Voice-Assistenten, Transkriptionsmodelle und Übersetzungstools. Standardisierte Nachrichten wie Wetter- oder Börsenberichte lassen sich durch Data-to-text-Modelle automatisiert herstellen. Mit dem Siegeszug von generativen Modellen wie Chat GPT, hat die sich Wahrnehmung von KI bei Sprache und Texten noch einmal komplett verändert. Sie setzt gespeicherte Inhalte und gelernte Muster so zusammen, dass man das Ergebnis nicht vorhersehen kann. Die Ergebnisse sind neu und irgendwie kreativ.

4.     Kreativität

Kreativität ist ein Baustein menschlicher Intelligenz, der im Moment gerade im Medienbereich heiß diskutiert wird. Kann KI menschliche Kreativität als Fähigkeit, Neues zu schaffen wirklich simulieren? Kreativität gilt als die Voraussetzung für das Schaffen von Kunst, Musik, Literatur oder Wissenschaft. Das galt lang Zeit als göttlich inspiriert und nur Genies vorbehalten. Kein Wunder, dass man sich auch heute noch sträubt, Kreativität mit Maschinen in Verbindung zu bringen.

Betrachtet man Kreativität etwas nüchterner, ist ein künstlicher Nachbau nicht mehr so unwahrscheinlich. Menschliche Kreativität ist oft „nur“ ein mehr oder weniger bewusstes Sampeln von vorhandenen Ideen und Mustern.

Betrachtet man Kreativität etwas nüchterner, ist ein künstlicher Nachbau nicht mehr so unwahrscheinlich. Menschliche Kreativität ist oft „nur“ ein mehr oder weniger bewusstes Sampeln von vorhandenen Ideen und Mustern. Genau das können KI-Systeme und machen das auch ziemlich erfolgreich: Sie kombinieren Elementen nach dem Zufallsprinzip oder erkennen Muster zwischen Domänen, um daraus Analogien zu bilden. Manche Systeme folgen spielerischen Prinzipien wie Neugier, Risikobereitschaft und Belohnung.

Am weitesten sind auch hier die generativen Modelle, die aus Massen von Daten und Mustern stimmige Inhalte erzeugen, die man tatsächlich als neu bezeichnen kann. In der Kreativ- und Medienbrache kann KI mittlerweile in vielen Arbeitsschritten angewendet werden: Bildgenerierung, Videoproduktion, Musikkomposition, Storytelling, Texten – es gibt unzählige Tools, die gerade bei kreativen Routinen unterstützen.

Trotzdem kommt KI bei Kreativität an ihre Grenzen, auch wenn diese immer weiter verschoben werden. Auch generative Systeme können noch nicht in hoher Komplexität radikal Neues entwickeln, Emotionen und soziale Komponenten so mit einbeziehen, dass eine neue Sinnhaftigkeit entsteht.

5.     Emotionale und soziale Intelligenz

Schließlich kommen wir in Bereiche menschlicher Intelligenz, bei denen Mensch und Maschine kollidieren: Die emotionale und die soziale Intelligenz. Emotionale Intelligenz heißt, die eigenen Emotionen und die anderer zu erkennen, zu verstehen und zu regulieren, und diese Informationen für Entscheidungen zu nutzen. Soziale Intelligenz befähigt Menschen, in verschiedenen sozialen Kontexten zu funktionieren, Empathie zu zeigen, Zusammenarbeit zu fördern, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.

Was kann KI ausrichten, wenn es zutiefst menschelt? Sie kann lernen, was Gesichtsausdrücke und Körpersprache, Intonation und Wortwahl bedeuten und wie eine angemessene Reaktion darauf ist. Sie kann Muster von Verhaltensweisen, soziale Normen und Regeln studieren und daraus Verhaltensvorhersagen berechnen. Chatbots und persönliche Assistenzen versuchen Stimmungen und Emotionen zu interpretieren. Echtes Verstehen von Emotionen, Werte, Empathie und komplexe soziale Dynamiken, die manchmal keiner Logik folgen, das bleibt tatsächlich noch der menschlichen Intelligenz vorbehalten.

Diese 5 Facetten der Superpower Intelligenz in genau dieser Reihenfolge helfen mir, besser zu systematisieren, was KI schon kann und wo sie an ihre Grenzen stößt. KI funktioniert super gut, wenn es um Fähigkeiten wie Lernen und Wissen geht. KI lernt auch immer besser Probleme zu lösen und sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Auch wenn es um Sprachverständnis und -gebrauch geht, ist KI auf dem besten Wege, mit dem Menschen mitzuhalten. Wenn es allerdings richtig menschelt, kommt die Maschine ins Stottern: Emotionale und soziale Intelligenz sind extrem komplex und lassen nur sehr eingeschränkt simulieren.

Wenn es allerdings richtig menschelt, kommt die Maschine ins Stottern: Emotionale und soziale Intelligenz sind extrem komplex und lassen nur sehr eingeschränkt simulieren.

Beim Thema Kreativität ist das Spiel aus meiner Sicht noch nicht entschieden. Einerseits kann KI jetzt schon vorhandene Daten so zusammensetzen, dass Neues entsteht. Schneller und besser als jeder Mensch, ganz einfach, weil KI-Systeme aus unfassbar viel Input schöpfen können. Zugegeben, es sind weder herausragende noch besonders innovative Ergebnisse zu erwarten, aber das wird auch nicht bei jeder menschlich-kreativen Arbeit erwartet. Hier ist die Grenze von KI: Exzellenz, die echte Innovation, die radikale Idee, das Werk, das menschlich berührt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass dies der nächste Schritt sein wird. Und ich so gespannt darauf!

Kategorie Denken über KI