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Liebe*r Utopist*in!

Es ist soweit: Die erste Ausgabe von Utopisch Neues ist in dein Postfach geflattert. Herzliches Danke für deine Neugier - ich hoffe, dass der Newsletter auf kurz oder lang bewusstseinserweiternd wirkt! ;-) Wie du vielleicht weißt, forsche ich vor allem erzählend, das heißt, das Herzzentrum meiner Arbeit ist aktuell eine utopian fiction-Erzählung, die in einer ökologischen, ausbalancierten, gerechten und lebendigen Welt des Jahres 2055 spielt. Aus deren Szenario und Heldenreise gehen die sonstigen utopischen Impulse und Publikationen hervor, die du hier erhalten oder im Netz finden wirst. 

Die (unpublizierte) Urfassung der Erzählung ist zehn Jahre alt, aber seit Februar 2021 habe ich sie in erweiterter Form als monatliche Erzählfolgen über die Plattform Patreon veröffentlicht, bei der Künstler*innen ein Crowdeinkommen erhalten. Nun habe ich aus organisatorischen Gründen zur deutschsprachigen Alternative Steady gewechselt und die Möglichkeiten, mich zu unterstützen, sowie die Dankeschöns etwas angepasst, um noch mehr Menschen für neue utopische Horizonte zu  begeistern. 

Impuls

Ärgerst du dich manchmal über die Sozialen Medien, darüber, dass sie deine Zeit fressen, weil ihre Algorithmen dich dazu bringen, doch noch eine halbe Stunde länger an der Timeline zu hängen und Posts durchzuscrollen, die dich eigentlich gar nicht interessieren? Aber helfen Foren, Diskussionen, Teilen und Liken nicht auch, wenn man sich mit neuen Ideen zum Gesellschaftswandel versorgen will? Einen eher kritischen Artikel zum Thema Social Media & Nachhaltigkeit (Öffnet in neuem Fenster) habe ich vor einiger Zeit in meinem Blog publiziert – und habe dann einige Monate später einen zweiten geschrieben, weil mir die Potenziale klar geworden sind, die in diesen alltäglichen Technologien liegen, was die ersehnte "Große Transformation" betrifft ... Mehr zur "Geheimen Berufung der Sozialen Medien" liest du hier (Öffnet in neuem Fenster). Lass mich gerne in den Kommentaren (oder in einer Antwortmail an diesen Newsletter) wissen, was du darüber denkst!

Community

Herzliche Einladung:

https://meet.allmende.io/JuliTopiasSalon02 (Öffnet in neuem Fenster)

Utopisch-dystopisch zitiert: 1984

Dieses Mal findet ihr hier eine kleine Leseprobe aus der berühmten Dystopie von Georg Orwell. Besonders das Roman-Intro finde ich gelungen, weil es eine schöne Vorausdeutung auf das Kommende darstellt und die Atmosphäre gut einfängt. Orwell hat sich meinem Eindruck nach in vielen Elementen von einem Vorgängerwerk, Jewgeni Samjatins „Wir“ von 1920, inspirieren lassen.

Es war ein strahlend-kalter Apriltag, und die Uhren schlugen dreizehn. Winston Smith, das Kinn an die Brust gezogen, um dem scheußlichen Wind zu entgehen, schlüpfte rasch durch die Glastüren

der Victory Mietskaseme, doch nicht rasch genug, um zu verhindern, daß mit ihm auch ein grießiger Staubwirbel hereinwehte. Der Flur roch nach Kohlsuppe und Flickenteppichen. An einem Ende hatte man ein Farbplakat an die Wand gepinnt, das für drinnen eigentlich zu groß war. Es zeigte nichts weiter als ein riesiges, über einen Meter breites Gesicht: das Gesicht eines etwa fünfundvierzigjährigen Mannes mit wuchtigem schwarzem Schnurrbart und kernig-ansprechenden Zügen. Winston steuerte auf die Treppe zu. Es mit dem Lift zu probieren war zwecklos. Selbst zu günstigen Zeiten funktionierte er selten, und momentan wurde der Strom tagsüber abgestellt. Dies war Teil der Sparsamkeitskampagne zur Vorbereitung der Haßwoche. Die Wohnung lag im siebenten Stock, und Winston, der neununddreißig war und über dem rechten Fußknöchel ein Krampfadergeschwür hatte, ging langsam und verschnaufte unterwegs mehrmals. Auf jedem Treppenabsatz starrte dem Liftschacht gegenüber das Plakat mit dem riesigen Gesicht von der Wand. Es war eines jener Bilder, die einem mit dem Blick überallhin zu folgen scheinen. DER GROSSE BRUDER SIEHT DICH, lautete die Textzeile darunter ...

Eintrag *) aus dem utopian fiction-Glossar

Hier gibts hin und wieder einen Impuls aus meinem utopian fiction-Universum, das bestehende soziale Innovationen und gute Ideen für andere Formen, sich zu organisieren und miteinander zu sein aufgreift und fiktional weiterspinnt.

*) in Teilen inspiriert von: Mustertheorie von Christopher Alexander; Verbundwikis; Silke Helfrichs Muster des Commoning:  Kartenset (Öffnet in neuem Fenster)

Aus der Utopian Fiction-Werkstatt

Hier findest du zukünftig eine Leseprobe aus einer (möglichst aktuellen) Erzählfolge und eine kurze Erläuterung dazu. Heute zum Auftakt entstammt das Zitat der ersten Folge:

Kyara trat staunend in den Winterabend. Eisklare Luft flutete ihre Lungen und befreit atmete sie aus. Das, was sie sah, war vollkommen – geradezu beleidigend vollkommen. Die sonst kantigen Steinmäuerchen leuchteten makellos rund, auf den kahlen Wildsträucherhecken saßen bauschige Mützen. Die zugeschneite alte Schubkarre mit dem schlingernden Rad glitzerte perlmuttfarben. Eine heilige Stille lag über den Urbangärten. „Ich bin du“, sagte Kyara zum Schnee, doch es funktionierte nicht. Sie sammelte die Erfahrung ein wie ein Schneckenhaus am Strand, hob die linke Hand, als würde sie grüßen, und Hubert machte ein Bild. Unter den Solarleuchten auf dem Weg waren kaum mehr Fußstapfen zu erkennen; alle Kollegy feierten längst. Am Jubiläumstag also war der Schnee zurückgekehrt und machte alles so beschämend fließend harmonisch und ebenmäßig. Wie fast alle Zeitwendigen hatte sie den Großteil ihres jungen Lebens auf ihn verzichten müssen, nachdem er in den Jahrzehnten nach der Großen Pandemie aus den Wintern verschwunden war. Kyara machte sich auf den Weg zum Ausgang. Ihre Gedanken begannen wieder um das lästige Rätsel zu kreisen, das wie ein Steinchen im Schuh beim Gehen schmerzte …

Erste Sätze von Romanen sind überladen mit Erwartungen, zumindest ist das bei mir der Fall. Sollten sie nicht schon ein Mikrokosmos all dessen sein, was die Leser*innen erwartet? Idealerweise schon. Allerdings auch ein hoher Anspruch, den ich m.E. erst wirklich erfüllen kann, wenn die letzte Zeile – in noch mittelferner Zukunft – von Kyaras Kodenet (2.0) geschrieben worden ist – erst wenn das Ende auserzählt ist, kann es bereits im Anfang durchscheinen. Für den Übergang zumindest habe ich versucht, Kyaras Suche nach sich selbst anzudeuten in einem Spannungsfeld zwischen dem Eigenen und einer scheinbar vollkommen - bestmöglich - organisierten Gesellschaft, die bald auf ganz neue Art und Weise herausgefordert wird ...

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