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Mein linker, linker Platz ist frei, ich wünsch mir Widerstand herbei.

Was war letzten Monat los?

Das Erste, das mir einfällt: Europawahl. Und dass niemand mehr überrascht ist. Aber noch geschockt. Traurig. Wütend. 

Das war 2016 anders. Da waren wir wütend. Traurig. Geschockt. Und halt auch überrascht.

Damals saß ich als Praktikantin in einer Hamburger PR-Agentur. War recht neu da, bin anfangs meistens still. An diesem 13. März redete ich viel in der Mittagspause, obwohl ich sprachlos war. Auf Anhieb hatte die AFD 24,3 Prozent in Sachsen-Anhalt erzielt und war auch in andere Landtage eingezogen – nachdem sie drei Jahre zuvor bei ihrer ersten Bundestagswahl knapp den Einzug verpasst hatte. 

11 Jahre gibt es die AFD inzwischen (Öffnet in neuem Fenster) oder auch: den rechtsextremistischen Verdachtsfall. Aber damit fing nicht alles an: Die Rechten, die Nazis sind schon länger wieder da. Vielleicht waren sie nie ganz weg. Entnazifizierung haben wir im Geschichtsunterricht gelernt, in allen Fächern über den Holocaust gesprochen. Der Holocaust ist nicht zu leugnen – Entnazifizierung schon.

Ein paar Beispiele (und es sind wirklich nur ein paar von vielen):

Es ist wichtig, auch die Steigbügelhalter zu benennen. All jene, die mit “Wir müssen im großen Stil abschieben” auf Magazinen titeln, die ukrainischen Geflüchteten “Sozialtourismus” vorwerfen, sagen, dass arabischstämmige Schüler “kleine Paschas” sind und sich Sorgen machen um die Zahnarzt-Vorsorge der Deutschen. Scholz und Merz widersetzen sich nicht, sondern biedern sich an. Die Luft zwischen diesen Parolen und jenen der AFD (Öffnet in neuem Fenster) ist dünner geworden.

Und jetzt geben Menschen – junge Menschen (Öffnet in neuem Fenster) – Nazis in dem Punkt recht, dass Zuwanderung ja vielleicht schon begrenzt werden sollte, weil Frauen sich wieder unwohler fühlen, weil Wohnungen zu rar sind und zu teuer, weil das Geld sowieso knapper wird. 

Und Menschen – privilegierte Menschen (Öffnet in neuem Fenster) – singen rechte Parolen auf ihren Partys. Wählen Nazis, nicht obwohl sie Nazis sind, sondern weil sie Nazis sind. Müssen ihren Rassismus nicht länger verstecken. Denn das mussten sie mal. Was einst nur gedacht wurde, wurde irgendwann hinter verschlossenen Türen gesagt und schließlich am Kneipentisch ausgeführt. Und jetzt? Im Bundestag, in Talkshows, in der Gesellschaft gelebt.

AFD-Politiker*innen, die ihre populistischen Antworten auf komplexe Fragen in 10 Sekunden TikToks aufbereiten können, weil sie am Ende keine Lösungen haben, sondern nur hetzen. Und selbst mit Regierungsverantwortung wären noch die anderen schuld. Wie in Ungarn. Wie in Österreich. Wie in Italien. Denn wir müssen ja nicht mal die eigene Geschichte betrachten, wir können auch hier und heute in unsere Nachbarländer schauen.

Angesichts dessen fühle ich mich machtlos und spreche mehr darüber, als mir lieb wäre – aber was soll ich stattdessen machen? Wie kann ich meine Angst in Wut umwandeln und diese Kraft in Handlungen? Und was kann ich überhaupt tun? Hier sind einige Überlegungen:

  1. Spenden

Projekte unterstützen, die die Demokratie stärken und sich für Toleranz einsetzen. Hier sind zwei Beispiele:

Polylux (Öffnet in neuem Fenster): Das Netzwerk unterstützt Projekte im Osten. Denn eine Stärkung der Infrastruktur hilft gegen Rechtspopulismus (Öffnet in neuem Fenster).

Pinkstinks (Öffnet in neuem Fenster): Die Bildungsorganisation setzt sich gegen Homophobie und Sexismus ein.

  1. Eigene Projekte starten und Banden bilden

Welche Stärken hast du, mit denen du dich antifaschistisch in die Gesellschaft einbringen kannst? Denn die Gesellschaft sind wir alle. Vernetzung und Gemeinschaft sind dabei wichtige Punkte.

  1. Weiterbilden

Das Internet bietet so viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Verschiedene Perspektiven zu hören. Nutz diese.

  1. Demos

Ob in Essen den AFD-Parteitag verhindern oder mit tausenden Menschen gegen die Geheimpläne demonstrieren. Auf der Straße können wir unsere Meinung kundtun.

  1. Nicht mehr still sein im Bekanntenkreis

Im Kleinen anfangen, indem wir widersprechen, wenn jemand etwas Intolerantes sagt, etwas Ausgrenzendes. Sich darauf vorbereiten, Worte zurechtlegen – weil es in dem Moment manchmal schwierig ist.

Ich rede vor Menschen, manchmal über persönliche, oft über gesellschaftliche Themen. Und meistens über beides. Denn das Private ist politisch. 

Ich will aktivistischer werden. Die Überlegungen oben habe ich für dich aufgeschrieben, aber eben auch für mich.

Ich habe Bücher gekauft, mehr als ich lesen kann. Ich hinterfrage meine eigene Misogynie, meine internalisierten Rassismen, meine Muster – all das hilft, um anzufangen. Immer wieder reflektieren, immer wieder Raum schaffen, immer wieder austauschen. Eine Gegenbewegung bieten. Nicht still bleiben, nicht still sein, nicht still werden. Ein Ally sein. Nach Juni weiter Pride-Farben bekennen. Sich an die Seite stellen von marginalisierten Gruppen. Privilegien checken und nutzen. Was mir hilft, ist die Erkenntnis, dass jeder aktivistische Weg anders aussehen darf. Wer sich in Menschenmengen unwohl fühlt, kann Spenden und ein Projekt ins Leben rufen. Wer nicht genug Geld hat, kann auf Demos gehen und im Bekanntenkreis auf Missstände aufmerksam machen. Aber manchmal geht das alles nicht. Das ist okay. Es ist okay, nicht okay zu sein. Wenn du dir deine Sauerstoffmaske nicht zuerst anlegst, kannst du niemandem helfen. 

Was mir geholfen hat: Abschalten. Was mir noch geholfen hat: Weiterbilden. Und damit kommen wir zu den Empfehlungen des Monats:

  • Buch: Arne Semsrott– Machtübernahme: Was passiert, wenn Rechtsextremisten regieren. Eine Anleitung zum Widerstand.

  • Film: The Zone of Interest

  • Song: Ebow – Free. (YouTube (Öffnet in neuem Fenster))

“Sie sagen nie wieder, doch es passiert wieder.” Ebow

Schreibaufgabe: Bessere Vorbereitung

“Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.” Mark Twain

Schreibt für euch auf: Als ihr zuletzt eine Situation erlebt habt, bei der jemand grenzüberschreitend, sexistisch oder rassistisch war – was habt ihr gesagt? Und was hättet ihr gerne gesagt?

Außerdem: Happy Pride – im Juni und auch alle weiteren Monaten! Unsere Gesellschaft ist bunt, sie sollte auf Toleranz und Sympathie beruhen, auf gegenseitiger Anerkennung und gleichen Chancen für alle – nicht auf Hass, Hetze und Ausgrenzung. Es ist an uns allen, das zu bewahren!

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