1,5 °C-Ziel zum ersten Mal überschritten
Und damit hallo zur Ausgabe für kostenfreie und zahlende Mitglieder. Ja, das wird kein Wohlfühl-Lesevergnügen, aber manchmal müssen wir auch über diese unangenehmen Sachen sprechen. Ich möchte nämlich, dass ihr bei aktuellen Debatten mitreden könnt und gute Quellen findet. Also arbeiten wir uns gemeinsam durch die heutige Schlagzeile und ein paar nicht so schöne News. Aber am Ende des Newsletters gibt es noch tolle Mitmachtipps, also durchhalten! :)
Das Jahr, das alles änderte: 2024 und die überschrittene 1,5-°C-Marke
2024 könnte ein echter Wendepunkt für das Klima werden: Zum ersten Mal seit Beginn der globalen Temperaturaufzeichnungen lag die durchschnittliche Erdtemperatur über 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau. Diese Zahl, bestätigt vom Copernicus-Klimawandeldienst (C3S), ist ein Meilenstein – und zwar kein guter. Auf der Webseite des Dienstes gibt es dazu jede Menge Infos, zum Beispiel diese Grafik:
In der Grafik siehst du, wie die globalen Jahresdurchschnittstemperaturen seit 1967 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau (1850–1900) angestiegen sind. Besonders auffällig ist der kontinuierliche Temperaturanstieg über die Jahrzehnte, der 2024 mit einem neuen Höchstwert und der Überschreitung der 1,5-°C-Marke gipfelte.
Die Daten von Copernicus kommen aus ganz unterschiedlichen Quellen: Satelliten, Bodenstationen und Ozeanbeobachtungen. Damit gibt der Dienst ein ziemlich zuverlässiges Bild vom Zustand unseres Klimas ab – gedacht für politische Entscheidungsträger (haha, klar) und natürlich für die Öffentlichkeit. Zusammen mit internationalen Partnern werden die Daten genau geprüft und analysiert, um Trends und Entwicklungen aufzuzeigen.
Was ist das 1,5-°C-Ziel, und warum ist es wichtig?
Kurzer Recap, weil diese Zahl immer wieder auftaucht und vielleicht nicht alle genau wissen, was dahintersteckt: Das 1,5-°C-Ziel stammt aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015, das fast alle Länder unterschrieben haben. Es basiert auf wissenschaftlichen Studien und jahrelangen Verhandlungen, die zeigen: Über diese Schwelle hinaus wird’s für unsere Ökosysteme, Gesellschaften und die globale Wirtschaft richtig unangenehm – oft mit Folgen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Der IPCC (also der Weltklimarat) hat 2018 nochmal klargemacht, warum es so wichtig ist, die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen: Schon 2 °C würden die Wahrscheinlichkeit von Wetterextremen wie Hitzewellen verdoppeln und die weltweite Nahrungsmittelproduktion massiv gefährden. Die 1,5 °C sind also keine zufällige Marke, sondern eine wichtige Grenze, um Kippelemente wie das Schmelzen des grönländischen Eisschilds oder das Sterben der Korallenriffe möglichst zu verhindern.
Tja, nun, wirst du denken, das hat ja super geklappt. Jo. Was bedeutet es also für uns, dass diese 1,5 °C-Schwelle bereits 2024 überschritten wurde?
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Die Folgen für uns und unseren Planeten
Das erste Überschreiten der 1,5-°C-Marke zeigt deutlich, dass die Erderwärmung schneller voranschreitet, als viele gedacht haben – und dass wir, ehrlich gesagt, dabei sind, es richtig zu verbocken. Klar, dieser Anstieg ist vorerst nur temporär, verstärkt durch das Wetterphänomen El Niño und extrem hohe Meerestemperaturen. Aber die langfristigen Trends lassen keinen Zweifel: Wenn wir die Treibhausgasemissionen nicht drastisch reduzieren, wird diese Schwelle bald dauerhaft überschritten – und das hätte weitreichende Konsequenzen.
"Die Menschheit hat ihr Schicksal selbst in der Hand, aber die Art und Weise, wie wir auf die klimatische Herausforderung reagieren, sollte auf Fakten beruhen. Die Zukunft liegt in unserer Hand - schnelles und entschlossenes Handeln kann den Verlauf unseres zukünftigen Klimas noch ändern." Copernicus-Direktor Carlo Buontempo
Die höheren Temperaturen treiben jetzt schon Wetterextreme weltweit an. Europa erlebte 2024 verheerende Überschwemmungen, Hitzewellen und Waldbrände, die Menschenleben, Infrastruktur und Ökosysteme zerstörten. In Kalifornien blieb der Regen monatelang aus, wodurch die aktuellen Brände zu den schlimmsten der letzten Jahrzehnte wurden. Besonders drastisch sind die Veränderungen in der Arktis – dem "Klimathermometer" unseres Planeten. Genau hier knüpft ein Bericht an, der für meinen Geschmack viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat: die Arctic Report Card 2024.
Die Arctic Report Card 2024: Ein Blick in die sich verändernde Arktis
Was ist die Arctic Report Card, und wer erstellt sie?
Die Arktis ist zentral für das globale Klimasystem, da sie sich etwa dreimal schneller erwärmt als der weltweite Durchschnitt – ein Effekt, der als Arctic Amplification bekannt ist. Die Arctic Report Card, die jährlich von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer wissenschaftlichen Behörde der US-Regierung, veröffentlicht wird, dokumentiert diese Entwicklungen umfassend. Die NOAA überwacht und erforscht Ozeane, Atmosphäre und Klima und stellt dabei wichtige Daten für Politik und Wissenschaft bereit. Die Berichte der Arctic Report Card basieren auf Langzeitdaten aus Satelliten, Bodenstationen, Schiffsexpeditionen und indigenem Wissen und werden von einem internationalen Netzwerk von Forschenden erstellt.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Arctic Report Card 2024
In der Luft
Arktische Lufttemperaturen: 2024 war das zweitwärmste Jahr in der Arktis seit Beginn der Aufzeichnungen 1900.
Rekordwarme Jahreszeiten: Der Herbst 2023 und der Sommer 2024 landeten auf Platz 2 bzw. 3 der wärmsten Jahreszeiten in der Region.
Hitzewelle: Anfang August 2024 führte eine Hitzewelle zu Rekordtageshöchsttemperaturen in Teilen von Alaska und Kanada.
Wärmste Jahre: Die letzten neun Jahre gehören zu den neun wärmsten, die je in der Arktis gemessen wurden. Yay …
Regenrekord: Der Sommer 2024 war der regenreichste seit Beginn der Aufzeichnungen. Seit 1950 steigen die Niederschläge in der Arktis, besonders im Winter, deutlich an.
Im Meer
Meereis-Mindeststand: Im September 2024 erreichte die Meereisausdehnung den sechstkleinsten Wert seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen vor 45 Jahren.
Langfristiger Rückgang: Die 18 geringsten Meereisausdehnungen im September wurden alle in den letzten 18 Jahren gemessen.
Meerestemperaturen: Eisfreie Regionen des Arktischen Ozeans erwärmen sich seit 1982 um 0,3 °C pro Jahrzehnt.
Wärmere Oberflächentemperaturen: In den flachen Randmeeren der Arktis lagen die Meerestemperaturen im August 2024 2–4 °C über dem Durchschnitt (1991–2020), mit Ausnahme der Tschuktschensee, die 1–4 °C kühler war.
Primärproduktion: Langfristig nehmen Planktonblüten in den meisten arktischen Regionen zu. 2024 lagen die Werte jedoch in weiten Teilen der Arktis unter dem Durchschnitt.
Eisrobben: Die Populationen von Eisrobben im Pazifischen Sektor bleiben stabil (yay!!), obwohl ihre Nahrung sich von arktischem Dorsch zu Safrandorsch verschiebt.
An Land
Kohlenstoffemissionen: Die arktische Tundra hat sich von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle entwickelt. Seit 2003 setzen die immer häufigeren Waldbrände jährlich durchschnittlich 207 Millionen Tonnen Kohlenstoff frei.
Methanquellen: Die Arktis bleibt leider weiterhin eine bedeutende Quelle für Methan, eines der stärksten Treibhausgase.
Permafrosttemperaturen: 2024 wurden in Alaska die zweithöchsten Temperaturen in Permafrostböden gemessen. Durch das Auftauen entweicht Methan – siehe Punkt davor :’).
Karibu-Populationen: Die Bestände der arktischen Wander-Karibus sind in den letzten 20–30 Jahren um 65 % zurückgegangen. Während kleine Küstenherden eine Erholung zeigen, bleiben große Binnenherden auf einem historischen Tiefstand.
Schneebedeckung: Der Winter 2023/24 brachte in vielen Teilen der Arktis überdurchschnittliche Schneemengen – erst mal gut. Aber die Schneesaison war in Teilen Kanadas die kürzeste der letzten 26 Jahre – gar nicht gut.
Grönland: Der grönländische Eisschild verzeichnete 2024 den geringsten Masseverlust seit 2013. IMMERHIN! Man klammert sich an alles, hehe.
Tundravegetation: 2024 erreichte die Vegetationsdichte der Tundra den zweithöchsten Wert der letzten 25 Jahre.
Was bedeuten diese Ergebnisse für die Arktis und uns?
Die Arktis zeigt besonders klar, wie drastisch sich das Klima verändert – und wie stark das auch den Rest der Welt beeinflusst. Wenn das Meereis schmilzt, wird die Oberfläche dunkler. Weißes Eis reflektiert nämlich viel Sonnenlicht (Albedo-Effekt), aber ohne das Eis nimmt die dunkle Wasseroberfläche mehr Wärme auf. Das beschleunigt die Erwärmung der Arktis und des ganzen Planeten. Gleichzeitig setzt der auftauende Permafrost riesige Mengen Treibhausgase wie Methan frei, die die Erderwärmung weiter antreiben. Diese Veränderungen bleiben nicht in der Arktis: Sie heizen den Meeresspiegelanstieg an, sorgen für mehr extremes Wetter und gefährden Lebewesen weltweit – uns eingeschlossen.
What now?
2024 markiert einen Wendepunkt: Die Überschreitung der 1,5-°C-Marke zeigt unmissverständlich, dass halbherzige Maßnahmen nicht mehr ausreichen. Die Daten aus dem Copernicus-Bericht und der Arctic Report Card machen die Dringlichkeit deutlich – und gleichzeitig wird die Arktis immer mehr zum Labor, in dem Anpassungsstrategien erprobt werden könnten.
Wir stehen an einem entscheidenden Moment. Es geht nicht mehr darum, ob wir handeln sollten, sondern wie schnell und konsequent wir es tun. Die Botschaft aus 2024 ist klar: Unsere Zukunft wird jetzt entschieden.
Falls du dich gerade erschlagen fühlst: Ich fühle mit. Das sind beschissene News und das zieht einen runter. ABER: Du kannst dennoch etwas tun.
Erstens kannst du bei der anstehenden Bundestagswahl die Wahlprogramme genau untersuchen und schauen, welche Parteien ein Klimaschutzkonzept anbieten, das in deinen Augen Sinn macht.
Positiv statt negativ!
… und zweitens möchte ich das Konzept des ökologischen Handabdrucks vorstellen. Im Gegensatz zum ökologischen Fußabdruck, der ursprünglich von einem Ölkonzern eingeführt wurde, um die Verantwortung für die Umweltzerstörung abzuwälzen, steht der Handabdruck für eine positive und verantwortungsbewusste Haltung. Der ökologische Fußabdruck sorgt dafür, dass wir uns allein und individuell für die Umweltzerstörung verantwortlich fühlen, obwohl in Wirklichkeit vor allem die großen Konzerne die größte Verantwortung tragen. Der ökologische Handabdruck hingegen zeigt, wie wir durch nachhaltige Entscheidungen und den Schutz der Ressourcen aktiv zur Gesundung unseres Planeten beitragen können. Es ist also etwas Positives und Motivierendes. Hier kannst du einen Online-Test machen und deinen ökologischen Handabdruck in Erfahrung bringen:
Werde aktiv: Die Stunde der Wintervögel hat begonnen!
Vom 10. bis 12. Januar läuft wieder die Stunde der Wintervögel – eine großartige Gelegenheit, die Vögel in deinem Umfeld zu beobachten und dabei zu helfen, wertvolle Daten über die Wintervögel in Deutschland zu sammeln. Die Aktion wird vom NABU organisiert und lädt alle dazu ein, innerhalb einer Stunde in ihrem Garten oder Park die Vögel zu zählen und ihre Beobachtungen online zu melden. Egal ob du erfahrene:r Vogelbeobachter:in oder Neuling bist – alle können mitmachen! Die Ergebnisse tragen dazu bei, den aktuellen Zustand der Vogelpopulationen besser zu verstehen und Schutzmaßnahmen gezielt zu planen. Mach mit und werde Teil dieses wichtigen Projekts:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-wintervoegel/index.html (Öffnet in neuem Fenster)Weitere Tipps und Empfehlungen
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Copernicus: 2024 Global Climate Highlights. Key Temperature Statistics for 2024. Zugegriffen 10. Januar 2025. https://climate.copernicus.eu/global-climate-highlights-2024 (Öffnet in neuem Fenster).
Moon, T. A., M. L. Druckenmiller, and R. L. Thoman, Eds., 2024: Arctic Report Card 2024, https://doi.org/10.25923/b7c7-6431 (Öffnet in neuem Fenster).
https://www.tagesschau.de/wissen/klima/copernicus-bericht-2024-100.html (Öffnet in neuem Fenster)