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Progressiver Populismus auf TikTok (Simon David im Interview)

Simon David (Öffnet in neuem Fenster) Dressler ist politischer Influencer auf TikTok. Seine Videos sind kurzweilig, kritisch und es mangelt keineswegs an Punchlines. Also habe ich Simon zur Online-Talkrunde eingeladen. Hier habt ihr einen Auszug aus unserem Call, natürlich im Sinne der Lesbarkeit etwas gekürzt.

Die nächste Talkrunde ist übrigens am 9.12. mit Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky (Teilnahme über mein Steady (Öffnet in neuem Fenster)).

 

 

Jan:

Simon, du bist 24 Jahre jung. Du wohnst in Berlin und studierst Linguistik, mittlerweile im Master. Und vor allem: Du bist ziemlich erfolgreich auf TikTok. Hallo Simon!

 

Simon:

Hi!

 

Jan:

Über 43000 Follower. Davon sicher nur die Hälfte Sexbots, oder?

 

Simon (lacht):

Das sind tatsächlich nur ungefähr 40% russische Sexbots, die allermeisten sind also echte Menschen.

 

(Lachen)

 

Jan:

Im Ernst: Das sind wirklich viele echte Menschen. Willkommen Simon, jedenfalls, herzlich willkommen ihr alle! (kurze Pause) Wie würdest du jemandem, der noch keine Minute auf TikTok war, erklären was TikTok ist?

 

Simon:

 So eine ungefähre Vorstellung, was TikTok ist, haben ja mittlerweile eigentlich die meisten. TikTok ist ‘ne Kurzvideoplattform. Die Videos waren früher mal nur unter einer Minute. Das Limit wurde irgendwann angehoben auf 3 Minuten. Mittlerweile ist es bei 10 Minuten – und das spiegelt finde ich auch so ein bisschen die Entwicklung der Plattform wider. Das war am Anfang sehr, sehr unpolitisch. Das kam ja aus Musically, was im Prinzip eine Lipsync-Plattform war, wo Inhalt komplett sekundär waren; wo es nur darum ging, wer sieht am besten aus, und wer kann am besten so tun, als ob er singt. Eine Social-Media-Plattform wurde TikTok dann, würde ich sagen, auch im Zuge der Pandemie. Was zu tun hat damit, dass wir alle zu Hause eingesperrt waren und nichts zu tun hatten und die App bei jungen Leuten sehr populär war. Und ich glaube auch, dass Corona eine Phase war, wo viele junge Menschen, viele Menschen allgemein, aber hauptsächlich viele junge Menschen, sehr politisiert worden sind. Inklusive mir.

 

Jan:

Inwiefern?

 

Simon:

Die Missstände in der Gesellschaft und die politischen Zusammenhänge waren auf einmal viel deutlicher zu sehen. Und es wurde viel mehr darüber gesprochen. Weil TikTok populär war, war das dann auch der Moment, wo die Plattform politisch wurde und sich ziemlich viele politische Nischen auf TikTok gebildet haben. Klar, ich mache Videos, die sind aus einer ziemlich eindeutig linken progressiven Richtung. Aber es gibt auch eine ganz andere Ecke, eine ganz andere Nische von, zum Beispiel, so Finanzgurutypen, die einen auf Christian Lindner machen. Leute, die Kryptowährungen oder alles Mögliche vermarkten. So Hyperindividualisten, wie du sie in deinem Buch beschreibst. Die gibt es auf jeden Fall auch, so guruliberale Propaganda für junge Leute, teilweise mit fünfhunderttausend Followern. Und die sagen dann Sachen wie „Du musst so schnell wie möglich Wohneigentum kaufen und dann vermieten, vermieten, vermieten“ und so weiter ... und über einen von denen habe ich mal ein kritisches Video gemacht und daraufhin kam Post von seinen Anwälten.

 

Jan:

Jetzt nichts Falsches sagen. (lacht)

 

Simon:

Auf der anderen Seite gibt es genauso Nischen, die in die komplett andere Richtung gehen. Also zum Beispiel Leute mit Hammer und Sichel in ihrem Username. Es gibt einen ganz absurden Account, das ist ein neun- oder zehnjähriger Junge, der in der eloquentesten Art und Weise Marxismus und Kommunismus erklärt. Ich habe bis heute nicht rausgefunden, ob das einfach ein sehr elaborierter KI-Filter ist oder ob das wirklich ein neunjähriger Junge ist, der einfach ein Skript fehlerfrei vorliest...

 

Jan:

Erst Tanzplattform, jetzt auch Politplattform. Ein ganz schöner Wandel. Und wie bist du da gelandet?

 

Simon:

Ich habe TikTok nicht bewusst ausgewählt, das kam eigentlich von selbst. Man rutscht ja immer irgendwie so rein. Ich hab jetzt nicht am Reißbrett geplant und mir gedacht „Okay, wo kann ich junge Menschen mit meinen politischen Meinungen erreichen?“, sondern ich hab damals angefangen vor knapp 2 Jahren, kurz vor der Bundestagswahl, mit Anti-CDU-Videos. Weil ich tatsächlich mal als Werkstudent bei der CDU gearbeitet habe, als ich, würde ich sagen, politisch noch eher unbedarft war. Und dann in dieser Zeit, auch während Corona, hat sich mein politisches Bewusstsein eben gebildet. Und dann wollte ich ein bisschen mein kosmisches Karma wieder austarieren und hab Anti-CDU-Videos auf TikTok gemacht. (Gelächter) Und ja, im Rahmen von der Bundestagswahl, da hat das eben so gut funktioniert, dass ich dachte „Okay, ich mach das einfach mal weiter...“ Eigentlich wollte ich die nur auf Instagram posten und TikTok war nur so ein Nebenprojekt. Auf Instagram hat das dann aber viel weniger Aufmerksamkeit bekommen. TikTok ist in dem Sinne wichtig, weil da die jungen Leute sind. Und die muss man erreichen.

 

Jan:

Vielleicht ein wenig Backstory für alle Anwesenden. Also woher wir beide uns eigentlich kennen. Zuallererst warst du auch für mich ein Video. Ein Video auf einer Plattform, von der habt bestimmt schon gehört. Sie hieß Twitter. Dennis K (Öffnet in neuem Fenster), ein Online-Freund, den viele von euch ebenfalls kennen, hat ein Video von dir geteilt. Ein Video, das ich dann auch geteilt habe und darüber haben wir uns dann kennengelernt. Ich gebe mal meinen Bildschirm frei und dann gucken wir uns mal das Video an, über das ich dich kennengelernt habe.

 

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