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Ihr feinen Menschen, ich danke euch von ganzem Herzen für eure Wärme und euer Verständnis dafür, dass die Lesung gesundheitsbedingt ausfallen musste – und ich bin so froh, dass einige von euch mein Angebot annehmen mochten, stattdessen eure aktuellen Kommunikationsfragen per Mail zu schicken. Hier kommt die erste Antwort! Ich freu mich auf alles, was ihr noch teilen mögt.

Liebe Dana,

ein Freund will mich wiedersehen, von dem ich mich während des Lockdowns distanzierte, weil er sich nicht an Regeln hielt. Ich hatte Kontakt zu mehreren gefährdeten Personen, die ich versorgen und schützen musste, das wusste er. Nach wie vor postet er Spott über Klimaschützer und wettert gegen die Grünen und die angeblich unwirksamen und unnötigen Einschränkungen während der Pandemie. Ich brauche einen guten Satz, der Konflikt vermeidet und nicht so ätzend klingt wie „Ja gern, wenn noch etwas von dir übrig ist, wenn wir gerade nicht über Klimawandel und Corona reden.“ Wir kennen uns eigentlich gut. Und schon seit über 30 Jahren.

- X. 

Liebe X.,

„Wenn noch etwas von dir übrig ist …“– in diesem Satz steckt so viel. Verletzung, Enttäuschung und jede Menge Wut. Ich glaube, du brauchst keinen Satz, der Konflikt vermeidet. Sondern Worte, die dir gerecht werden. Die dich zeigen. Mit deiner Trauer und deinem Zorn darüber, dass dein jahrzehntelanger Freund plötzlich keine Stütze mehr war, sondern eine potenzielle Gefahr. Und das in einer Situation, in der du schwer an der Angst um gefährdete Menschen im direkten Umfeld getragen hast. 

Aber zuallererst braucht es eine Entscheidung: Bist du bereit, diese Freundschaft auch dann zu erhalten, wenn dein Gegenüber genau so bleibt, wie er jetzt ist? Wenn er auch weiterhin online Fake News und Häme postet? Wenn er nicht einsehen wird, wie tief er dich verletzt hat? Wenn er sich nicht bei dir entschuldigen wird? 

Wenn deine Antwort auf diese Fragen nein lautet, dann kannst du dir ein Wiedersehen vermutlich sparen. Es sei denn, du willst einmal alles loswerden, wofür drei Jahre lang Kraft und vielleicht auch Mut gefehlt haben, und dafür in Kauf nehmen, dass alle noch verbliebenen Brücken zwischen euch in Flammen aufgehen. 

Falls deine Antwort ja ist, wird es jetzt darum gehen, dich bestmöglich vorzubereiten. Um euch beiden die Chance zu geben, eure Verbindung wieder zu spüren und neu aufleben zu lassen. Folgende Punkte könnten dabei hilfreich sein: 

1. Best-Of-Liste.

Wofür bist du deinem Freund dankbar? Was denkst du, wofür er dir dankbar ist? Welche schweren Zeiten habt ihr in über 30 Jahren schon gemeinsam durchgestanden – und welche leichten miteinander genossen? Welche Eigenschaften hast du vor der Pandemie an ihm geschätzt? Was war ihm damals wichtig; was hat seinem Leben Sinn gegeben? Worin wart ihr euch einig? Welche persönlichen Ziele und Werte habt ihr geteilt?

2. Realistische Ziele.

Wie ein Gespräch verlaufen wird, entscheidet sich oft binnen Sekunden. Wenn wir die richtigen Worte finden, können wir unserem Gegenüber die Bereitschaft erleichtern, offen zu sein und wirklich zuzuhören. Wenn wir aber nur überzeugen und Recht behalten wollen – egal, ob wir objektiv Recht haben oder nicht –, dann werden wir hundertprozentig nicht gehört. Weil wir mit diesem Verhalten ein Machtgefälle herstellen: Alles, was du denkst, glaubst und tust, ist falsch. Und niemand will sich derart klein fühlen in einem Gespräch. Hältst du es aus, das Ziel einer ersten Wiederbegegnung möglichst niedrig anzusetzen? Ein kurzes Gespräch ohne Eskalation? Mit bewusstem Fokus auf guten gemeinsamen Erinnerungen? Der ehrlichen Frage, wie es privat und beruflich aussieht? Vielleicht einer herzlichen Umarmung zum Abschied? Und danach in Ruhe sondieren, wie es weitergehen soll? 

3. Hausordnung.

Mach dir klar, welche Kompromisse du im Gespräch anbieten kannst. Welche Themen und Formulierungen für dich gerade noch okay sind und welche nicht. Wichtig: Diese Regeln sollten jederzeit und für alle Personen in deinem Leben gelten. Du musst bei geliebten Menschen nicht mehr aushalten, als du stemmen kannst. Aber du solltest auch nicht willkürlich Regeln aufstellen, wenn du gerade wütend oder genervt bist. 

Falls dein Gegenüber direkt „Reizthemen“ wie Klimawandel und Corona anspricht, kannst du ihn im ersten Schritt bitten, das Thema zu wechseln, z.B. so: „Wir haben uns so lange nicht gesehen. Ich würde so gern wissen, was bei dir privat und beruflich passiert ist.“ oder „Ich folge dir natürlich online und weiß um deine klare Meinung. Ich würde aber heute gern wissen, was hinter den Kulissen passiert. Wie es dir privat so geht.“ 

Falls er trotzdem immer wieder damit anfängt, kannst du im zweiten Schritt kurze Sätze zur Abgrenzung nutzen, z.B.: „Ich fühle mich mit diesem Thema gerade nicht wohl. Ist es möglich, dass wir das Thema wechseln?“ (Idealerweise solltest du hier ein oder zwei Alternativthemen parat haben.) Es kann sein, dass du diese Sätze einige Male wiederholen musst, bis sie wirklich bei deinem Gegenüber ankommen: Wer sich radikalisiert, bewegt sich oft tagtäglich in (Online-)Bubbles, in denen nur die immer gleichen Parolen mit sozialer Wärme belohnt werden – und jede Abweichung bestraft wird. Wenn du kannst: Gib ihm etwas Zeit, um wieder in deiner und eurer gemeinsamen Welt anzukommen.

❤️ Hall of Fame ❤️

Liebe Alexa, liebe Anja, liebe Astrid, liebe Barbara, liebe Bianca, lieber Carsten, lieber Christian, liebe Clara, liebe Daniela, liebe Eva, liebe Eva-Maria, liebe Franziska, liebe Hilke, liebe Kathi, liebe Kathrin, liebe Janine, liebe Justine, liebe Leonie, liebe Maike, liebe Mareike, liebe Maret, liebe Martina, liebe Miriam, liebe Patricia, lieber Paule, liebe Petra, liebe Ruth, liebe Simone, liebe Sophie, liebe Steff, lieber Wolfgang: Ohne euch wäre all das hier nicht möglich. Ich danke euch von ganzem Herzen ;*

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