Guten Morgen Tel Aviv, Ausgabe 2
Was tun mit all dem Schmerz?
“Wir nennen es mit Absicht Resilienz-Center. Nicht Trauma-Zentrum”, dieser Satz von Michal Uziyahu geht mir seit Wochen nicht aus dem Kopf. Ich habe Michal vor einiger Zeit interviewt, um mit ihr über den Wiederaufbau der Gaza-Grenzregion, genannt Eshkol-Region, zu sprechen. Michal lebt normalerweise ein paar Kilometer von der Grenze zu Gaza entfernt. Seit dem 7. Oktober sind sie und ihre Familie in ein Hotel evakuiert worden. Jetzt kämpft sie für den Wiederaufbau ihrer Heimat. Ja, sie will zurück. Sie will sogar Bürgermeisterin der Eshkol-Region werden. Michal will zurück in ihr Dorf, zurück an eine der gefährlichsten Grenzen der Welt. Und um dorthin zurückzukehren, will sie aus der Eshkol-Region einen besseren, schöneren, lebenswerteren Ort machen. Sie will, dass die Gemeinschaft stolz auf ihre Heimat sein kann, will, dass die Gemeinschaft fest zusammenhält: Gemeinsam resilient ist.
Den Begriff Resilienz kenne ich aus meinem Psychologiestudium, aber während das Wort “Trauma” dieser Zeiten in aller Munde ist, mutet Resilienz immer noch eher wie ein Fachwort an. In Israel hingegen habe ich den Ausdruck Resilienz in den letzten Wochen sehr viel öfter gehört, als Trauma. Aber moment mal, worum geht es hier eigentlich genau? Also, Trauma beschreibt die verstörende Erfahrung an sich, und wird umgangssprachlich als Begriff für alles, was uns jemals “abgefuckt” hat verwendet, Resilienz hingegen ist der Umgang mit dieser Erfahrung. Unsere Fähigkeit, mit Unglücken, belastenden Lebensumständen oder schlimmen Erfahrungen umzugehen. In Israel, einem Land voller traumatisierter Menschen, lag der Fokus schon immer auf dem Überleben und Weitermachen. Ich glaube sogar, dass das eine zutiefst jüdische Eigenschaft ist. Denn so sehr die jüdische Geschichte voller traumatisierender Ereignisse steckt, von der Zerstörung der Tempel bis zur Shoa, so sehr ist sie geprägt von einem unbedingten Überlebenswillen - das Weitermachen war schon immer wichtiger als das traumatische Erlebnis selbst.
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