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Brauchen wir einen neuen Begriff für Nachhaltigkeit?

Brauchen wir einen neuen Begriff für Nachhaltigkeit?

Tief im Herzen bin ich noch immer Sprachwissenschaftlerin und liebe es deshalb, Sprache zu zerpflücken. Sprache ist das, was wir daraus machen. Also was haben wir aus dem Begriff “Nachhaltigkeit” gemacht?

Auf den Green Marketing Days der W&V wurde in diesem Jahr heiß diskutiert, ob man “Nachhaltigkeit” im Marketing überhaupt noch verwenden könne. Viel zu weichgespült, viel zu oft gehört, viel zu oft ohne Substanz dahinter. So das Fazit schon im Eröffnungstalk mit Louisa Dellert (Öffnet in neuem Fenster), Markus Ehrlich (Öffnet in neuem Fenster), Fabian Grischkat (Öffnet in neuem Fenster) und Verena Gründel (Öffnet in neuem Fenster).

Wenn sich Marken das Label “Nachhaltigkeit” geben, dann geben sie auch ein großes Versprechen. Nicht alle können dieses Versprechen auch halten. Und der Greenwashing-Shitstorm zieht dann schneller auf, als man die 17 ESG-Kriterien der UN googlen kann.

“Nachhaltig” ist viel zu beliebig geworden. Wir bekommen Dinge angepriesen, die uns helfen sollen, ein nachhaltigeres Leben zu führen. Allerdings wäre es am nachhaltigsten, diese Dinge erst gar nicht zu kaufen. Oder gebraucht zu kaufen. Oder zu leihen. Nachhaltigkeit in seiner ursprünglichen Bedeutung stammt schließlich aus der Forstwissenschaft und bedeutet, einem Wald nicht mehr Holz zu entnehmen, als nachwachsen kann. Konsum kann also nur dann nachhaltig sein, wenn er sich innerhalb der Grenzen unseres Planeten bewegt.

Noch schlimmer ist der Begriff “nachhaltiger”. Der ist ungefähr so inhaltsvoll wie der Aufdruck “weniger Zucker” auf den super schokoladigen Frühstückszerealien. Es kommt halt immer auf den Bezugsrahmen an. Wenn etwas vorher wahnsinnig viele Ressourcen verbraucht hat und jetzt nur noch viele Ressourcen verbraucht, ist es zwar besser, aber noch lange nicht gut.

Gleichzeitig gibt es genügend Menschen, bei denen sich die Ohren zuklappen, wenn sie “Nachhaltigkeit” hören. Nachhaltigkeit ist mitten in einen politischen Grabenkampf geraten, obwohl weder das Konzept noch der Begriff an sich ideologisch aufgeladen sind.

Also was dann?

Ein anderer Begriff ist auch keine Lösung, dafür sind alle Alternativen zu ungenau oder zu breit oder zu feuilletonistisch. Oder fällt euch einer ein?

Ein guter Anfang wäre es, Nachhaltigkeit nur dann für ein Produkt in Anspruch zu nehmen, wenn es das Versprechen dahinter auch einhält. Nachhaltig in allen Dimensionen ist ohnehin kaum ein Produkt oder eine Dienstleistung. Aber vielleicht in einigen. Die könnte man dann nennen. Dann heißt es vielleicht nicht: “Wir sind ein nachhaltiges Unternehmen”, sondern: “Bei uns gilt equal pay”, oder: “Wir haben unseren Wasserverbrauch um 50 Prozent reduziert”.

“Nachhaltigkeit” ist so inhaltsleer, weil der Begriff inhaltsleer verwendet wird. Wenn wir damit beginnen, uns um die Subtanz dahinter zu kümmern, dann wird auch der Begriff, als Gefäß dafür, wieder an Attraktivität gewinnen.

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