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GZ #14 Lass uns die Kerzen anzünden

Gofigramm

Eine Kerze mit aufgeklebten Sternchen leuchtet im Dunkeln.

Es ist der frühe Montagmorgen. Zwei meiner Leute sind gerade zur Arbeit aufgebrochen. Der Dritte schläft noch. Die Vögel sitzen aufgeplustert im Dunkeln und warten darauf, dass es Tag wird. Jetzt habe ich endlich Ruhe, Dir zu schreiben.

Erster Advent also. Hm. Ich weiß nicht, wie es Dir damit geht. Vielleicht bist Du schon in Adventsstimmung. Vielleicht liebst Du es, Deine Wohnung der Jahreszeit gemäß zu schmücken. Vielleicht magst Du die Dunkelheit und Kälte, solange sie draußen bleibt und es drinnen gemütlich und warm ist. Das würde mich freuen.

Mir selbst sind diese Dinge nicht so wichtig. Wenn meine beste Freundin die Wohnung nicht ein wenig schmücken würde, sähe es aus wie immer. Diese Kerze, die ich Dir fotografiert habe, würde auch nicht brennen. Aber ja, okay, ich gebe zu, dass es gut ist, es sich ein wenig schön und feierlich zu machen. Es tut gut.

Es dokumentiert, dass wir es können, wenn wir es wollen. Wir können unser Leben angenehmer, schöner, festlicher machen. Und solange wir dazu in der Lage sind, besitzen wir immer noch sehr viel Einfluss darauf, wie wir leben wollen. Vielleicht ist das alleine schon Grund genug, die Wohnung mit Sternchen, Zweigen und Kerzen zu pflastern, nicht weil man es schön findet, sondern weil man sich es selbst immer wieder beweisen sollte, dass man sein eigenes Leben in großen Teilen selbst bestimmen kann.

Zuletzt hat sich doch bei manchen eine gewisse Resignation ausgebreitet. Bei Dir möglicherweise auch. Zuweilen fühlte es sich so an, dass, zumindest im politischen Leben, passiert, was passiert, und dass man dagegen wenig bis gar nichts machen kann. Vielleicht ist das so. Vielleicht auch nicht. Was auf jeden Fall stimmt, ist, dass es immer noch sehr viel gibt, das wir beeinflussen und verändern können. Zumindest da, wo wir leben und wirken, im kleineren Rahmen, aber immerhin.

Also lass uns die Kerzen anzünden. Ich wünsche Dir eine tolle Woche. Bis nächsten Montag.

Dein Gofi

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Art2Go

Copy  & Paste Your Very Own War Zone

Das Gemälde stammt von mir und zeigt eine rote Antilope, die über ein umgestürztes Auto springt. Im Hintergrund stehen Ruinen großer Wohnblocks, die teilweise brennen. Landschaft und Himmel sind sehr unruhig, ein tropfender Mond steht am Himmel. Hinter einem der Blocks taucht eine blaue Giraffe auf.

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Art2Go. Heute erzähle ich Dir etwas über dieses Bild. Es ist Teil meiner aktuellen Ausstellung 'Okay, ich lass Dich laufen'.

Auch das vergangene Jahr ist durch Kriege auf der ganzen Welt geprägt worden. Die Bilder von zerstörten Gebäuden und getöteten Menschen sind überall zu sehen. Es wird heftig diskutiert darüber, wer Schuld hat, wer bestraft werden muss, auf wessen Seite man sich zu schlagen hat.

Zwischen Mord, Vertreibung und Zerstörung versuchen Menschen und übrigens auch Tiere irgendwie weiterzuleben, so gut es eben geht. Viele versuchen, einen anderen Ort, einen besseren Ort zu erreichen. Aber dort werden sie nicht mit offenen Armen empfangen. Die Menschen an diesen Orten haben Angst um ihre Sicherheit und ihren Wohlstand.

Davon handelt dieses Bild: von Gewalt, Vertreibung und Zerstörung. 'Copy & Paste Your Very Own Warzone' heißt es. Der Titel deutet darauf hin, dass wir bei den vielen Kriegen auf der Welt schon die Übersicht verlieren. Als ich das Bild zu malen begann, war der Krieg in der Ukraine gerade voll entbrannt. Als ich die letzten Striche daran machte, waren die Zeitungen voll von dem Krieg in Gaza. Die Bilder in den Nachrichten waren beinahe dieselben. Die Fliehenden und Getöteten hatten nur dunklere Haut.

Darüber haben wir beinahe vergessen, dass in Syrien immer noch gekämpft wird. Und im Sudan. Und im Jemen. Und sicher auch noch anderswo.

'Copy and paste' heißt: kopieren und neu wieder einfügen. Auch wenn die Orte und Gründe für die Kriege unterschiedlich sind, ähneln sich die Bilder: Gewalt, Zerstörung, Vertreibung sehen überall gleich aus.

Ich habe dieses Bild zuerst virtuell gemalt mit einem Virtual Reality Headset und einer App, die mich in mein virtuelles Malatelier bringt. Das Gemälde, das dadurch entsteht, ist eine Datei. Es gibt also eigentlich gar kein Original, sondern immer nur eine Kopie, die beliebig oft kopiert werden kann.

Später habe ich das Bild auf eine Fotoleinwand drucken lassen, so wie wir das auch mit unseren Urlaubsfotos machen können. Und die wiederum habe ich abschließend mit Acrylfarbe bemalt. Jetzt ist das Bild am Ende doch ein Original.

Und genau das ist das Thema des Bildes. Was ist Original, was Kopie? Wie originell ist das Original? Wie unausweichlich ist ein Krieg, der dann doch immer nur zu den gleichen, vorhersagbaren Ergebnissen führt?

Wie nehme ich die Kriege und das Leid in der Welt wahr? Sehe ich Einzelschicksale, individuelle Leben, die unwiderruflich verloren gehen? Kann ich das bei der Flut der Bilder überhaupt noch? Zu wieviel Empathie bin ich noch fähig? Oder muss ich indifferent und zynisch werden, um das alles noch ertragen zu können?

Ein Mann, der das Bild betrachtet hat, konnte darin aber auch etwas Positives sehen. Die Antilope, sagte er, wirke auf ihn kraftvoll, wie sie über das kaputte Auto springt. Er hat darin ein Symbol für Hoffnung gesehen, dass es trotz allem Kraft gibt, um das Leid zu überwinden.

Das hat mich gefreut, als er das sagte. Und ich glaube, er hat recht. Es gibt immer die Chance, dass Katastrophen zu einer neuen, besseren Zukunft führen.

Vielen Dank für Dein Interesse. Ich hoffe, diese kurze Folge hat Dir gefallen. Es gibt noch mehr Folgen von Art2Go. Vielleicht gefallen die Dir ja auch. Für heute verabschiede ich mich und sage, mach's gut, bis zum nächsten Mal. Ciao.

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Podcast

Schiffbruch mit Jesus: Die Kunst, sich selbst treu zu bleiben

Schon vor einiger Zeit bin ich zu Gast gewesen bei dem Podcast ‚Schiffbruch mit Jesus‘ meiner Freunde Mirko Sander und Martin Dreyer. Beide sind einmal Leiter der Jesus Freaks gewesen. Das ist mittlerweile ganz schön lange her. Seit damals sind sie und ich älter und reifer geworden, und wir haben jeder seine ganz persönlichen Erfolge und Niederlagen erlebt.

Worüber wir uns unterhalten haben, beschreiben sie selbst so:

„Was machst du, wenn dein Leben in eine Richtung geht, die sich nicht mehr richtig anfühlt? Gofi Müller erzählt, wie ein Autounfall alles veränderte – und warum er seine Rolle als Prediger hinter sich ließ, um in der Kunst seine wahre Berufung zu finden.

In dieser Folge erfährst du, warum Gofi die Erwartungen anderer losließ, was ihn durch die schwersten Krisen getragen hat und wie der Podcast „Hossa Talk“ zu einem Raum für echte, offene Gespräche wurde.

Von der Bühne ins echte Leben
Warum es manchmal Mut braucht, alles loszulassen, und wie Gofi den Weg zurück zu sich selbst gefunden hat – eine Geschichte, die berührt und inspiriert.”

https://open.spotify.com/episode/0T8Og3t3U5Bhd5uicyYFRY?si=ykJdzpZTRFiqfNAFV5_GCw (Öffnet in neuem Fenster)

Micro Story der Woche

Denis greift an

Weil Ludwig ihm in die Hacken gefahren ist, dreht Denis sich um, packt ihn am Kragen und schleudert ihn samt seinem Rollstuhl zu Boden. Dann läuft er über den Pausenhof davon, in Richtung der Büsche, zwischen denen Kinder spielen. Er versucht, die entsetzten Rufe der Lehrerin und des Integrationshelfers zu ignorieren. Er nimmt sie dennoch wahr. Das verstärkt in ihm das Gefühl, dass das nicht okay war.

Deshalb wird er zum Monster. Monster tun Dinge, die nicht okay sind. Sie können nichts dafür. Er stößt ein Knurren aus. Sein Gesicht verändert sich. Auf einmal hat er ein gefährliches Maul wie ein Krokodil. Seine Augen leuchten rot und sehen böse aus. Er schüttelt seine Mähne. Er hebt die Hände und hält sie neben seinen Kopf. Die Finger verkrampfen sich. Sie werden zu scharfen Klauen. Denis, der jetzt ein Topia ist, stößt noch einmal ein Knurren aus, sodass alle Kinder auf dem Pausenhof vor Angst erstarren und ihre Blicke von ihm abwenden, damit er sie nicht sehen kann.

Hinter sich hört er Schritte. Eine Hand packt ihn an der Schulter und hält ihn fest. Es ist Patrick, der junge Mann, der ihn durch den Schultag begleitet. Stopp, Denis! ruft er. Das geht so nicht. Du darfst Ludwig nicht einfach umschubsen!

Denis kann nicht weiterlaufen. Er dreht sich zu Patrick um, bedroht ihn mit seinen schrecklichen Klauen und stößt ein furchterregendes Knurren aus. Geh weg! faucht er. Ich bin ein Topia.
Nein, sagt Patrick. Du bist Denis. Und du musst dich jetzt bei Ludwig entschuldigen.
Ich bin ein Topia, ruft Denis. Ich bin gefährlich.
Warum hast du das gemacht? sagt Patrick. Er klingt traurig. Der Ludwig kann doch nicht alleine wieder aufstehen. Du darfst ihn nicht umschmeißen, das ist wirklich nicht okay.
Er ist gegen meine Beine gefahren. Denis ist jetzt wieder Denis, aber er ist immer noch wütend. Das darf der nicht!
Aber das hat er doch nicht mit Absicht getan!
Doch!
Das glaube ich nicht.
Doch!
Egal, Denis, aber du darfst das nie wieder tun, und du musst dich jetzt entschuldigen.
Nein!
Doch. Bitte, komm jetzt mit. Patrick greift nach Denis Hand, aber der zieht sie schnell weg. Nein! ruft er.

Die Lehrerin hat die Situation erkannt und kommt gemeinsam mit Ludwig zu ihnen. Auch sie ist der Meinung, dass Denis sich entschuldigen muss. Deshalb steht er jetzt vor Ludwig und blickt auf ihn herab. Du darfst das nicht! faucht er. Gegen meine Beine fahren.
Du sollst dich entschuldigen, Denis, sagt die Lehrerin.
Tut mir leid, sagt Ludwig. Ich hab das nicht mit Absicht gemacht.
Nein, nicht du, Ludwig, sagt die Lehrerin, der Denis muss sich entschuldigen.
Denis weiß, dass Ludwig lügt. Aber die Entschuldigung besänftigt ihn trotzdem. Du kannst ein Panzer sein, sagt er.
Okay, sagt Ludwig. Er lächelt.
Komm mit, sagt Denis. Er dreht sich um. Die beiden lassen die Erwachsenen einfach stehen.

Im Sandkasten baut Lucy eine Burg. Denis zeigt mit Finger auf sie. Wir müssen die Festung angreifen. Okay, sagt Ludwig und grinst. Entschlossen steuern sie auf Lucy und ihre Burg zu.

Denis! Stopp! ruft Patrick.

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