GZ #25 Warum Deine Wohnung so aussieht
Gofigramm

Hast Du Dich eigentlich schon einmal gefragt, warum Deine Wohnung so aussieht, wie sie aussieht? Du wirst sagen: Das ist eben mein Geschmack. Es gefällt mir so am besten. Dann würde ich Dich fragen: Aber warum gefällt es Dir so am besten? Dann würdest Du vielleicht sagen: Ich fühle mich damit am wohlsten, ich mag es, wenn Dinge so und so sind. Dann würde ich fragen: Was gefällt Dir daran so gut? Du würdest sagen: Es passt zu mir. Dann würde ich sagen: Du identifizierst Dich also mit dem Stil Deiner Wohnung? Dann sagt Deine Wohnung etwas darüber aus, wie Du Dich selbst siehst. Oder zumindest sehen willst.
Wir machen das alle. Die Kleider, die wir wählen, die Frisuren und Bärte, Möbel, Vorhänge, Tapeten, Gärten. Und so weiter. All das sind sehr bewusste Entscheidungen. Wir treffen mit ihnen Aussagen über uns selbst. Man kann diese Aussagen schlecht in Worte fassen. Würdest Du es versuchen, würde sich das sehr unvollständig anfühlen. Aussagen wie diese können leichter mit ästhetischen Mitteln getroffen werden.
Das ist es, was wir täglich machen: Wir treffen Aussagen mit ästhetischen Mitteln über uns selbst. Und wenn Du zu denen gehörst, die sagen, dass sie mit Kunst nicht so viel anfangen können, dann muss ich sagen: Das glaube ich Dir nicht. Denn diese Praxis, diese ganz normale menschliche Art zu handeln, ist der Beginn von Kunst. Kunst sind ästhetische Handlungen, die sich damit beschäftigen, wer, wie und wo wir sind und wie wir hier leben wollen.
Innenarchitektur, Deko und Kunst sind zwar nicht dasselbe, aber sie beginnen am selben Ort. Und wenn man mit dem einen klarkommt, dann kommt man auch mit dem anderen klar. Es ist nur wichtig, dass wir eins akzeptieren: Die Aussagen, die auf diese Weise getroffen werden, sind nicht so einfach in Sprache zu übertragen. Es ist nicht ohne Weiteres möglich, zu sagen, was Deine Wohnungseinrichtung bedeutet. So wie es nicht möglich ist, klar zu sagen, was ein Bild bedeutet. Doch Deine Wohnungseinrichtung spricht, und zwar über Dich. Ob Du das beabsichtigst oder nicht. :)
Das Bild, das Du oben siehst, ist der Fußboden eines Schlosses in der Nähe von Marburg. Dort haben wir als Familie einen 80. Geburtstag gefeiert. Dieses Schloss wurde im 19. Jahrhundert von einem Industriellen gebaut. Es ist voller Holzpaneele, Stuck, Statuen, Zinnen, Türmchen und was weiß ich noch alles. Und es spricht sehr deutlich davon, wie sich dieser Mann selbst gerne gesehen hat und wie er wahrgenommen werden wollte.
Wer immer es gewesen ist.
Ich wünsche Dir eine tolle Woche. Bis nächsten Montag!
Dein Gofi
Danke, dass Du diesen Newsletter liest. Derzeit unterstützen nicht ganz siebzig Menschen die Teile meiner Arbeit, die ich kostenlos allen zur Verfügung stelle. Wenn auch Du Dich dazu entschließen könntest, wäre ich Dir dankbar. Hier erfährst Du, wie das geht. (Öffnet in neuem Fenster)Und wenn Du das bereits machst, danke ich Dir sehr herzlich!
Art2Go
Everybody’s Looking For Something


Du hast das GOFIZINE noch gar nicht abonniert? Dann klicke doch bitte mal auf den Button.
Podcast
Antifaschistischer Pudding: Poetry Talk mit Jasmin Brückner und Marco Michalzik

Die Bundestagswahl ist nicht lange her. Das starke Abschneiden der extremen Rechten steckt uns noch in den Knochen. Und das hört man diesem Gespräch auch an, zumal es nur zwei Tage später aufgenommen worden ist. Wie reagiert man auf die Ergebnisse dieser Wahl? Da gibt es viele Möglichkeiten. Eine ist vielleicht: sich etwas vorzulesen und darüber zu sprechen. Das machen wir bei Poetry Talk, einer Mischung aus Lesung, Spoken Word und Talk. Dazu haben wir Jasmin Brückner aus Halle und Marco Michalzik aus Wien eingeladen und freuen uns sehr darüber, dass sie ihre ganz fantastischen Gedichte mitgebracht haben. Herausgekommen ist eine lyrische Aufarbeitung unseres Polit-Katers, die uns gutgetan hat. Euch geht es hoffentlich auch so. Viel Spaß dabei!
Jasmin Brückner findet Ihr z. B. hier: https://jasminbrueckner.de/ (Öffnet in neuem Fenster)
Marco Michalzik findet Ihr z. B. hier: https://www.marcomichalzik.com/ (Öffnet in neuem Fenster)
00:00:00.000 Alles, was man wissen sollte
00:16:47.030 Was ich jetzt machen werde
00:30:38.060 Einerlei
00:42:47.030 Nie wieder - Eine deutsche Liebesgeschichte
00:50:29.060 Rechts vor links
01:02:31.040 Was nach dem Gipfel kommt
01:19:51.160 David Lynch
01:32:37.200 Das Fundament
01:42:37.090 Schluss
Micro Story der Woche
einerlei
an einem sonntag wurde
das kreisen der aasgeier
unterbrochen,
als die tiere des tals
sich darauf besannen, dass
auch sie ein recht auf leben hatten,
und sich entschlossen,
sich nicht kampflos zu ergeben
die heuschrecken
stellten ihr hämisches zirren ein und
lauschten ängstlich,
satt und müde wie sie waren,
ob die vierbeiner den zwei- und sechsbeinern
tatsächlich von nun an das
fressen und tilgen
erschweren würden
es war ein alter geier, der,
auf einem abgestorbenen baume hockend,
das göttliche recht auf beute verkündete,
das seiner art seit jeher zugebilligt war
Wer außer uns, knarrte er,
sollte sonst dafür sorgen, dass
das das antlitz der erde
vom alten, schwachen und überflüssigen
gereinigt wird?
vielstimmes gezirpe der heuschrecken
bekundete beifall,
doch die vierbeiner beharrten
auf ihrem recht auf leben
und zeigten die zähne
die geier beschlossen darauf hin,
sich nicht mit dem ausweiden bereits
verstorbener tiere zu begnügen,
und fielen jetzt auch über die lebenden her
es war einerlei
die heuschrecken hatten ohnehin
nichts essbares übriggelassen
Danke für Dein Interesse an meiner Arbeit! Ich veröffentliche das GOFIZINE bewusst kostenlos für alle, weil ich möchte, dass jede/r Zugang zu guten Inhalten hat, unabhängig von Einkommen und finanziellen Möglichkeiten. Wenn Du mir dabei helfen könntest, wäre ich Dir sehr dankbar.