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16.04.2021 Prozess um Anschlag auf Berliner Stadtautobahn

30-jähriger Iraker soll im islamistischen Wahn Motorradfahrer schwer verletzt haben

"Wahnhaft religiös und islamistisch gesprägt" soll das Motive des 30-jährigen Irakers gewesen sein. Der abgelehnte und eigentlich ausreisepflichtige Asylbewerber war im August 2020 über die Stadtautobahn A 100 in Berlin. Lt. Generalstaatsanwaltschaft wollte er so viele "Ungläubige" töten, wie möglich. Vor allem drei Motorrad- bzw. Rollerfahrer verrletzte er schwer beim Zusammenstoß. Podcast über die Tat, Täter und Opfer und den Vorwurf des dreifachen versuchten Mordes. Der 30-jährige gilt als psychisch krank und soll in der Psychiatrie untergebracht werden.

Stephan Maigné vertritt als Rechtsanwalt eines der Autobahnopfer vom 18. August 2020. Es war ein Dienstagabend auf der Berliner Stadtautobahn. Noch quälte sich der Berufsverkehr aus der Stadt heraus und in die Stadt hinein. Gegen 18 Uhr 40 wollte Arne S. nur nach Hause zu Frau und Kind. Da fuhr Sarmad A. brachial in die Kawasaki des Motorradfahrers. Nach fünf provozierten Zusammenstößen mit Autos, bei denen bereits eine Kleinfamilie verletzt worden war, keilte sich das Motorrad des Opfers nach dem Zusammenstoß mit dem Auto unter den schwarzen Opel Astra des Beschuldigten A.. Der 30-jährige stieg mitten auf der Autobahn aus seinem Auto, sah kurz zu seinem Opfer, das glücklicherweise am Rand auf dem Asphalt lag und nicht überfahren wurde. Der Autoverkehr kam zum Erliegen. Schon waren Ersthelfer vor Ort und versuchten den schwer verletzen Motorradfahrer zu retten.  Sarmad A. ging zu seinem Auto zurück, stellte eine vermeintliche Munitioskiste auf sein Autodach, rollte auf der Fahrbahn einen Gebetsteppich aus, zog die Schuhe aus und begann zu beten. Er rief „allahu akbar“ -Gott ist groß- und zeigte den „Tauhid-Finger“, den erhobenen rechten Zeigefinger. Er sei ein Krieger Gottes. Einen Polizisten erklärte er wörtlich laut Protokoll: „Ihr werdet alle sterben!“ Die Polizei fand keinen Sprengstoff in der „Munitionskiste“. A. wurde festgenommen. Motorradfahrer Arne S. kam als drittes schwer verletzte Opfer ins Krankenhaus. Er leidet bis heute unter Folgen der Tat. Trotzdem ist er als Nebenkläger im Prozess gegen Sarmad A. persönlich mit seinem Rechtsanwalt Maigné dabei.

Auch zwei Unfälle mit Motorrollerfahrern hatte Sarmad A. zuvor provoziert. A. hatte sich laut Generalstaatsanwaltschaft vor allem die eher ungeschützten Zweiradfahrer als mögliche Opfer ausgesucht, weil so möglicht viele -aus seiner Sicht „Ungläubige“- hätten sterben können. René S., ein Feuerwehrmann, fuhr auf seinem Motorroller am Tattag auf der Stadtautobahn. Er ist das schwerst verletzte Opfer. Er ist der einzige, der auch acht Monate nach der Tat nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend sein kann, um dem Täter in die Augen zu schauen. Auch S. hat einen Nebenklagevertreter, es ist Rechtsanwalt Roland Weber:

Lt. Generalstaatsanwaltschaft wollte Sarmad A.  so viele sogenannte "Ungläubige" töten, wie möglich. „Ungläubige“ seien für ihn u.a. Christen, Juden, Homosexuelle und nicht streng gläubige Muslime. Er habe absichtlich die Unfälle auf der Stadtautobahn verursacht und habe seine Opfer heimtückisch, aus niedrigen Beweggründen und mit gemeingefährlichen Mitteln, seinem Auto also, versucht zu ermorden. Dreifacher versuchter Mord wird dem 30-jährigen Iraker vorgeworfen., allerdings soll er in religiösem Wahn  gehandelt haben, soll nicht schuldfähig sein für seine Tat und deshalb als schwerwiegend psychisch Kranker dauerhaft im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, da er für die Allgemeinheit als gefährlich gilt, so die Anklagebehörde. Zusätzlich vermuten die Ermittler, dass Sarmad A. ein Einzeltäter ist.

Sarmad A. hat zwei Verteidiger. Rolf- M. Schmidt erklärt zum Prozessauftakt, dass Sarmad A. vor Gericht schweigen werde. Es sei ein Geschehen mit schrecklichen Folgen gewesen. A. tue sehr leid, was er getan hab und er sei sehr froh, dass niemand gestorben sei. Er wolle vor Gericht schweigen, weil seine Gesundheit bis heute noch nicht völlig wiederhergestellt sei. Es gäbe bisher keine konkrete therapeutische Hilfe, die ihm angeboten worden sei im psychiatrischen Krankenhaus, in dem er bereits vorläufig seit seiner Festnahme auf frischer Tat untergebracht ist. Nicht einmal eine Diagnose sei gestellt worden, dass sei „erschreckend und schlimm, so Verteidiger Schmidt. Er widerspricht der Generalstaatsanwaltschaft, dass Sarmad A. auf der Autobahn bewusst die Unfälle verursacht hätte, dass er einen Plan gehabt habe, „Ungläubige“ zu töten.

Aber wäre die Tat zu verhindern gewesen? Wann kam Sarmad A. nach Deutschland? Gab es hier noch keine psychischen Auffälligkeiten? Was für ein Mensch ist das – dieselben Fragen, die sich die Opfer des 30-jährigen im Gerichtssaal stellen und beantwortet haben wollen. 

Ein komplexes Tatgeschehen wie die Kamikazefahrt des Beschuldigten auf der Autobahn hat die Berliner Generalstaatsanwaltschaft in erstaunlich kurzer Zeit ermittelt: in knapp fünf Monaten haben Polizei und Staatsanwaltschaft 101 Zeugen befragt, die Autofahrt des Beschuldigten auf der Stadtautobahn rekonstruiert, seine sozialen Medien ausgewertet, inclusive seines I-Phones.

Klar wurde schnell, dass Sarmad A. aus dem Irak nach Finnland geflüchtet war im September 2015. Vier Monate später war sein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden. Anderthalb Monate später reiste A. in Deutschland ein, um zum zweiten Mal in einem EU-Land einen Asylantrag zu stellen.  Im August 2017 wurde sein Antrag als „unzulässig“ abgelehnt. Es bestand Ausreisepflicht für den Beschuldigten. Weil seine Identitäts- und Reisedokumente allerdings unvollständig waren, erhielt Sarmad A. eine Duldung. Er bewohnte verschiedene Flüchtlingsheime in Berlin-Reinickendorf. Dort soll er auch erstmals psychisch auffällig geworden sein. Mit dem Koran unter dem Arm soll er die Mitbewohner aggresiv gezwungen haben, ihm seine Gebete nachzusprechen und auf die Knie zu gehen zum Beten. Er schrie „Gott ist groß!“ und einige Bewohner sollen voller Angst aus dem Fenster der Unterkunft auf die Straße geflüchtet sein. Die herbeigerufene Polizei soll von A. angegriffen worden sein. Zwar wurde A. für einen Monat  in der Psychiatrie untergebracht, dann allerdings entlassen und ein gesetzlicher Betreuer wurde für ihn eingesetzt unter anderem hatte der das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A.. Da A. aber nicht zu verabredeten Treffen nicht erschienen sein soll, wurde die vorläufige Betreuung Anfang 2019 eingestellt. Zuvor war bereits bekannt, dass A. berichtete, dass ein Geist sei in seinen Körper gefahren sei, ein schwarzer Schatten ihn verfolge. Er soll berichtet haben, dass er keine Medikamente mehr brauche, es ihm gut gehe und er jetzt seinen Führerschein machte. Unter Drogen soll sich der psychotische Zustand des Sarmad A, weiter verschlechtert haben. Sein Autoführerschein jedenfalls legalisierte die Autobahnfahrt des Sarmad A., bei der im August 2020 zwei Motorrollerfahrer und ein Motorradfahrer schwer verletzt wurden.

Kontakte zu islamistischen Gruppierungen ergaben sich nach der Durchsicht seiner Facebook- und Instagramprofile nicht. Wenige Monate vor der Tat auf der Autobahn sollen seine Nachrichten allerdings religiöser und radikaler am Islam orientiert geworden sein. Bekannte sollen ihn als verwirrten Psychopathen beschrieben haben. Manche berichteten, Angst vor dem verwirrt wirkenden, aggressiven Mann zu haben, der islamische Gebete laut auf der Straße schrie.

Der im August auf der Autobahn schwer verletzte Motorradfahrer Arne S. sitzt am ersten Prozesstag wegen des islamistisch motivierten Anschlags neben seinem Rechtsanwalt Stephan Maigné. Was mag er denken, wenn er die Geschichte des Täters hört, der ihn fast getötet hätte? Ein Mann aus dem Irak, 30 Jahre alt, psychisch seit Jahren auffällig und er wird nicht betreut… Obendrein hätte er abgeschoben werden müssen, aber seine Papiere waren ja unvollständig. Denkt Arne A. etwa, wenn Sarmad A. betreut worden wäre, wären sowohl ihm als Täter, als auch seinen Opfern, alles erspart geblieben, was alle bis an ihr Lebensende verfolgen wird und sie zu anderen Menschen machte? Doch S. spricht mit keinem Journalisten über seine Gedanken.

Der Nebenklagevertreter von Arne S., Stephan Maigné vertritt seit Jahrzehnten auch Terroropfer von Sprengstoffanschlägen. 

Für den Prozess um die Kamikazefahrt auf der Stadtauto sind 29 Prozesstage vorgesehen. Über 100 Zeugen und sechs Sachverständige können vor Gericht aussagen. Urteil: voraussichtlich Ende September.

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