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Monday Motivation #21

Auf dem Gipfel der Dummheit

Organisationen bestehen aus Menschen und diese neigen zu vielerlei kognitiven Verzerrungen. Eine davon ist der Dunning-Kruger-Effekt, den die beiden Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger 1999 erstmals beschrieben. Demnach neigen inkompetente Menschen dazu, das eigene Wissen und Können deutlich zu überschätzen, auch und gerade weil sie prinzipiell nicht in der Lage sind, die eigene Inkompetenz zu erkennen (Morris, 2010): »Wenn man inkompetent ist, kann man nicht wissen, dass man inkompetent ist […]. Die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um eine richtige Antwort zu geben, sind genau die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um zu erkennen, was eine richtige Antwort ist.«

Weil wir nicht wissen, was wir alles nicht wissen, fühlen wir uns mit recht überschaubarer Erkenntnis erstaunlich sicher. So erklärt sich auch, weshalb die Weisheit von Sokrates in genau diesem Ausspruch zutage tritt: »Ich weiß, dass ich nicht weiß!« (Ganz bewusst steht hier »nicht« statt »nichts«, was ein verbreiteter Übersetzungsfehler aus dem Altgriechischen war (Öffnet in neuem Fenster).)

Eine interessante Dynamik ergibt sich in Kombination mit einer anderen menschlichen Neigung, die Abraham Maslow treffend so beschrieb (Maslow & Society, 1966): »Wenn man als einziges Werkzeug nur einen Hammer hat, ist es sehr verlockend, alles als Nagel zu betrachten.« Man könnte die Kombination von Dunning-Kruger-Effekt und Maslows Hammer auch Wochenendseminar-Effekt nennen: Der Chef hat am Wochenende auf einem Seminar ein paar rudimentäre Erkenntnisse über eine neue Methode erworben und sieht dann ab Montag überall Nägel, auf die er sehr selbstsicher einschlägt. So kommt es dann beispielsweise vor, dass alles und jeder agil arbeiten muss, auch der Chef mit seiner Führungsmannschaft, die weder ein Team ist noch wirklich gemeinsam an einem Produkt arbeitet.

Kollektiv betrieben führt diese Dynamik zur formschönen Imitation von Praktiken ohne ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge, wofür Richard Feynman 1974 in einem Essay den schönen Begriff Cargo-Kult prägte (Feynman, 1974): »In der Südsee gibt es einen Cargo-Kult in der Bevölkerung. Während des Krieges haben sie gesehen, wie Flugzeuge mit vielen begehrenswerten Gütern gelandet sind, und sie wollen, dass dasselbe jetzt wieder geschieht. Also haben sie Dinge wie Start- und Landebahnen imitiert, Feuer an den Seiten der Start- und Landebahnen gelegt, eine Holzhütte gebaut, in der ein Mann sitzt, mit zwei Holzstücken auf dem Kopf wie Kopfhörer und Bambusstäben, die wie Antennen herausragen – er ist der Fluglotse –, und so warten sie auf die Landung der Flugzeuge. Sie machen alles richtig. Die Form ist perfekt. Es sieht alles genauso aus wie vorher. Aber es funktioniert nicht. Es landen keine Flugzeuge.« 

Alles ist genauso, wie im Seminar gezeigt, aber irgendwie klappt es nicht. Von außen betrachtet sieht das niedlich und ein wenig lächerlich aus, aber die Beteiligten stört diese Inkompetenz – Dunning und Kruger lassen grüßen – gar nicht weiter. Auch deshalb braucht es vielleicht den einen oder anderen klugen Hofnarren (Öffnet in neuem Fenster) in der Organisation, der seine Narrenfreiheit nutzt, um die Dinge beim Namen zu nennen oder wenigstens, um die richtigen Fragen zu stellen – wie es Sokrates gern tat.

Ich wünsche Dir einen guten Start in eine erkenntnisreiche Woche,
Marcus

Literatur

Feynman, R. (1974). Cargo Cult Science (Öffnet in neuem Fenster). Engineering and Science, 37(7), 10–13.

Maslow, A. H., & Society, J. D. (1966). The Psychology of Science: A Reconnaissance. Harper & Row.

Morris, E. (2010, Juni 20). The Anosognosic’s Dilemma: Something’s Wrong but You’ll Never Know What It Is (Part 1) (Öffnet in neuem Fenster). Opinionator.

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Kategorie Monday Motivation

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