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Sommerhaus, später

We were both 18 and it felt so right
Sleepin' all day stayin' up all night
(Yellowcard)

122/∞

Good evening, Europe!

Es mag angesichts von Rekord-Hitzewellen, Dürren und Waldbränden zynisch klingen, aber der Sommer im Ruhrgebiet ist bisher etwas unterwältigend. Klar: Der Garten freut sich über das viele Wasser und wenn mal die Sonne scheint, ist es wunderschön, aber während ich in den vergangenen Jahren den ganzen Tag im Garten gesessen und nach Sonnenuntergang noch auf dem Rasen gelegen und Musik gehört habe, verbringe ich diesen Sommer doch eher drinnen. In unserem neuen Planschbecken habe ich genau einmal gesessen und mit Eiskaffee in der Hand Bilder für meinen Instagram-Account gemacht. Vor zehn Tagen haben wir das Wasser abgelassen — und jetzt ist das Becken durch den Regen schon wieder halbvoll.

Aber Sommer ist ja nicht nur Wetter, sondern zum Beispiel auch: Sport im Fernsehen. Jedes Mal, wenn ich den Namen „Wimbledon“ nur höre, denke ich etwa an mein Großelternhaus vor 30, 35 Jahren, an die halb heruntergelassenen Rollläden im Wohnzimmer und an meinen Großvater, der vor dem Fernseher saß, um zu sehen, was „die Steffi“, „der Boris“ oder „der Michael“ gerade so machten. Häufig gewannen sie und zwischendurch huschten die Mainzelmännchen über den Bildschirm. 

Das schlechte Gewissen, das sich normalerweise einstellt, wenn man bei schönem Wetter drinnen sitzt und anderen Menschen dabei zusieht, wie sie an der frischen, bisweilen heißen Luft sportliche Höchstleistungen vollbringen, bleibt in so einem Wann-wird’s-mal-wieder-richtig-Sommer aus und so habe ich in den letzten Wochen einigermaßen intensiv die Tours de Frances (Männer und Frauen) und die Fußball-WM (Frauen) verfolgt. Und ich sag mal so: Junge, hab ich jetzt schon Bock auf 2024 und Olympische Sommerspiele in meiner Zeitzone!

Es ist, was bei diesem Wetter auch halbwegs zu verschmerzen ist, auch der erste Sommer ohne „eigenen“ Pool. Schon Anfang der 1970er Jahre, also lange bevor jeder Hinz und Kunz im Privatfernsehen einen Pool oder einen Schwimmteich vor laufender Kamera in Eigenarbeit zusammenbaute, hatten meine Großeltern nämlich eine der ersten privaten Schwimmhallen der Stadt (mit all den Anfängerfehlern, die man als Architekt oder Bauunternehmer dann halt so macht, wie zum Beispiel die Überlaufrinne zu vergessen). 

Dieser Standortvorteil hat zwar weder dazu geführt, dass ich besonders früh Schwimmen gelernt hätte, noch dazu, als Teenager „The Middle“ (Öffnet in neuem Fenster)-mäßige pool parties zu feiern, aber Schwimmen ist heute immer noch meine liebste Art sportlicher Betätigung. Das Becken ist mit fünf mal zehn Metern gar nicht mal so klein und ermöglicht auch ungeübten Sportler*innen, beinahe Weltrekordzeiten zu schwimmen — weil man ja ständig umkehren muss und sich dabei ordentlich abstoßen kann. 

Als meine Omi im Oktober des vergangenen Jahres starb (Öffnet in neuem Fenster), wurde das Wasser im Becken schon nicht mehr beheizt (mein Opa hatte schon vor 20 Jahren mit etwas zu viel Stolz in der Stimme erzählt, dass der Betrieb ihn 500 Euro im Monat koste — außerdem war Heizen seit September verboten (Öffnet in neuem Fenster)), abgelassen hat es mein Vater dann kurz darauf. Im Frühjahr hätte ich beinahe noch eine Skatepunk-Band gegründet, nur um im leeren Pool ein Musikvideo zu drehen.

Wir waren in den Ferien aber trotzdem einmal in Dinslaken schwimmen: Das örtliche Hallenfreibad hat mit „DINamare“ zwar einen Namen, der sowohl der Witzelsucht (Öffnet in neuem Fenster) von Schwimmbadbetreibern als auch dem berühmten Dinslakener Humor (Öffnet in neuem Fenster) Rechnung trägt, ist aber ansonsten sehr toll. Da ich aus im geographischen Sinne naheliegenden Gründen als Kind oder Teenager nie außerhalb des Schulsports in einem öffentlichen Schwimmbad war (und in Omis Gefriertruhe immer ausreichend Bofrost-Eis am Stiel vorhanden war), war es mein erster Besuch im Freibad, aber das Kind hatte natürlich völlig recht: Freibadpommes sind die besten Pommes!

Ich hätte vor drei Wochen noch nicht gedacht, dass so ein Freibad ein politischer Ort ist, aber kurz darauf war er das, als der designierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann via „Bild“ erklärte (Öffnet in neuem Fenster), dort eine Schnellschwimmerbahn für den Rechtsstaat einrichten zu wollen. Das journalistische Subgenre „Freibad-Besinnungsaufsatz“ war für (Öffnet in neuem Fenster) kurze (Öffnet in neuem Fenster) Zeit (Öffnet in neuem Fenster) ein Ding — aber weil ich das mit den Sommerferien ein bisschen zu ernst genommen habe, ist inzwischen so viel Zeit vergangen (noch mal: drei Wochen), dass ich genauso gut über Tomatensaft-im-Flugzeug-Kolumnen der 1990er Jahre schreiben könnte.

Ebenfalls ereignet hat sich in den letzten Wochen (genauer: am 26. Juli) der 30. Jahrestag des Umzugs meiner anderen Großmutter aus der Wilhelm-Lantermann- in die Bismarckstraße in Dinslaken. Ich weiß das, weil Mick Jagger am 26. Juli 80 Jahre alt wurde — und weil es am damaligen Umzugstag ein großes Thema (also in der „NRZ“ und auf WDR 2) war, dass der Vorzeige-Rock’n’Roller das unglaubliche Alter von 50 Jahren erreicht hatte.

Nur, damit Ihr mal wisst, wie mein Gehirn so funktioniert. Es ist nicht immer schön!

In NRW enden die Sommerferien schon am kommenden Montag und auch unsere kleine Musiksendung Coffee And TV (Öffnet in neuem Fenster) soll dann wieder aus der Sommerfrische zurückkehren. Dafür brauche ich aber Eure Unterstützung, denn wir wollen wissen: Welche Songs verbindet Ihr mit Urlaub, Sonne oder einfach nur so mit dem Sommer — und vor allem: warum?

Schreibt es uns in die Kommentare bei Instagram (Öffnet in neuem Fenster) oder antwortet einfach auf diese E-Mail hier!

Was macht der Garten?

Sagen wir so: Ich bin ganz froh, dass ich nicht jeden Abend die Pflanzen gießen muss.

Was hast Du gehört?

Joy Oladokun ist eine amerikanische Musikerin, die im April ihr viertes Album „Proof Of Life“ (Amigo Records; Apple Music (Öffnet in neuem Fenster), Spotify (Öffnet in neuem Fenster)) veröffentlicht hat. Darauf kombiniert sie Indie-Folk mit R&B und der Vergleich mit Tracy Chapman ist so naheliegend, dass er fast zu naheliegend erscheint, aber Tracy Chapman ist der Grund, warum Joy Oladokun angefangen hat, Gitarre zu spielen, also: bitte! Es ist ein persönliches, politisches, suchendes und bei aller Schwere doch wunderschönes Album. Die Single „Changes“ (Öffnet in neuem Fenster) hat sie mit Dan Wilson von Semisonic geschrieben und wenn Euch dieser Song nicht gefällt, möchte ich bitte eine ausführliche schriftliche Begründung, warum!

Bei „Pop Culture Happy Hour“ (Öffnet in neuem Fenster) und „Fresh Air“ (Öffnet in neuem Fenster) haben sie sehr schön erklärt, was es mit den aktuell parallel stattfinden Streiks der Gewerkschaften der Autor*innen und Schauspieler*innen auf sich hat. Falls Euch das Thema interessiert, sind das sehr gute Einstiege.

Was hast Du gesehen?

Ich war zum ersten Mal in diesem Jahr im Kino, allerdings weder in „Barbie“ noch in „Oppenheimer“, sondern im dritten großen Sommer-Film, der dann im direkten Vergleich gar nicht mehr soooo (Öffnet in neuem Fenster) groß einschlug, aber ich habe bisher alle „Mission: Impossible“-Filme gesehen und wollte das dann auch bei „Dead Reckoning Teil 1“ auf der großen Leinwand tun.

Was soll ich sagen? Ich bin ohnehin großer Fan der Reihe, aber dass sie mit jedem Film besser wird, ist schon eine Leistung, die „James Bond“, „Star Wars“ oder „Star Trek“ (die einzigen anderen franchises, die ich seit Jahrzehnten verfolge) nicht hinbekommen haben. Ich liebe diese Filme einfach dafür, dass ich mich für zwei Stunden (diesmal: fast drei — alter Vatter, warum müssen Filme inzwischen fast so lang sein wie Springsteen-Konzerte?! Wenigstens fühlt es sich deutlich kürzer an.) noch einmal wie 12 fühlen und mit pochendem Herzen auf der Kante meines Kinosessels sitzen kann. 

Die Story ist - wie eigentlich immer bei „Mission: Impossible“ - zu gleichen Teilen verworren und egal, es ist - wie der Titel andeutet - nur der erste Teil einer sehr langen „Doppelfolge“ innerhalb der Reihe, aber die set pieces sind wie immer absolut phantastisch. Alle, die gut gemachte Action-Thriller mit etwas Augenzwinkern mögen, werden diesen Film lieben — und der Umstand, dass man weiß, dass Tom Cruise jeden noch so krassen Stunt in echt (Öffnet in neuem Fenster) selber macht, macht alles nur noch ein bisschen unglaublicher.

Was hast Du gelesen?

Apropos Tom Cruise: Der hat seit Jahren keine richtigen Interviews mehr gegeben, dreht nur noch spektakuläre und erfolgreiche Film und scheint als Privatperson gar nicht mehr zu existieren. Caity Weaver wollte das nicht akzeptieren und ist fürs Magazin der „New York Times“ losgezogen, um Cruise zu finden — in einem englischen Dorf, in dem er angeblich ein Anwesen besitzen soll. Es ist - hoho - eine unmögliche Mission, aber sehr schön aufgeschrieben: nytimes.com (Öffnet in neuem Fenster).

Außerdem hat Ronen Steinke für die „Süddeutsche Zeitung“ über diesen unfassbaren Irrsinn geschrieben, den deutsche Behörden der deutschen Sprache antun, wenn sie versuchen, mit normalen Menschen zu kommunizieren. Weil Steinke, anders als deutsche Behörden, großartig mit Sprache umgehen kann, ist es ein wunderbarer Text, der einen fast vergessen lässt, wie schlimm (und in weiten Teilen auch menschenverachtend) das eigentlich alles ist: sueddeutsche.de (Öffnet in neuem Fenster) (hinter der Bezahlschranke).

Was hast Du zum ersten Mal gemacht?

Im Freibad gewesen (s.o.).

https://www.youtube.com/watch?v=HJ3LdCkud2g (Öffnet in neuem Fenster)

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(Herzlichen Dank und „Hallo!“ an alle Unterstützer*innen, die seit der letzten Ausgabe hinzugekommen sind!)

Habt eine schöne Restwoche!

Always love, Lukas

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