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Der Tripreport – 2023-April-I

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In dieser Ausgabe dreht sich alles um die kürzlich erschienene Neuroplastizitätsstudie der UC Davis. Dabei haben die WissenschaftlerInnen neue Erkenntnisse gewonnen, wie Psychedelika auf molekularer Ebene dafür sorgen, dass neue Synapsen im Gehirn wachsen. Gar nicht so einfach, bei den neurowissenschaftlichen Details durchzusteigen, aber ich habe mein Bestes getan, es so verständlich und unterhaltsam aufzuarbeiten.

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 Inhalt

  • Psychedelische Neuroplastizität: Auf das Innere kommt es an.

  • Ausführliche Quellen zum Artikel

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Psychedelische Neuroplastizität: Auf das Innere kommt es an.

Ein Blick in die Studie der UC Davis

In den letzten Wochen ist eine Studie durch die psychedelische Nachrichtenwelt gewandert, deren Verlautbarungen Titel trugen wie: „Neuer Mechanismus psychedelischer Wirkung im Gehirn entdeckt!” oder „So helfen psychedelische Drogen gegen Depressionen”. Klingt so, als hätte man einen neuen Schalter im Kopf gefunden, der einen mit Happy-Happy-Visionen beglückt. Ist aber leider nicht ganz so.

Ich habe mir die Studie einmal angeschaut und — mit Hilfe von Andrew Gallimores superausführlicher Erklärung (Alle Quellen wie immer s.u.) - ergründet, worum es bei dieser intrazellulären Angelegenheit geht und das Ganze in den Zusammenhang von Serotonin, Neuroplastizität und Psychedelika eingeordnet.

Die Erkenntnisse daraus geben uns ein besseres Verständnis davon, wie im Gehirn mehr Verbindungen entstehen und könnten den Weg zu potenziellen Medikamenten öffnen, die ähnlich wie Psychedelika, aber gezielter, Depressionen und andere geistige Erkrankungen behandeln könnten. Und das möglicherweise, ohne einen halluzinogenen Trip hervorzurufen.

Ein paar Grundlagen

Psychedelika können unter kontrollierten Bedingungen Depressionen lindern. Wie genau dies geschieht, ist derzeit Gegenstand zahlreicher Forschungsbemühungen in der Neurowissenschaft. Sicher ist, dass die klassischen psychedelischen Wirkstoffe, wie LSD, Psilocybin und DMT chemisch sehr dem körpereigenen Botenstoff Serotonin ähneln und an entsprechende Rezeptoren im Gehirn andocken. Die prominentesten darunter sind die 5-HT2A-Rezeptoren (Der chemische Name von Serotonin lautet Hydroxytryptamin, kurz 5-HT).

Noch ist unklar, wie genau die depressionslindernden Effekte zustande kommen. Einerseits berichten Menschen, die Psychedelika eingenommen haben, von einschneidenden Erfahrungen, mit profunden Erkenntnissen über die eigene Psyche und visionären Zuständen, die sie von depressiven Stimmungen geheilt hätten. Andererseits lassen sich Mechanismen beobachten, die sich rein auf der neurobiologischen Ebene abspielen, ohne dabei notwendigerweise von psychoaktiven Effekten begleitet werden zu müssen.

Serotonin und Neuroplastizität

Serotonin wird in den Medien gerne als „Glückshormon” bezeichnet. Das kommt daher, dass dieser Botenstoff unter anderem für die Regulierung von Gefühlen wie Ausgeglichenheit und Zufriedenheit verantwortlich sein soll. Das ist natürlich eine sehr vereinfachte Darstellung dieses Tryptamins, das in Form von vielen unterschiedlichen Subtypen mannigfaltige Funktionen im Körper hat.

Derzeitige medikamentöse Behandlungen von Depressionen basieren auf der „Serotonin-Hypothese”. Diese besagt, dass Depressionen auf einen zu niedrigen Serotonin-Spiegel zurückzuführen sind. Deshalb werden oft Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) gegen Depressionen eingesetzt. Diese wirken, indem sie die Schleusen zu den Nervenzellen dicht machen und so die Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt — also außerhalb der Neuronen — erhöhen. SSRI-Antidepressiva sollen also den Spiegel des „Glückshormons” in den Synapsen aufrechterhalten und PatientInnen so auf einem geistigen Pegel der Nichtdepression halten. Ob dies auch so funktioniert, wird aber immer mehr angezweifelt und kontrovers diskutiert, wie kürzlich auch die Zeit berichtete.

Serotonin ist aber auch beteiligt an der Regulierung von Neuroplastizität.

Neuroplastizität, oder synaptische Plastizität, ist die Fähigkeit der Nervenzellen neue Verbindungen untereinander einzugehen. Das Gehirn kann dadurch besser auf neue Einflüsse reagieren und sich anpassen. So werden z.B. beim Erlernen einer Sprache neue Pfade und Verknüpfungen von Nervenzellen erstellt, was neue Gedankengänge ermöglicht, die vor dem Lernprozess nicht da waren. Auch neue Lebenserfahrungen, die sich von alten Mustern unterscheiden, erhöhen die Neuroplastizität.

Ein etwas neuerer Ansatz der Depressionsbekämpfung besagt nun, dass eine geringe Neuroplastizität zu depressiven Verstimmungen führt. Würden die Nerven wieder „formbarer” gemacht werden und neue Pfade im Gehirn entstehen, könnte die Depression dadurch verschwinden.

Genau hier scheint ein Schlüssel zu liegen, warum Psychedelika so gut und auch dauerhaft gegen Depressionen helfen können. Denn Psychedelika erhöhen erwiesenermaßen die Neuroplastizität.

Worum geht es in der Studie „Psychedelics promote neuroplasticity through the activation of intracellular 5-HT2A receptors” (Psychedelika fördern die Neuroplastizität durch die Aktivierung von intrazellulären 5-HT2A-Rezeptoren) von Maxemiliano V. Vargas et al.?

Die Neurowissenschaftler haben sich für den Mechanismus interessiert, der dafür sorgt, dass psychedelische serotonin-ähnliche Moleküle, wie DMT, Psilocybin und LSD die Nervenzellen so anregen, dass sie mehr Verbindungen eingehen, also Neuroplastizität fördern. Dabei haben sie herausgefunden, dass nur die intrazellulären, also innerhalb der Nervenzelle befindlichen, 5-HT2A-Rezeptoren dafür verantwortlich sind. Die Rezeptoren außen an der Zellhülle spielen dabei keine Rolle.

Demnach können Moleküle nur Neuroplastizität hervorrufen, wenn sie auch in das Zellinnere und die Rezeptoren darin vordringen können. Serotonin alleine schafft das nicht, das Psychedelikum DMT, was in den Versuchen eingesetzt wurde, hingegen schon.

Wie sind die WissenschaftlerInnen vorgegangen?

In einer Reihe von Laborversuchen wurde das Zusammenspiel von Serotonin, DMT und 5-HT2A-Rezeptoren außen und innen untersucht und beobachtet, wann und wann keine Neuroplastizität hervorgerufen wurde.

Es gab eine Reihe von Methoden, wie all diese Moleküle dazu gebracht wurden, sich so zu verhalten, wie die Forschenden es wollten. Wenn es darum ging, die Moleküle davon abzuhalten, sich an die Oberflächenrezeptoren zu binden, wurde der 5-HT2A-Antagonist (also Hemmstoff) Ketanserin eingesetzt, der die äußeren Rezeptoren blockierte. Auch wurden die lipophilen Eigenschaften von DMT verändert, so dass es fettlöslicher wurde und noch besser durch die Zellwand hindurch schlüpfen konnte. Zudem wurde eine Methode namens Elektroporation eingesetzt, bei der die Nervenzelle kurzzeitig unter Spannung gesetzt wird, so dass speziell aufgeladene Moleküle durch die Zellwand gelangen können.

Was das Serotonin angeht, so kommt es im natürlichen Zustand nicht in das Zellinnere und kann entsprechend nur außen andocken. Es ist auch nicht dafür bekannt, aktiv Neuroplastizität zu erzeugen. Wenn man es aber per Elektroporation hineinlässt, wie in der Studie geschehen, kann man beobachten, dass es an den Rezeptoren dort Neuroplastizität auslöst. Dies war der letzte Beweis, den Vargas et al. Brauchten, um zuverlässig ihre Hauptaussage sagen zu können: Es kommt auf die Verortung der 5-HT2A-Rezeptoren an, ob sie Neuroplastizität erzeugen oder nicht: Sie müssen im Inneren der Zelle sitzen, dort, wo auch psychedelische Moleküle hineingelangen.

Und was ist mit dem psychedelischen Effekt?

Die Studie hat sich auch mit der Frage beschäftigt, warum Serotonin, wenn es denn an den gleichen Rezeptoren wie DMT und LSD anknüpft, keine psychedelische Wirkung erzeugt, also Veränderungen der Wahrnehmung und Gefühle, Pseudohalluzinationen, Ichauflösung und andere psychoaktiven Effekte. Hat es auch damit zu tun, dass der körpereigene Stoff nicht ins Zellinnere gelangt?

Erstmal drängt sich da ja die Frage auf, wie LaborwissenschaftlerInnen überhaupt herausfinden, ob ein bestimmter Wirkmechanismus oder eine Substanz eine psychedelische Wirkung entfaltet. Dafür gibt es Versuchsmäuse. Wenn diese auf einem Trip sind, zeigen sie nämlich ein besonderes Verhaltensmuster: Sie zucken in einer bestimmten Weise mit dem Kopf. Die Beobachtung dieser head twitch response (HTR), also Kopfzuckreaktion, lässt die WissenschaftlerInnen darauf schließen, dass eine psychoaktive Reaktion eingetreten ist.

Die Forschenden haben sich also gefragt, ob Mäuse eine Reaktion zeigen, wenn sie, entsprechend der vorigen Laborexperimente, Serotonin erhalten, das ausschließlich an ihre inneren 5-HT2A-Rezeptoren gelangt. Die Ergebnisse waren hier weniger klar. Es war auch nicht der erste wissenschaftliche Versuch, bei dem versucht wurde, Mäuse mit Serotonin high zu machen. Das ist ihnen zumindest gelungen. Allerdings liegt die Ursache des psychedelischen Effekts hier nicht an der Verortung der Rezeptoren, sondern kurz gesagt an der kurzzeitig sehr hohen Konzentration von Serotonin im Mäusehirn und an etwas, das sich Funktionelle Selektivität nennt.

Was nach diesen Experimenten fest steht, ist, dass Psychedelika und Serotonin zwar an intrazelluläre Rezeptoren andocken müssen, um Neuroplastizität zu erzeugen, für eine psychedelische Wirkung ist dies aber nicht unbedingt nötig.

Spekulativer Ausblick: LSD ohne Halluzinationen?

Eine Frage, die sich im Anschluss an die Studie stellt, ist: Kann Neuroplastizität gefördert werden, indem die inneren 5-HT2A-Rezeptoren gezielt stimuliert werden, ohne dabei eine psychedelische Wirkung zu erzeugen? Wenn das ginge, könnte das Medikamente hervorbringen, die wie Psychedelika zu mehr Verknüpfungen im Hirn führen, aber dabei keinen psychedelischen Zustand hervorrufen würden. So etwas könnte potenziell wertvoll sein, wenn neue Behandlungen für neurodegenerative Erkrankungen, wie Alzheimer oder Parkinson, entwickelt werden.

Könnte solche „psychedelika-inspirierten” Substanzen dann auch Depressionen lindern, wie es die altbekannten psychedelischen Pflanzen- und Pilzstoffe tun?

„Triplose Psychedelika” könnten im Vergleich zur psychedelika-gestützten Therapie durchaus Vorteile haben. Denn letztere muss immer in Kooperation mit einer begleitenden therapeutischen Fachperson durchgeführt werden. Es gibt eine Vorbereitung, die Sitzungen müssen unter Aufsicht geschehen, und die erlebten Geschehnisse im Nachgang aufgearbeitet werden. Das zieht einiges an Aufwand und Kosten mit sich, welche durch nicht-psychedelische Substanzen wegfallen würden. Auch würde die Angsthürde weniger eine Rolle spielen, die PatientInnen möglicherweise davon abhalten, „halluzinogene Drogen” einzunehmen. Auch Risiken und Nebenwirkungen könnten vermindert werden.

Allerdings gibt es - nicht nur von PsychonautInnen - auch starke Argumente, die den psychologischen Wert von psychedelischen Erfahrungen betonen. So berichten Menschen häufig von durchschlagenden Erkenntnissen und emotionalen Durchbrüchen nach psychedelischen Trips, die sie nachhaltig zum Positiven verändert haben. Auch die schwer vermittelbare mystische Komponente ist ein nachgewiesener Faktor bei der Heilung schwer depressiver und angstgestörter PatientInnen. Bei solchen Erfahrungen wird regelmäßig von Verbundenheit mit dem inneren und äußeren Kosmos gesprochen, von transzendentalen Erlebnissen und Einsichten in die Beziehung von Leben und Tod. Diese würden bei Substanzen, die auf reines Zellwachstum abzielen, fehlen.

Zusammenfassung

  • Psychedelika ähneln sehr dem Botenstoff Serotonin und docken an dessen Rezeptoren an.

  • Förderung der Neuroplastizität durch Psychedelika könnte Ursache für Depressionslinderung sein

  • Die Studie besagt, dass Neuroplastizität bei Stimulierung der 5-HT2A-Rezeptoren im Inneren der Nervenzellen gefördert wird, aber nicht an den Zellwänden oder Synapsen.

  • Eine psychedelische Wirkung ist wahrscheinlich nicht notwendig für Neuroplastizität

  • Ausblick: Mögliche Entwicklung von "triplosen Psychedelika" zur Behandlung von Depressionen und neurodegenerativen Erkrankungen.

  • Vorteile von "triplosen Psychedelika": Reduktion von Kosten, Aufwand und Bedenken.

  • Nachteile: Fehlende emotionale und mystische Erfahrungen, die bei herkömmlichen Psychedelika zur Heilung beitragen.

Quellen

Vargas, et al: Psychedelics promote neuroplasticity through the activation of intracellular 5-HT2A receptors, UC Davis 2023.

https://www.science.org/doi/10.1126/science.adf0435 (Öffnet in neuem Fenster)

Gallimore, Andrew: A new mechanism of psychedelic action? Hmmm….

https://alieninsect.substack.com/p/a-new-mechanism-of-psychedelic-action (Öffnet in neuem Fenster)

Harvard Health: What causes depression?

https://www.health.harvard.edu/mind-and-mood/what-causes-depression (Öffnet in neuem Fenster)

Die Zeit: Was, wenn nicht Serotonin?

https://www.zeit.de/gesundheit/2023-03/antidepressiva-depressionen-medikamente-wirkweise-studien (Öffnet in neuem Fenster)

Romeo, et al: Efficacy of psychedelic treatments on depressive symptoms: A meta-analysis. Journal of Psychopharmacology, 2020

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32448048 (Öffnet in neuem Fenster)

de Vos et al.: Psychedelics and Neuroplasticity: A Systematic Review Unraveling the Biological Underpinnings of Psychedelics. Maastricht University, 2021.

https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyt.2021.724606/full (Öffnet in neuem Fenster)

Albert: Adult neuroplasticity: A new “cure” for major depression? In: Journal of psychiatry & neuroscience, 2019.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6488487 (Öffnet in neuem Fenster)

Kraus et al: Serotonin and neuroplasticity – Links between molecular, functional and structural pathophysiology in depression. In Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 2017.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0149763417300350?via%3Dihub (Öffnet in neuem Fenster)

Kangaslampi: Association between mystical-type experiences under psychedelics and improvements in well-being or mental health – A comprehensive review of the evidence. In Journal of Psychedelic Studies, 2023.

https://akjournals.com/view/journals/2054/aop/article-10.1556-2054.2023.00243/article-10.1556-2054.2023.00243.xml (Öffnet in neuem Fenster)

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