Zum Hauptinhalt springen

Ihres Glückes Schmiedin

Schmuck von Irland-Auswanderin Sabine Lenz

Sie kam nur mit einem Rucksack nach Irland. 32 Jahre später führt Goldschmiedin Sabine Lenz zwei eigene Geschäfte und hat Verträge mit den beiden größten irischen Concept-Stores, Avoca und Kilkenny. Sie ist eine von fast 20.000 Deutschen in Irland und sagt: „Der Anfang war hart, aber ich werde jeden Tag wach und denke, dass ich die glücklichste Frau der Welt bin.“

Von Mareike Graepel, Cork

Nach Irland kam Sabine Lenz zufällig, ungeplant. „Ich habe damals in Hamburg Modedesign studiert und wollte immer mal alleine verreisen. Aber ich hatte auch ein wenig Angst davor“, erinnert sie sich. „Also habe ich ein Interrail-Ticket gekauft, es an die Pinnwand gehängt und mir gesagt: Du musst es probieren. Wenn es nicht gut läuft, kannst du immer noch nach Hause kommen und dein Leben normal weiter leben. Dann musst du aber nie sagen: Was wäre gewesen, wenn…“

Sabine Lenz fühlte sich Anfang 20 nicht „typisch deutsch“, sagt sie von sich, ohne darüber nachgedacht zu haben, wie oder was sie denn stattdessen sei. „Ich hatte aufgehört zu rauchen, habe kein Make-up mehr getragen.“ Und sie ist die Zugreise durch Europa ohne penible Vorbereitung angegangen. „Spontan bin ich von Nordfrankreich nach Irland gefahren, mit der Fähre nach Rosslare an die Südostküste – um dann dort zu merken: Hier gibt’s nicht wirklich viele Züge.“

Enge Verbindung zu Irland und zur Natur

Das irische Bahnnetz war vor hundert Jahren deutlich dichter als heute, verband aber bei Sabine Lenz’ Ankunft nur noch vier Regionen oder größere Städte mit Dublin. „Also bin ich mit einer anderen Deutschen, die ich auf dem Schiff kennengelernt habe, getrampt.“ Erst ging es in die Nähe von Dublin, nach Glendalough, ein Tal in den Wicklow Mountains, das bekannt ist für eine berühmte Klostersiedlung an einem von zwei Seen. „Die Landschaft hat mich direkt fasziniert, aber ich wollte von dort lieber weiter nach Westen, gar nicht in die große Stadt. Ich habe vom ersten Moment an eine ganz enge Verbindung zu Irland und der Natur hier gespürt, das war etwas sehr Besonderes.“

Zwei Deutsche mit Wohnmobil nahmen sie bis nach Westport mit – eine hübsche und zudem eine der wenigen geplanten Städte Irlands. Das ursprünglich hier gelegene Dorf Cathair na Mart wurde in den 1780er-Jahren durch den heutigen Ort ersetzt. Von dort wollte Sabine Lenz weiter nach Achill Island – und lernte auf dem Weg ihren Mann, Len Lipitch, kennen. Der Versuch, nach ihrer Reise eine Fernbeziehung zu führen, endete damit, dass sie nur kurz nach Deutschland zurückkehrte, ihre Studentinnenwohnung und ihr Studium aufgab und sich von ihrer Familie verabschiedete.

„Ich habe alles zurückgelassen.“ Und für was? Zunächst für ein Leben in einem Wohnwagen neben der Ruine ihres zukünftigen Hauses. Dort hat sie mit Len am Anfang gewohnt, in den Hügeln hinter Schull, einem Hafenstädtchen an der irischen Südküste. Dort hat sie ihr erstes Kind bekommen, einen Sohn. „Das war ganz schön hart, am Anfang. Wir hatten keinen Strom, nur ein Windrad und einen Generator, aber immerhin einen Telefonanschluss, als wir aus den Resten des Cottages, das Len gekauft hatte, ein Zuhause gemacht haben.“

Der Anfang war „ganz schön hart“

Drei Jahrzehnte später steht hier ein idyllisches Heim mit großen Fenstern, verwinkelten Räumen, einem Piano im Flur und einer gemütlichen Küche mit eigenem Leseraum und einem Computertischchen neben dem Kamin, der so alt ist wie die dicken Mauern der Steinruine, die noch hier und da zu sehen sind. „Wir bauen gerade einen alten Stall in ein Atelier um, und bis das fertig ist, wird noch von hier gearbeitet.“

Sabine Lenz entwirft also zu Hause ihren Schmuck. In der Werkstatt und den beiden Geschäften von „enibas (Öffnet in neuem Fenster)“ – so heißt das Goldschmiede-Unternehmen (nach dem Ananym von Sabines Vornamen, rückwärts gelesen) – arbeiten fast ausschließlich Frauen – „außer meinem Mann, aber der geht bald in Rente“, lächelt Sabine Lenz. „Er hat von Anfang an geholfen und an mich geglaubt, als ich anfing, Schmuck herzustellen.“

Über Freunde bekam Sabine Lenz zunächst Gelegenheit, in einem kleinen Studio zu arbeiten. Innerhalb eines Jahres hatte sie genug Schmuck hergestellt, um ihn auf einem lokalen Kunsthandwerkmarkt in Schull zum Verkauf anbieten zu können. Wenige Jahre später, Ende der 1990er Jahre, wagte sie einen großen Schritt, der sie zunächst nervös machte: Sie mietete eine Werkstatt, wie sie vom Local Enterprise Board kleineren Firmen für drei Jahre zu einem guten Kurs gestellt werden.

Von einer kleinen Werkstatt zum Ladenlokal

Wenige Jahre später zog sie damit auf die Hauptstraße um, wo es auch ein Ladenlokal gab. „Dann hat ein Vorzeigeprojekt der Nachhaltigkeit, „Waschbär“ aus Deutschland, bei der Dubliner Ausstellung Showcase Schmuck im Wert von 10.000 Euro bei uns bestellt.“ Damit hatte sich ihr Mut, sich mit ihrem Designstudio niederzulassen – schneller gerechnet als erwartet.

„Während meines Studiums gefiel mir schon der kreative Teil am Besten. Was ich nicht mochte, waren Sachen wie Nähen und Muster entwerfen“, erklärt sie ihre Motivation, autodidaktisch Goldschmiedin zu werden. „Mir macht es Freude, ein Schmuckstück zu entwerfen, ich liebe das Handwerkliche daran – dass ich mit Metall arbeiten kann, Metall biegen und formen kann, Metall eine Struktur geben kann.“

Das Gewicht eines jeden Rings, Armbands und jeder Kette spiele eine große Rolle bei der Entstehung. „Ich trage erste Entwürfe immer erst selbst und frage mich: Ist das angenehm zu tragen, wie fühlt sich das an?“ Heute stellen ihr Team – zu dem auch ihre Tochter Anna-Leah gehört – und sie etwa 20.000 Schmuckstücke im Jahr her. „Angefangen habe ich mit 10 bis 20 am Tag, die ich auf Märkten in der Umgebung und einigen Läden in Irland verkauft habe.“

„Las mo shlí“ – leuchte mir den Weg

Ihre Schmuck-Kollektionen haben immer ein irisch-keltisches Thema. Schriftzeichen und Redewendungen sind in gälischer Schrift eingraviert. „Las mo shlí“ heißt eine Kollektion, übersetzt heißt das „Leuchte mir den Weg“. „Croí Álainn“, zu Deutsch „wunderschönes Herz“ eine andere. Zwar spricht Sabine Lenz kein Irisch und auch mit ihren Kindern reden ihr britischer Mann und sie meist Englisch. „Aber es hat mich immer schon sehr fasziniert, dass es in Irland noch eine andere Sprache gibt.“

Die gälische Hauptamtssprache in Irland beherrschen weniger als 170.000 Menschen auf der Grünen Insel. Nur 4,2 Prozent der Ir*innen sprechen sie regelmäßig und aktiv. Die Europäische Union führt sie seit 2007 als Amtssprache, aber erst seit diesem Jahr werden in Brüssel auch alle Dokumente und Reden ins Irische übersetzt. Dennoch trifft der Schmuck von Sabine Lenz einen Nerv bei den Menschen in Irland – die Ketten, Ringe und Ohrringe wirken nicht wie die traditionellen oder manchmal kitschigen Souvenirs in den Geschenkeläden, sondern verbinden ein modernes Land mit seiner eigenen Identität.

Etwa 80 Prozent ihres Schmucks wird in Irland verkauft – im eigenen Geschäft in Schull und seit 2005 auch in einem weiteren in dem Touristenmagnet Kinsale und in den Shops der landesweit vertretenen Ketten Avoca und Kilkenny, dem größten Anbieter irischer Designprodukte. Aus Deutschland kommen Bestellungen via Internet. Sehr oft würde ihr Schmuck aber auch von ihren Kund*innen selbst verschickt oder als Geschenk ins Ausland mitgenommen, erklärt Sabine Lenz, wahrscheinlich zu einigen der weltweit über 70 Millionen Menschen irischer Herkunft oder Abstammung.

Verbindung zu anderen Menschen

So sind auch die Töchter des damaligen US-Präsidenten Barack Obama, Malia and Sasha, vor gut zehn Jahren zu ihren Croí-Álainn-Armkettchen gekommen. Vor seinem jährlichen Besuch im Weißen Haus hatte der irische Politiker Enda Kenny die Geschenke aus Lenz’ Kollektion ausgesucht. „Wir fragen unsere Kund*innen oft, aus welchem Grund sie unseren Schmuck kaufen“, erzählt die Goldschmiedin. „Manche sagen, die Stücke seien ein bisschen wie eine kleine Therapie für sie. Und oft geht es natürlich um Liebe und Freundschaft.“

Wie bei dem Mann, der ein Geschenk für seine Frau gesucht hat – zum Schulabschluss der beiden Söhne. Seine Erklärung: „Ohne sie wären unsere Jungs nicht zu den wunderbaren Menschen geworden, die sie heute sind.“ Andere wollen, bei Hochzeiten zum Beispiel, Erinnerungen bei sich tragen. Oder an besondere Menschen denken – wie die Familie, die bei dem Tod der Großmutter allen Enkelkindern Schmuckstücke aus der gleichen Kollektion kaufte, aus der Croí-Álainn-Reihe, übersetzt „wunderschönes Herz“.

„Es ist ein großes Privileg zu hören, dass Menschen Kraft daraus ziehen, meinen Schmuck zu tragen,“ sagt Sabine Lenz. „Ich merke selbst, dass es mir, je älter ich werde, immer wichtiger wird zu beobachten, wie meine Verbindung zu anderen Menschen ist. Und wie sehr das Leben eher eine innere Reise ist.“ Eine Reise, die sie genauso wenig bereut wie die nach Irland vor mehr als 30 Jahren.

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von DEINE KORRESPONDENTIN und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden