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Warum es wirklich hilft, wenn du über deine Gefühle redest

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: Warum es hilft, deine Gefühle zu benennen und was du dabei beachten solltest.

In der aktuellen Serie dreht sich alles um eine Erkenntnis: Denken findet nicht nur im Gehirn statt. Wer besser lernen, arbeiten und kommunizieren will, sollte wissen, wo noch.

Seit ein paar Jahren möchte Zeit Online wissen, wie es uns geht. »Wie geht es Ihnen heute?« prangt auf der Startseite, wenn man etwas runterscrollt. Man kann dann entweder »Gut« oder »Schlecht« antworten. Anschließend soll man dann doch noch etwas genauer werden: »Beschreiben Sie Ihre Stimmung mit einem Wort genauer (bitte ein Adjektiv).« Als ich diese Ausgabe schreibe, haben bereits 6.410.559 Leser:innen die Frage beantwortet.

Screenshot von Zeit Online.

Das Ergebnis ist ein riesiges Stimmungsbild darüber, wie die Stimmung in Deutschland gerade ist. Das ist soziologisch natürlich höchst interessant. Aber auch auf ganz individueller Ebene tut Zeit Online seinen Leser:innen damit einen Gefallen. Auch wenn ich nicht glaube, dass die Redaktion die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse, um die es heute geht, im Kopf hatte, als sie sich für die Abstimmung auf der Startseite entschieden hatte.

Willst du darüber reden? Ja!

Letzte Woche ging es um die Frage, wie wir es schaffen, besser auf die Signale zu hören, die unser Körper Richtung Gehirn sendet. Der Körperscan (Öffnet in neuem Fenster) kann uns darin schulen, die Signale genauer zu beobachten. Man kann aber noch mehr tun. Und der nächste Schritt ist deutlich einfacher.

Vielleicht kennst du das: Man fühlt sich nicht gut, spricht mit einem Freund oder einer Freundin darüber und plötzlich wirkt alles nur noch halb so schlimm. Das kommt nicht von ungefähr. Es geht darum, seine Gefühle zu benennen. Also genau das zu machen, was Zeit Online abfragt – die eigene Stimmung möglichst prägnant beschreiben. Das soll helfen? Und wie.

Studien (Öffnet in neuem Fenster) zeigen, dass schon das Benennen von Gefühlen eine tiefgreifende Wirkung auf das Nervensystem haben und die Stressreaktion des Körpers sofort dämpfen kann. Und es gibt einen Namen dafür: Affect Labeling.

Diese Studien zeigen, wie wenig Aufwand man dafür betreiben muss

Hier ein Beispiel. Stell dir vor, du müsstest im Rahmen eines Experiments vor dir fremden Menschen eine Rede halten. Für viele ist das ein Schreckensszenario. Die Wenigsten lösen diese Aufgabe so souverän wie mein damals 14-jähriger Bruder bei seiner Konfirmation: »Ich bin kein Mann großer Worte. Das Buffet ist eröffnet.«

Bei einem Experiment der University of California wurde die Teilnehmer:innen mit diesem Szenario konfrontiert. Die Hälfte der Teilnehmer:innen wurde dann gebeten, vor dem Halten der Rede Antworten auf den Satz »Ich fühle mich _________« auszufüllen, während die andere Hälfte eine neutrale Aufgabe lösen sollte. Das Ergebnis: In der Gruppe, die ihre Gefühle benannt hat, gingen die Herzfrequenz und die Hautleitfähigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe stark zurück.

Ein anderes Beispiel: In dieser Studie (Öffnet in neuem Fenster) bearbeiteten die Teilnehmer:innen eine schwierige Matheaufgabe, die Wut oder Scham auslösen sollte, während ihre Herz-Kreislauf-Reaktionen gemessen wurden. Die Hälfte der Teilnehmer:innen wurde gebeten, über ihren emotionalen Zustand zu berichten und ihre Gefühle während des Experiments einzuschätzen, die andere Hälfte füllte einen Kontrollfragebogen ausfüllte. Die Teilnehmer:innen, die über ihre Emotionen berichten sollten, zeigten qualitativ andere physiologische Reaktionen als diejenigen, die nicht berichteten. (Allerdings: Nur, was die Wut anging, bei Scham gab es keinen Unterschied.)

Diese zwei Tipps geben die Wissenschaftler:innen

Hirnscan-Studien liefern weitere Belege für die beruhigende Wirkung der Affektbenennung: Das bloße Benennen des Gefühls reduziert die Aktivität in der Amygdala, der Gehirnstruktur, die an der Verarbeitung von Angst und anderen starken Emotionen beteiligt ist. Natürlich gibt es Muster, wann Affect Labeling besonders gut funktioniert und wann nicht. Die Wissenschaftler:innen aus Kalifornien ziehen zwei Schlüsse:

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