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Wie sich das Gehirn dicker Menschen von dem schlanker Menschen unterscheidet

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: darüber, wie ungesunde Ernährung das Gehirn regelrecht verletzten kann.

In der aktuellen Serie dreht sich alles um eine Erkenntnis: Vorgänge im Gehirn sind mit verantwortlich dafür, wenn wir zu viel essen. Welche Vorgänge sind das? Wie werden sie in Gang gesetzt? Und vor allem: Was können wir dagegen tun? Darum geht es in meiner aktuellen Serie. Hier findest du alle bisherigen Ausgaben (Öffnet in neuem Fenster) dieses Newsletters.

Vielleicht habt ihr selbst schon mal eine Diät gemacht und hattet erstaunlich viel Appetit in dieser Zeit. Vergangene Woche haben wir bereits angeschnitten, woran das liegen könnte:

Wenn wir eine Diät machen und Fett verloren haben, sorgt der Hypothalamus dafür, dass wir mehr Fett zu uns nehmen müssen, bis wir uns wieder satt fühlen. Dein Gehirn dämpft das Sättigungsgefühl, sodass du dich erst dann satt fühlst, wenn du genug Kalorien zu dir genommen hast, um wieder Fett anzusetzen. Wenn du hingegen zu viel gegessen und Fett zugelegt hast, verstärkt dein Gehirn das Sättigungsgefühl, sodass deine Mahlzeiten eine Zeit lang kleiner ausfallen. Also: eigentlich.

Denn wenn eine fettleibige Person Nahrung zu sich nimmt, wird die Reaktion ihres Gehirns auf Essensreize nicht so stark unterdrückt wie bei einer schlanken Person. Die Hirnregionen, die für Hunger und Motivation zuständig sind, feuern weiter und treiben sie an, immer mehr zu essen.

Warum versagt der Hypothalamus in diesen Fällen? Schaut man sich diese Region bei fettleibigen Personen an und vergleicht sie mit der bei schlanken Personen, scheint es deutliche Unterschiede zu geben. Schlechte Ernährung könnte unser Gehirn regelrecht verletzten.

Die Spur beginnt bei dicken Ratten

Wir beginnen aber, wie so oft, bei Ratten. Der Fettleibigkeitsforscher Licio Velloso wollte wissen, was die Zellen des Hypothalamus machen, wenn ein Tier fettleibig wird. Als Vellosos Team die Daten analysierte, zeigte sich ein Trend: Viele der Gene, die bei fettleibigen Mäusen aktiver waren, standen im Zusammenhang mit dem Immunsystem, insbesondere mit einer Art Aktivierung des Immunsystems, die bei Entzündungen auftritt.

Um zu testen, welche Folgen diese Entzündungen im Hypothalamus haben, blockierte das Team einen wichtigen Entzündungsweg im Gehirn fettleibiger Ratten. Sie dachten: Wenn die Entzündung im Hypothalamus tatsächlich die Ursache für Fettleibigkeit ist, sollte die Blockierung dieser Entzündung die Nahrungsaufnahme und das Körpergewicht verringern. Und genau das haben sie beobachtet.

Wie eine Narbe im Gehirn

Der Neurowissenschaftler Stephan J. Guyenet und seine Kolleg:innen beobachten noch etwas anderes. Im Jahr 2012 veröffentlichten sie eine Studie (Öffnet in neuem Fenster), in der sie die zellulären Veränderungen, die im Hypothalamus während der Entwicklung von Fettleibigkeit auftreten, genauer untersuchten. Ein Großteil der Studie konzentrierte sich auf zwei Arten von Zellen im Gehirn: Astrozyten und Mikroglia. Während Neuronen die Zellen sind, die den größten Teil der Informationsverarbeitung im Gehirn übernehmen, halten Astrozyten und Mikroglia die Neuronen bei Laune – sie schützen sie vor Bedrohungen, helfen ihnen bei der Heilung, und versorgen sie mit Energie. Wenn das Gehirn verletzt wird, zum Beispiel bei einem Schlaganfall, tauchen diese Zellen in der verletzten Region vermehrt auf, um die Heilung zu beschleunigen.

Was Guyenet und seine Kolleg:innen fanden (Öffnet in neuem Fenster)? Die Astrozyten in dem Hypothalamus der fettleibigen Ratten und Mäuse waren vergrößert, und ihre Filamente waren zu einer dicken Matte verknotet. Auch die Mikroglia hatte sich vergrößert und vermehrt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass fettleibige Nagetiere an einer milden Form der Hirnverletzung in einem Bereich des Gehirns leiden, der für die Regulierung von Nahrungsaufnahme und Adipositas entscheidend ist.

Und was ist mit Menschen?

Jetzt sind Ratten keine Menschen und weil auch die Wissenschaftler:innen das wissen, wendeten sie sich an Ellen Schur, eine Fettleibigkeitsforscherin, die spezialisiert ist auf MRT-Aufnahmen. Denn wenn das Gehirn verletzt wird, laufen die Astrozyten auf Hochtouren, um den Heilungsprozess zu unterstützen, und bilden schließlich eine Narbe, die noch lange Zeit nach der Verletzung auf einem MRT-Scan sichtbar ist. Wie Narbengewebe, das die Haut bei der Heilung nach einer Schnittwunde bildet.

Die Forscher:innen erwarteten nicht, in dem Hypothalamus von Menschen mit Fettleibigkeit schlaganfallähnliche Veränderungen zu sehen. Aber sie dachten, es lohne sich, nach einer Narbenbildung zu suchen, die sie schon bei Ratten entdeckt hatten. Was sie fanden, nennt die MRT-Spezialistin „beängstigend“.

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