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Gefesselt und leidend

Weshalb eine Rollstuhlfahrerin unzufrieden mit der medialen Berichterstattung über Rollstuhlfaher*innen ist.

Wir alle kennen sie, die nervigen Stereotype, die durch die Medien verbreitet werden. Die dumme, sexy Blondine oder den lustigen, dicken Dauer-Single. Auch Paula sieht sich selbst oft als ein Klischee repräsentiert. Die 23-jährige sitzt seit ihrem dritten Lebensjahr im Rollstuhl. Grund dafür ist eine Spinale Muskelatrophie, eine Erkrankung der Nervenzellen im Rückenmark. Die Art und Weise, wie Rollstuhlfahrer*innen in den Medien dargestellt werden, macht sie wütend. Besonders der Ausdruck „an den Rollstuhl gefesselt“, stimmt sie sauer. Denn „hierdurch wird suggeriert, dass ein Rollstuhl etwas Negatives ist. Mein Rollstuhl ist aber überhaupt nichts Negatives, ganz im Gegenteil. Mein Rollstuhl gibt mir Freiheit, Selbstständigkeit und die Möglichkeit, mein Leben aktiv zu leben.“ Auch „werden oft Wörter wie „leiden“ oder Ähnliches verwendet, wenn über die Behinderung von Personen gesprochen wird. Eine Behinderung bedeutet nicht automatisch Leiden. Das fördert auch wieder die Klischees vom traurigen und schrecklichen Leben von behinderten Menschen.“, erzählt die Studentin.

Schließlich macht Paula viel mehr aus, als ihre Erkrankung. Sie studiert Medienwissenschaft und Anglistik, geht leidenschaftlich gerne auf Konzerte und ja, einkaufen gehen kann sie auch. Letzteres ist eine alltägliche Betätigung, dennoch erlebt Paula immer wieder, wie überrascht die Leute davon sind: „Es wird auch oft gesagt, dass die Personen etwas erreichen oder tun, trotz ihrer Behinderung, wodurch dies als etwas Herausragendes und Seltenes dargestellt wird, als könnte man sowas ja eigentlich als behinderte Person nicht.“

Der jungen Frau fällt auf, dass in den Medien über Menschen im Rollstuhl hauptsächlich diese beiden Rollenbilder vermittelt werden. „Einerseits gibt es die mitleiderregende, hilflose Person, die durch ihren Rollstuhl nur Leid erfährt und quasi gerettet werden muss. Oft gibt es auch die inspirierende Person, die quasi ihre Behinderung überwindet und ein glückliches, erfolgreiches Leben führt. Hier wird dann aber immer wieder betont, wie außergewöhnlich das ist und wenn so jemand das schaffen kann, dann kann jemand, der nicht im Rollstuhl sitzt, das ja erst recht.“ Es kommt häufig vor, dass ihr von Beiträgen über Rollstuhlfahrer*innen berichtet wird, „es wird automatisch davon ausgegangen, dass es mich ja interessieren muss und ich die Person bestimmt auch kennen muss. Generell werden durch die Berichterstattungen die Meinungen vieler Personen bestärkt und viele Personen, nachdem sie etwas im Fernsehen gesehen haben, auf einmal zu Expert*innen die mehr über mein Leben wissen als ich.“

Doch was können Journalist*innen tun, um die Berichterstattung zu verbessern? Paula schlägt vor, „dass Rollstuhlfahrer*innen mehr in verschiedenen Kontexten erwähnt bzw. gezeigt werden, nicht nur in Behinderungskontexten und nicht nur als Inspiration oder Mitleiderreger. Außerdem wäre es wichtig, mehr auf die Personen einzugehen, über die berichtet wird, damit die Berichterstattung realitätsnaher ist, da sehr häufig Berichte im Endresultat nicht dem entsprechen, was die Personen zeigen wollten. Generell würde ich mir eine breitere und vielfältige Berichterstattung wünschen.“

von Svenja Novak