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This is the End

Das Jahresende ist typischerweise die Zeit für kritische Selbstreflektion und das Setzen neuer Ziele. Mir ist Selbstoptimierung jedoch nicht geheuer, deshalb schauen wir uns stattdessen Spiele an und optimieren die. 

Während ich das Jahr über bei Twitter dokumentiert habe, welche Spiele ich durchgespielt habe und ob ich sie empfehle (Öffnet in neuem Fenster), fielen hier und da Spiele runter, die ich zwar gespielt und vielleicht auch genossen habe, aber aus diversen Gründen nie beendete. 

Dumm, aber gut?

Ganz vorne auf diesem anderen Pile of Shame ist Neon White (Öffnet in neuem Fenster). Auf dem Papier klingt es schrecklich, da bin ich ehrlich. Spiele, die auf Geschicklichkeit setzen, frustrieren mich schnell. Gleichzeitig bin ich aber extrem kompetitiv und das zusammen mit Florians Beschreibungen im Lost Levels-Podcast (Öffnet in neuem Fenster) hat mich dann doch überzeugt, dem Anime-Speedrunner eine Chance zu geben. 

Neon White ist ein blitzschneller Ego-Action-Plattformer, der sich jenseits der himmlischen Pforten abspielt. (Steam)

Bereut habe ich es nicht. Ganze 17 Stunden habe ich im Sommer in das Spiel investiert. Versucht Bestenlisten anzuführen und Geheimnisse freizuschalten. Mit Charakteren gebondet und Wege ausgeklügelt. Der Soundtrack ist fantastisch, das Feeling auch. Und dann kam Corona.

Die Krankheit hat mich für zwei Wochen vollkommen aus dem Leben gescheppert. 17 Stunden waren dann doch nicht genug, um Muscle Memory aufzubauen und schwuppdiwupp war jedes Level wieder frustrierend. Das klingt sehr tragisch, ist es natürlich nicht. 

Bleibt aber noch die Frage, wieso ein Spiel, dessen Alleinstellungsmerkmal ich nur mit schwammigen und überstrapazierten Begriffen wie "Flow" beschreiben kann, 2022 Erfolg haben konnte. Die Washington Post (Öffnet in neuem Fenster) versucht es mit "hyperspezifisch" , "dumm" und irgendwie edgelordy zu erklären. Der Guardian (Öffnet in neuem Fenster)argumentiert mit Bestenlisten und Wettbewerb. Am Ende ist es vermutlich die Erbarmungslosigkeit, mit der Neon White manchmal straight up unangenehm ist, kurz bevor es Spielende zwingt sich bis an den Rand der Besessenheit auf das nächste Level zu fokussieren und Höchstleistung zu erbringen. Manche mögen das ja. 

Aus rein subjektiver Sicht hätte ich Neon White folgendermaßen verbessert: 

  • Weniger schlechte Witze

  • Weniger optionale Level oder wenigstens bessere Belohnungen

  • Mehr Bosskämpfe 

  • Glasscheiben komplett löschen

  • Mehr Rutschen

All Corona-Leugner Are Bastards

Ein Spiel, an dem ich nichts auszusetzen habe, das ich aber trotzdem nicht beendet habe, ist Thief (Öffnet in neuem Fenster). Ironischerweise ist eine meiner seltensten Errungenschaften auf Steam aus diesem Spiel, "Sammelzwang (Öffnet in neuem Fenster)".  So viel zum Thema Besessenheit. Geschummelt ist dieser Eintrag leider auch. Ich habe Thief zwei Mal durchgespielt, nur eben dieses dritte Mal nicht. Es kam etwas neues, cooles dazwischen. Wisst ihr, was nicht neu oder cool war? Die Große Pest 1665.

Wahrscheinlich hatte ein Schiff die Pest 1665 nach Südengland gebracht. Im Laufe dieses und des darauffolgenden Jahres starben etwa 100.000 Menschen (Öffnet in neuem Fenster) in London und Umgebung an der Beulen- oder Lungenpest. Um der Epidemie Einhalt zu gebieten, gab es Ausgangssperren und Quarantäne (Öffnet in neuem Fenster). Von den hinterbliebenen Menschen, die die Stadt nicht verlassen konnten, den leeren Straßen, den Massengräbern und zahllosen Listen (Öffnet in neuem Fenster), die die Todesfälle dokumentierten, schrieben Samuel Pepys (Öffnet in neuem Fenster)in seinem Tagebuch und später Daniel Defoe, der zum Ausbruch der Pest erst fünf Jahre alt war. Defoe ist besser bekannt als der Autor des allerersten englischen Romans (Öffnet in neuem Fenster), "Robinson Crusoe". "A Journal of the Plague Year" erschien erst 1722 und ist eine mal mehr, mal weniger fiktive und langatmige Chronik.

In Thief durchstreifen wir als Garrett eine nächtliche Stadt, deren einzig erkennbares Wahrzeichen Big Ben verdächtig ähnlich sieht. Anstelle der Pest grassiert "the gloom", "Schwermut". In Zeitungen lesen wir von Ausgangssperren, die von gewalttätigen Wachen durchgesetzt werden. Ganze Bezirke werden abgesperrt. In den Straßen sind deshalb nur wenige unterwegs. Immer wieder hört man Menschen husten. Zu Beginn sehen wir, wie Karren die Leichen aus der Stadt transportieren.  

Ladebildschirme und Dialoge verdeutlichen das Elend. "Wir hatten allein diese Woche mehr als hundert Tote pro Tag",  ächzt eine Wache beim Verbrennen der Leichen in Level 2. Die Seuche ist im Spiel nur die Grundierung, damit Polizeigewalt, Leid und Korruption so richtig zur Geltung kommen. Die Verzweiflung ist der Nährboden, auf dem die Geschichte des Spiels gedeihen kann und mit der wir als Meisterdieb unser Handeln in der moralischen Grauzone rechtfertigen.

Für Garrett geht es am Ende ganz ok aus, was man von den Londoner:innen leider nicht behaupten konnte. Noch während 1666 Menschen an der Pest starben, wütete im September fünf Tage lang ein Feuer. Was als Unfall in einer Bäckerei (Öffnet in neuem Fenster) begann, zerstörte am Ende 4/5 (Öffnet in neuem Fenster) der City of London bzw. ein Drittel (Öffnet in neuem Fenster) der gesamten Stadt und ging als Großer Brand von London in die Geschichtsbücher ein. 

Meme der Stunde

Weihnachtszeit ist Merry Chrysler-Zeit. Das ikonische Wort-Duo wurde 2015 von Christine Sydelko auf der mittlerweile untergegangenen Erfolgsplattform Vine geteilt. In vier kurzen Aufnahmen spricht sie "Merry Christmas" möglichst falsch aus. Und jedes Jahr zu Weihnachten habe ich einen Ohrwurm davon und sehe #merrychrysler in den Hashtags der Meme-Accounts. 

https://www.youtube.com/watch?v=cK7RCMFkT78&ab_channel=TeamDragon (Öffnet in neuem Fenster)

Direkt daneben prankt traditionell #merrycrisis. Die ersten Erwähnungen (Öffnet in neuem Fenster)  deuten auf Griechenland.  Am 6. Dezember 2008 erschoss in Athen ein Polizist den 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos. Die Tat war der Auslöser für wochenlange Aufstände (Öffnet in neuem Fenster). Innerhalb dieser Zeit sprühte eine unbekannte Person "Merry Christmas and a Happy New Fear" an die Wand der Bank von Griechenland in Athen. Mittlerweile wird der Spruch von unwitzigen Kolumnisten verwendet, von Corona-Leugnern instrumentalisiert oder von Millenials gepostet. Man kann ihn auf Teetassen und Pullovern finden oder als Kunstdruck (Öffnet in neuem Fenster) kaufen. 

In diesem Jahr segnete uns Camila Cabello mit einem Update der weihnachtlichen Memes. Ihre Performance von "I'll be Home for Christmas" im Weißen Haus letztes Jahr ging dank ihres findigen Tweets (Öffnet in neuem Fenster)noch einmal viral:

https://www.youtube.com/watch?v=wQ6F4Mx4ya4&ab_channel=coochiepooshie (Öffnet in neuem Fenster)

Merry Quismois!

Bis bald!

Danke für's Lesen meines Mini-Newsletters. Mich freut jede:r Abonnent:in und ich hoffe, euch freut jede Email. Leitet sie gerne weiter und schreibt mir. 

hdgdl

Christina

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