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#60 Nachts um drei am Nordpol

Unser Ausflug zur Klimakonferenz COP26 nach Glasgow: Meeresbiologin Antje Boetius im Gespräch. Wir kennen nur zehn Prozent des Lebens im Meer – genug, um unmittelbar zu handeln, sagt Antje. Sie berichtet von der Expedition Arktis „MOSAiC“. Antjes Institut hat ihr Schiff, die „Polarstern“, für Monate im Eis des Nordpols einfrieren lassen und Daten für Jahrzehnte der Forschung erhoben. Die Erde ist in Teilen immer noch ein unbekannter Planet. Antjes Credo: Lernen wir sie kennen, unsere Erde. Respektieren und schützen wir sie. 

Jacke, Mütze, Handschuhe an – Podcast nicht vergessen.

Diese Woche in der Zukunft:

Wir gehen in die Arktis, ins ewige Eis. Wobei: Ist das überhaupt noch ewiges Eis? Antje Boetius sagt: Der Wandel des Klimas ist am Nordpol mit bloßem Auge zu erkennen. Das Eis ist nur noch halb so dick und Vielerorts stehen Süßwasser-Seen aus Tauwasser auf den Eisschollen. Antje Boetius ist Meeresbiologin, Professorin an der Universität Bremen und Direktorin des AWI. Das AWI ist das Alfred Wegner Institut, das Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Das Institut hat gerade die größte Nordpolexpedition aller Zeiten abgeschlossen: MOSAiC, die Expedition Arktis. (Öffnet in neuem Fenster)

Antje Boetius hat sich von der Glagower Klimakonferenz zum Podcast dazugeschaltet. Hörbarer Trubel im Hintergrund, ständig eingehende Nachrichten, die Forscherin ist gefragt. MOSAiC ist eine Expedition der außergewöhnlichen Art. Besetzt mit zahllosen Forscher:innen nimmt die „Polarstern“ von Sibirien aus Kurs nach Norden. In einer geeigneten Eisscholle lässt die Crew das Schiff einfrieren, drum herum eine Forschungsstation aufs Eis gebaut – und dann heißt es abwarten. Mit der Drift treibt die Polarstern quer durch den Nordpol und kommt nach Monaten auf der anderen Seite in Grönland wieder heraus. Zwischendurch haben unterschiedlichste Forscher:innen das Eis, die Atmosphäre und das Meer kilometerweit unter dem Nordpol erforscht, kehren zurück mit Daten für Jahrzehnte der Forschungsarbeit.

Was Antje heute schon betont: Der Nordpol ist warm, in der Spitze rund zehn Grad wärmer als bei der vorigen Expedition vor 125 Jahren gemessen. Zum Vergleich: Politik und Wissenschaft ringen auf der COP26 in Glasgow um einzelne Zehntel-Grade zwischen 1,5 und 2 Grad Erwärmung der Erdatmosphäre gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. Der Nordpol ist heute schon zehn Grad wärmer. Antje sagt: Wir wissen furchtbar viel noch nicht. Die Vielfalt des Lebens im Meer haben wir bislang wohl erst zu 10% kennengelernt, die Welt der Mikroorganismen im Meer erst zu 1% - aber wissen genug, um sofort zu handeln und eine weitere Erderwärmung weitest möglich auszuschließen.

Wissen wird entscheidend sein. Wir brauchen Forschung, Wissen, Erkenntnis – sowohl um eine weitere Erdwärmung zu verlangsamen, als auch um uns anzupassen. Anzupassen an grundlegend veränderte Lebensumstände, an eine Welt, in der wir stets und immer wieder von klimatisch ausgelösten Ereignissen überrascht werden. Antje Boetius streitet dafür, dieses Wissen schneller an Entscheider:innen zu bringen, aber eben auch an Bürger:innen. Wir alle, so die Meeresbiologin, werden lernen müssen, mit völlig neuen Zeithorizonten umzugehen. Antje arbeitet mit Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Autor:innen zusammen, um hier voran zu kommen.

Der Gast in dieser Woche:

Antje Boetius, Meeresbiologin, Professorin (Öffnet in neuem Fenster) an der Universität Bremen, Direktorin (Öffnet in neuem Fenster) des Alfred Wegner Instituts, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (Öffnet in neuem Fenster).

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