Drei Bücher, ein Thema: Winter
Ach, der Winter. Würden wir ihn malen, wäre er natürlich weiß. Schnee vor der Haustür, Eis auf den Seen, Glitzer in den Bäumen - davon ist derzeit weit und breit nichts zu sehen. Aber das ist das Großartige an Büchern im Allgemeinen und Kinderbüchern im Besonderen: Schlag sie auf und du befindest dich in einer anderen Welt. In einer weißen zum Beispiel. Drei Vorschläge für einen Wintertraum.
Astrid Lindgren: Tomte Tummetott
In einer kalten schwedischen Winternacht wacht der Wichtel Tomte Tummetott über seinen Hof. Keiner der Bewohnerinnen und Bewohner hat ihn jemals gesehen, aber alle wissen, dass es ihn gibt, denn er hinterlässt kleine Wichtelfußspuren im Schnee.
Tomte besucht die Kühe und das Pferd, die Schafe, die Hühner und den Hund. Und allen flüstert er beruhigend zu: Bald wird der Winter vorbei sein. Auch die Menschen besucht er, sie schlafen tief und werden ihn auch diese Nacht nicht zu Gesicht bekommen.
Die kurze Geschichte von Astrid Lindgren ist atmosphärisch und sanft wie eine stille Winternacht. Die Wiederholungen im Text erzeugen beim Vorlesen eine so beruhigende und geborgene Stimmung, dass man sich wünscht, auch einen Tomte auf dem Heuboden zu haben (oder auch anderswo, mangels Heuboden). Die ganzseitigen, schneereichen Illustrationen von Harald Wiberg machen die Winterstimmung perfekt. Die Reproduktionen in der Neuausgabe wirken etwas verwaschen oder zu stark vergrößert, aber das macht nichts - sie sind immerhin schon mehr als 60 Jahre alt und haben schon die Originalausgabe aus dem Jahr 1960 geschmückt.
Ein Klassiker für alle, die Astrid Lindgren lieben und von skandinavischen Winternächten träumen (dick eingepackt, natürlich).
Oetinger Verlag, ab 4 Jahren, 15 Euro
Tilde Michels / Reinhard Michl: Es klopft bei Wanja in der Nacht
Wanja wohnt in einer Hütte am Waldrand, "weit fort in einem kalten Land". Die Hütte versinkt fast im Schnee und die Eiszapfen vom Dach berühren beinahe den Boden, aber in der Stube hat es Wanja an seinem Ofen behaglich warm. In einer stürmischen Winternacht klopft es plötzlich an der Tür. Ein Hase hockt davor, "der schreit und jammert kläglich: Ich friere so unsäglich!" Der gutmütige Wanja lässt den Hasen in seiner Stube übernachten. Doch der bleibt nicht der einzige Gast in dieser Nacht: Es klopfen noch ein Fuchs und ein Bär. Kann das gut gehen? Alle versprechen, niemanden aufzufressen, dürfen bleiben - und schleichen sich am frühen Morgen wieder aus dem Haus, bevor es sich der jeweilige Feind noch anders überlegt. Als Wanja erwacht, ist er wieder allein in der Hütte und glaubt, er habe geträumt - freut sich dann aber über die friedliche Nacht: "Was so ein Schneesturm alles macht!"
In diesem Klassiker geht es natürlich nicht in erster Linie um den Winter, sondern um Toleranz und ein friedliches Miteinander. Ein immer aktuell gebliebenes Buch mit freundlich-realistischen Illustrationen, für die Reinhard Michl, inzwischen 74 Jahre alt, so bekannt ist. Der Text ist wunderbar gereimt und deshalb auch zum Vorlesen ein Genuss.
Ellermann Verlag, ab 4 Jahren, je nach Ausgabe zwischen 8 und 18 Euro
Thomas Müller: Schneehuhn, Reh und Haselmaus - Tiere im Winter
Während wir Menschen uns im Winter nach drinnen verziehen, um es gemütlich und hoffentlich auch warm zu haben, müssen die Tiere sehen, wie sie draußen zurechtkommen. Jedes Tier hat seine eigene Strategie: Manchen wächst ein dickes Fell, andere verpennen oder verdösen die kalte Zeit und wer kann, zieht in wärmere Gegenden. Thomas Müller stellt viele heimische Tiere vor und beschreibt, wie sie über den Winter kommen. Dabei erfährt man allerlei Interessantes: Luchse wurden früher hauptsächlich wegen ihres Winterfells gejagt. Tiere, die sich viel im Wasser aufhalten - etwa der Fischotter - bekommen kein Winterfell, weil sie das ganze Jahr über eine Kälte-Schutzschicht brauchen. Einige Insekten haben eine Art Frostschutzmittel im Blut. Und Weinbergschnecken scheiden vor dem Winter überflüssiges Wasser aus - was nicht da ist, kann auch nicht gefrieren. Den Abschluss bildet ein Kapitel mit Tipps, was wir für die Tiere im Winter tun können.
Die Illustrationen sind klar und wunderschön, das große Format lädt zum Blättern und Schauen ein. Leider ist der Text für die Altersgruppe - der Verlag empfiehlt das Buch ab 6 Jahren - zu wenig kindgerecht geschrieben. Sätze wie "[Tiere] können durch den anhaltenden Energieverlust in lebensbedrohliche Situationen geraten" hätte man einfacher formulieren können. Ich empfehle das Buch trotzdem - aber eher für tierbegeisterte Kinder ab 8 oder 10 Jahren.
Gerstenberg Verlag, ab 8 Jahren (laut Verlag ab 6 Jahren), 16,95 Euro.
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