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Lieber Kai,

Vielen Dank für deinen Brief und das schöne Video von Katharina van Bronswijk. Es geht nicht komplett in die gleiche Richtung, aber ich habe letztens auch ein Interview mit dem Psychologen Paul Bloom gehört, wo es um den Weg zu einem guten Leben geht (Öffnet in neuem Fenster).

Weißt du noch, als ich dir vor ein paar Wochen, zwischen den Jahren, verschiedene Serienempfehlungen gegeben habe? Diese habe ich zwar nicht alle durch, aber dennoch verbringe ich gerade einigermaßen viel Zeit mit anderen Filmen, Büchern, Podcasts. Ich verschwinde gerade immer mehr in fremde Erzählwelten und versuche mich vom Alltagsgeschehen eher fern zu halten.

Denn ehrlich, Kai: Das werden noch ein paar harte Monate. Ich meine damit nicht nur Corona (inkl. sich schnell änderndem Regelwerk (Öffnet in neuem Fenster)), sondern auch alles, was mit diesem Herren hier zutun hat.

Kommt es zum Einmarsch Russlands? Kommt es zum offenen Krieg gegen Ukraine? Das Szenario scheint alles Andere als ausgeschlossen. Dabei ist der wahrscheinlichere Fall, dass es so weitergeht, wie bisher. Denn eigentlich tobt bereits schon seit Längerem ein Krieg zwischen Russland und Ukraine, er ist nur nicht so ganz sichtbar westlich der Oder.
Wenn du dazu mehr wissen willst, kann ich dir diese Doku empfehlen. 

https://www.arte.tv/de/videos/098816-001-A/krieg-in-europa-das-ukraine-drama-1-2/ (Öffnet in neuem Fenster)

Die nicht enden wollende Pandemie, ein möglicher Krieg am Rande Europas. Reicht das nicht schon an schlechten Neuigkeiten? Tut es. Aber es geht munter weiter: Die Weltwirtschaft hinkt auf der Stelle, die Börsen taumeln in Richtung Krise, die Inflation ist in jedem Portmonnaie, das noch selbst den Weg in die Supermärkte geht, spürbar. Und wer gerade einen neuen Strom- oder Gasvertrag abschließen will, der muss sich schon die Augen reiben. Mein Abschlag hat sich beispielsweise verdreifacht, innerhalb eines Jahres, ohne, dass ich mehr geheizt habe. Irre Zeiten. 

Mein Kampf gegen die hohen Gaspreise führe ich mit einem dicken Wollpulli und Hauspantoffeln. Das ist ein guter erster Schritt für mich, damit kann ich leben. Aber wie ergeht es so vielen anderen Menschen da draußen? Es sind schwierige Zeiten. Und da wir ja in anderthalb Monaten Lockdowngeburtstag feiern, scheint eine frühere Wirklichkeit mit weniger greifbaren gesellschaftlichen Sorgen schon ziemlich fern. 

Dein Brief hatte die Überschrift "Jeder hat Recht im eigenen Angst- und Denksystem." Das sehe ich auch so. Und auch die Offenheit, die du beschreibst, wie man anderen Personen begegnen sollte, halte ich für fundamental für das gegenseitige Verständnis. Nicht nur bezogen auf Impfungen, sondern genauso interkulturell, interreligiös, inter-alles.

Der Weg zu den gemeinsamen Wahrheiten wieder zu finden, ist der Schwierige, ja, und die Frage ist, wie weit man sich in einen Denkprozess durcharbeiten muss, um zu einer gemeinsamen Realität zu kommen. Kennst du Jordan Klepper?

https://www.youtube.com/watch?v=YVDJqipoohc (Öffnet in neuem Fenster)

Man mag über politische Comedyshows halten, was man möchte (dazu werde ich etwas in einem späteren Brief schreiben müssen), aber finde ich bei seinen Beiträgen für die Daily Show die Balance zwischen Zuhören und kritischen Gegenfragen recht bemerkenswert (wo natürlich auch ein guter Clipschnitt hilft, keine Frage). Denn was wir beim Zuhören auch nicht vergessen dürfen, ist es, wie wir auch einen Weg finden über die Unterschiede deutlich zu sprechen.

Diese Woche wurde ein Entwurf für eine Rede von Trump veröffentlicht, die er so am 7. Januar 2021 halten sollte. Die Rede trägt den Namen "Remarks on National Healing". (Öffnet in neuem Fenster). In dieser verurteilt Trump die Geschehnisse vom 6. Januar. Du willst einen Auszug?

“Like all Americans, I was outraged and sickened by the violence, lawlessness and mayhem. (...) The Demonstrators who infiltrated the Capitol have defiled the seat of  American Democracy. I am directing the Department of Justice to ensure all lawbreakers are prosecuted to the fullest  extent of the law.

Und die Rede geht sogar so weit, die Demonstrierenden direkt zu adressieren.

To those who engaged in acts of violence and destruction, I want to be very clear:  you do not represent me. You do not represent our movement. You do not  represent our country. And if you broke the law, you belong in jail.

Wenig später sagt er auch einen ganz entscheidenden Satz: "The election fight is over." Im Grunde genommen lässt sich damit die Rede auch ganz gut zusammenfassen: Es ist vorbei. Heute aber sind wir weit davon entfernt, dass es vorbei ist.
Das Überraschende am obigen Text: Die Rede, die Donald Trump am 7. Januar dann stattdessen hielt, besaß zwar nicht die gleiche Klarheit, wie wir sie hier sehen. In vielen Teilen glich sie sich jedoch. Ein Weg in Richtung einer Wahrheit, zumindest, was den 6. Januar angeht, war also sogar denkbar, war sogar auf dem Weg. Übrig geblieben ist davon aber nichts.

Tief eingetaucht in die Serien- und Filmwelt habe ich auch den Film Don't Look Up gesehen, indem Wissenschaftler:innen vor dem Untergang der Welt warnen (nein, nicht aufgrund des Klimawandels, sondern aufgrund eines Meteroiten). 

https://www.youtube.com/watch?v=RbIxYm3mKzI (Öffnet in neuem Fenster)

Von der Kritik wurde der Film ziemlich schlecht besprochen. Da kann ich mich aber nicht einreihen. Es ist leider alles realistischer, als es sein sollte...

Gestern war ich mit einer Freundin spazieren. Wir liefen durch die Straßen, saßen in der Sonne bei einem Café, trafen zufällig andere Freunde. Es war ein schöner Wintertag in Berlin-Kreuzberg.  Ein Tag, der Lust auf mehr gemacht hat. Mehr Bewegung, mehr Begegnung. Auf schöneres Wetter, auf mehr draußen.

Auch dieser Winter geht vorbei und damit auch andere Zeiten. Das Problem nur: Auch, wenn die Pandemie damit eventuell bald mal wieder eine kleine Sommerpause einlegt, bleiben die meisten Probleme der jetzigen Zeit dennoch erhalten. Wie werden wir sie bloß alle los? Es ist langsam ein wenig zu unübersichtlich für mich. In den Büchern, die ich lese, in den Filmen, die ich sehe, bleibt aber trotz aller Hürden, Probleme und Ausgänge am Ende zumindest die berühmte Moral von der Geschicht.
Gibt es die im echten Leben auch? Ich zweifle zunehmend. 

Liebe Grüße

Sven

https://www.youtube.com/watch?v=-DusRnF36UA (Öffnet in neuem Fenster)

(Bon Iver - AUATC)

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