Bulimie aus Systemischer Perspektive: Kann Intuitiv Essen hilfreich sein?
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Liebe Leserin,
es ist Freitagmorgen und Sie lesen den Info-Letter zu Systemischer Therapie bei belastetem Essverhalten von mir, Nora Stankewitz, Systemischer Therapeutin und Beraterin für Intuitiv Essen lernen.
Heute:
✔ Ihre Fragen im Fokus - Auftakt: Systemische Therapie und Intuitives Essverhalten bei bulimischen Symptomen
✔ Beratungsangebote: Freie Plätze ab Juli
Im letzten Info-Letter habe ich diese neue Reihe "Ihre Fragen, meine Antworten" angekündigt – eine Rubrik, in der ich in den nächsten Ausgaben auf Ihre individuellen Anliegen ausführlicher eingehen möchte.
Sie sind herzlich eingeladen, auch Ihre Frage einfach per Antwort auf diese Mail einzuschicken.
#1 – Eine Leserinnenfrage zu Beginn unserer neuen Reihe
"Liebe Frau Stankewitz, ich kämpfe seit Jahren mit meiner Bulimie. Trotz mehrerer Therapieversuche schaffe ich es nicht, dauerhaft davon loszukommen. Immer wenn ich Stress habe oder mich überfordert fühle, verfalle ich wieder in das Muster aus Essen und Erbrechen. Was genau steckt aus systemischer Sicht dahinter und wie kann intuitives Essen mir helfen, wenn ich die Kontrolle so oft verliere? Ist Intuitive Ernährung bei Bulimie überhaupt empfehlenswert?" – Maria, 29 (anonymisiert)
#3 – Meine Antwort: Bulimisches Verhalten aus systemischer Sicht
Liebe Maria, ich danke Ihnen für Ihre mutige und offene Frage. Bulimisches Verhalten ist komplex und hat tiefe Wurzeln, die weit über das reine Essverhalten hinausreichen.
Bulimie als Lösungsversuch
Aus systemischer Perspektive verstehen wir bulimisches Verhalten nicht primär als Krankheit oder persönliches Versagen, sondern als einen Lösungsversuch. So paradox es klingen mag: Das Ess-Brech-Verhalten hat (oder hatte einmal) eine wichtige Funktion in Ihrem Leben.
Es kann beispielsweise sein, dass diese Verhaltensweise einmal eine Strategie war, um mit emotionalem Stress, familiärem Druck oder unausgesprochenen Beziehungskonflikten umzugehen. Das "Sich-Überessen" kann kurzfristig emotionale Erleichterung bringen, während das anschließende Erbrechen ein Gefühl von Kontrolle vermittelt – eine Dynamik, die sich verselbstständigen kann.
Familiäre und systemische Muster
In der systemischen Therapie schauen wir uns auch familiäre Strukturen, Beziehungsregeln und Kommunikationsmuster an. Häufig beobachten wir bei Menschen mit bulimischem Verhalten:
Familiensysteme, in denen es schwierig ist, eigene Bedürfnisse zu äußern oder Autonomie zu entwickeln
Beziehungsdynamiken, die zwischen überfürsorglich und kontrollierend schwanken können
Diffuse oder zu enge Beziehungsgrenzen, die es erschweren, ein gesundes Selbst zu entwickeln
Das bulimische Verhalten kann in diesem Kontext verschiedene Funktionen erfüllen:
Es kann Aufmerksamkeit auf unerfüllte Bedürfnisse lenken
Es kann als "Stimme" dienen, wenn direkte Kommunikation schwierig ist
Es kann eine Form der Kontrolle in einem ansonsten als unkontrollierbar erlebten Leben sein
Der Weg zum intuitiven Essen bei bulimischem Verhalten
Die Prinzipien des intuitiven Essens können tatsächlich eine wichtige Rolle auf dem Weg aus bulimischem Verhalten spielen, doch der Prozess braucht besondere Sorgfalt und häufig professionelle Begleitung.
Kleine Schritte zur Körperwahrnehmung
Bulimisches Verhalten geht mit einer starken Entkopplung von Körpersignalen einher. Ein erster Schritt kann sein, wieder zu lernen, physischen Hunger wahrzunehmen – ohne sofort darauf reagieren zu müssen. Dies geschieht in sehr kleinen, sicheren Schritten.Die Angst vor dem Kontrollverlust verstehen
Menschen mit bulimischem Verhalten fürchten oft, dass sie ohne ihre Verhaltensweise "niemals aufhören könnten zu essen". Diese Angst hat einen Ursprung und eine Geschichte, die verstanden werden will.Emotionsregulation jenseits des Essens entwickeln
Ein zentraler Aspekt ist, alternative Strategien zur Emotionsregulation zu entdecken. Was könnte in Momenten von Stress oder Überforderung helfen, außer dem gewohnten Muster?
Der Weg vom bulimischen Verhalten zum intuitiven Essen ist kein linearer Prozess. Es geht nicht darum, von heute auf morgen "alles richtig zu machen", sondern darum, mit Mitgefühl und Geduld neue Wege zu erkunden.
Meine Ausbilderinnen haben es auf diese Weise – wie ich finde – sehr schön formuliert: "Heilung geschieht nicht in einer geraden Linie. Sie ist ein spiralförmiger Pfad, auf dem wir manchmal scheinbar an den gleichen Punkt zurückkehren – doch mit jedem Umlauf haben wir ein tieferes Verständnis und neue Ressourcen gewonnen."
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinem Blick, passende Impulse schenken.
#4 – Senden Sie mir Ihre Fragen
Haben auch Sie eine Frage zum Thema belastetes Essverhalten, intuitives Essen oder Körperakzeptanz? Ich lade Sie herzlich ein, mir zu schreiben.
Das können ganz konkrete Alltagsfragen sein:
"Wie gehe ich mit dem Heißhunger am Abend um?"
"Wie bleibe ich bei Familienfeiern bei meinem Weg des intuitiven Essens?"
Oder tiefergehende Themen:
"Wie kann ich aufhören, meinen Körper ständig mit anderen zu vergleichen?"
"Wie gehe ich mit der Angst um, die Kontrolle zu verlieren, wenn ich keine Regeln mehr befolge?"
#5 – Aktuelle Beratungsangebote
Einzelberatung und Paarberatung: Ab Juli habe ich wieder freie Plätze für Einzel- und Paarberatungen. Wenn Sie Interesse an einer individuellen Begleitung haben oder gemeinsam mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin an Ihrem Essverhalten und den damit verbundenen Beziehungsthemen arbeiten möchten, kontaktieren Sie mich gerne für weitere Informationen oder zur Terminvereinbarung.
Ich wünsche Ihnen ein achtsames Wochenende mit kleinen Momenten der Selbstfürsorge.
Herzlich und bis bald,
Ihre
Nora Stankewitz
System-, Paar- und Familientherapeutin (DGSF)
Intuitiv Eating Counselor
P.S.: In der nächsten Ausgabe geht es darum, Gefühle von Traurigkeit und Einsamkeit zu bewältigen ohne den Einsatz von Essen.