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Gibt es Kommunikationsstörungen? Die ganze Wahrheit

Du interessierst Dich für Dich selbst und Deine Beziehungen. Deshalb liest Du diesen Artikel bei »Aufklärung tut Not«. Störungen in unserer Kommunikation zu erkennen und an ihrer Beseitigung zu arbeiten, ist in einer Beziehung oberstes Gebot.

Kommunikationsstörungen gibt es in eurer Beziehung nicht. Sie sind nicht einfach da. Wenn ihr eure Gespräche anhand erlernten Verhaltens führt, erzeugt ihr diese vielmehr. Für die Bewältigung unserer Alltagsaufgaben ist eine eher sachbezogene Kommunikation meistens recht gut geeignet. Bei Konflikten ist sie hingegen nicht hilfreich. In eurer Partnerschaft oder Ehe solltet ihr dann auch über eure Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen sprechen.

Inwiefern ihr Kommunikationsstörungen selbst ‘herauf beschwört’, erfahrt ihr in meinem Artikel zum Thema Kommunikationsstörungen.

Ich habe mich auch gefragt, ob es einen Unterschied zwischen Kommunikationsproblemen und Kommunikationsstörungen gibt. Selbstverständlich findet auch das 4 Ohren Modell von Friedemann Schulz von Thun (Öffnet in neuem Fenster) seine Berücksichtigung.

Gibt es Kommunikationsstörungen wirklich?

Die Frage ist also nicht, ob es Kommunikationsstörungen gibt. Es stellt sich die Frage, warum und wie Kommunikationsstörungen sich in eurer Kommunikation sozusagen breit machen.

Damit möchte ich darauf nochmals hinweisen, dass sie nicht per se existieren. Kommunikationsstörungen hängen an euren persönlichen Erfahrungen und euren auf ihnen basierenden Entscheidungen. Ihr gestaltet eure Kommunikation anhand eurer Entscheidungen. Dann kann es sein, dass ihr Kommunikationsstörungen selbst verursacht.

Ich gehe gleich auf das Verhalten als Sender und Empfänger bezogen auf Kommunikationsstörungen näher ein. Doch vorher möchte ich Grundsätzliches nicht unerwähnt lassen.

Es gibt Kommunikationsstörungen von außen

Nicht jedes unserer Gespräche hat für die Entwicklung unserer Partnerschaft oder Ehe eine entscheidende Bedeutung. Eure Kommunikation miteinander wird für eure Partnerschaft oder Ehe ein wesentlicher Faktor, wenn:

  • ihr unangenehme Gefühle erlebt

  • eure Bedürfnisse oder Wünsche keine Beachtung finden

  • eure Grenze(n) überschritten wurde(n)

An meiner Umfrage zu Beziehungsproblemen und Kommunikation haben bisher 11 meiner Leser teilgenommen. Alle haben angegeben, dass die Kommunikation in ihrer Partnerschaft oder Ehe eine Rolle spielt. 50% halten ihre Kommunikation für hauptverantwortlich.

Natürlich gibt es auch Kommunikationsstörungen von ‘außen’. Ein unvorgesehener Anruf, den ihr annehmt. Ein überraschender Besuch. Eure Töchter und Söhne, die Aufmerksamkeit einfordern. Ein offenes Fenster. Die Musik aus einem Radio.

Kommunikationsstörungen gibt es oder besser gesagt ergeben sich selbstverständlich auch, wenn Gesprächspartner unterschiedliche Sprachen (Deutsch, Englisch, Französich etc.) sprechen.

Doch mit Kommunikationsstörungen verbinde ich etwas anderes.

Als Sender für Kommunikationsstörungen verantwortlich sein

Wir sprechen unsere(n) Partner(in) oder Ehemann/frau an, damit sie mit uns in ein Gespräch eintreten.

Als Erwachsene sollten wir uns im Vorfeld über dreierlei im klaren sein:

  • Welche(s) Gefühle haben wir?

  • Welche Motivation ergibt sich?

  • Welches Ziel verfolgen wir?

Denn nur dann stehen die Chancen gut, dass wir eine klare Botschaft senden. Somit ermöglichen wir unserem Empfänger, also unsere(m) Partner(in) oder Ehemann/frau, diese leicht aufzunehmen.

Doch was ist, wenn uns der Zugriff auf unsere Gefühle verwehrt ist? Oder was ist, wenn wir gar nicht als Erwachsener dieses Gespräch eröffnen? Dann legen wir eventuell bereits durch unsere Gesprächseröffnung den Grundstein für Kommunikationsstörungen. Anders formuliert lauft ihr Gefahr, dass ihr nicht nur Kommunikationsprobleme bewältigen müsst, sondern dies euch bereits gemeinsam nicht mehr gelingt.

Als Empfänger für Kommunikationsstörungen verantwortlich sein

Unser Sender wird auf unsere Nachricht (hoffentlich) reagieren. Er sendet uns seinerseits eine Nachricht, indem er uns antwortet. Unser Empfänger wird zum Sender einer neuen Nachricht.

Als Empfänger sollte es uns erst einmal gelingen, dass Gesagte zu hören. Anschließend müssen wir die Nachricht in Windeseile in seine Einzelteile zu zerlegen. Dafür stehen uns vermeintlich nur wenige Sekunden zur Verfügung. Doch was ist, wenn wir Einzelteile selbst konstruieren? Wenn wir Ebenen der Nachricht andichten, die eher nicht vorhanden sind?

Dann können wir damit richtig liegen. Doch die Realität sieht oft anders aus. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Die Chance, mit den selbst konstruierten Botschaften auf Empfängerseite richtig zu liegen, nimmt ab, je mehr wir nicht über Alltagsaspekte, sondern über uns selbst sprechen (sollten).

Die größte Herausforderung ist, zu erkennen, ob und wann wir aneinander vorbei reden!

Beispiele für vermeintliche Kommunikationsstörungen im Alltag

Im folgenden möchte ich euch einige Beispiele für vermeintliche Kommunikationsstörungen im Alltag geben.

Hast Du den Müll runter gebracht?

Zu unserem Alltag gehört, dass wir mehr oder weniger viel Müll produzieren. Irgendwann ist der Mülleimer in unserer Küche voll. Und dann muss er in die große Mülltonne im Keller oder vor dem Haus.

Nach einer Bitte seitens der Partnerin, den Müll runter zu bringen, konnte sich der Partner bisher nicht dazu ‘durchringen’, dies auch zu tun. Seine Partnerin möchte etwas später wissen, ob der Müll entsorgt ist. Also fragt sie ihren Partner:

Hast Du den Müll runter gebracht?

Der Partner wird ärgerlich und reagiert mit den Worten:

Ich mach das schon noch!”

Die Partnerin versteht die heftige Reaktion nicht und mahnt ihren Partner, freundlicher zu sein, weil sie doch nur eine ganz normale Frage gestellt hat.

Ihr könnt euch vorstellen, dass es nun bereits für beide schwierig sein kann, das Gespräch in einer angenehmen Weise fortzuführen. Doch warum handelt es sich hier bereits um eine Kommunikationsstörung?

Eine Kommunikationsstörung liegt hier aus meiner Sicht vor, wenn die Mittel unserer Sprache nicht funktionieren. Die Partnerin wählt als Mittel oder Form für ihre Kommunikation eine Frage.

Eine Frage ist das Mittel der Wahl, wenn wir überprüfbare Informationen einholen wollen. Sie möchte also von ihrem Partner wissen, ob er den Müll bereits runter gebracht hat. Entweder er hat oder er hat nicht. Also müsste er entweder mit

Ja, habe ich gemacht”

oder mit

Nein

antworten. Doch das macht er nicht. Er entscheidet sich dagegen. Doch warum kommt die Intention der Fragenden beim Empfänger offenbar gestört an? Warum antwortet der Partner nicht einfach auf die Frage?

Ist die Frage das richtige Mittel?

Es kann durchaus sein, dass eine Frage nicht das richtige Mittel war. Vielleicht hätte die Senderin doch eine andere Form der Ansprache finden müssen.

Eine andere aktive Möglichkeit wäre, selbst nachzuschauen. Damit könnte sie klären, ob ihr Partner den Müll bereits entsorgt hat.

Leider gibt es für diese Beispielsituation unzählige Voraussetzungen, die eine Rolle spielen könnten.

Kommunikationsstörungen bei Fragen

Partner bringt den Müll selten raus

Eine Voraussetzung könnte sein, dass der Partner sich insgesamt wenig um den Müll kümmert. Seine Partnerin hat ihn deshalb gebeten, das an diesem Tag zu übernehmen.

Sie könnte dann berechtigte Zweifel haben, dass ihr Partner ihrer Bitte nachkommt.

Variante A

Sie hat ihren Partner gebeten, den Müll sofort runter zu bringen. Eine halbe Stunde später halten sie sich im Wohnzimmer auf. Ihr fällt der Müll ein und sie fragt ihn.

Eine Frage ist keine Nachricht im eigentlichen Sinne. Vielleicht kommt beim Partner dennoch eine Botschaft an.

“Ich habe Dich gebeten, den Müll runter zu bringen” (Sachebene)

“Mich stört der Müll” (Selbstoffenbarungsebene)

“Denke an den Müll!” (Appellebene)

“Ich vertraue Dir nicht” (Beziehungsebene)

Erinnerung an den Müll

Sollte der Partner auf den 4 Ebenen trotz Frage eine Botschaft hören, dann ist er grundsätzlich geneigt, zu interpretieren. Auf der Sachebene, der Selbstoffenbarungsebene und der Appellebene wird er an den Müll erinnert.

Auf der Beziehungsebene hört er vielleich sogar, dass seine Partnerin ihm bezüglich der Müllentsorgung nicht vertraut oder ihm nicht viel zutraut.

Die Frage erinnert ihn so oder so zumindest daran, dass er den Müll noch nicht entsorgt hat. Das Thema Müllentsorgung ist für beide ein Reizthema. Die Frage löst bei ihm eventuell Gefühle aus, die er allerdings nicht wahrnimmt. Wenn er zugesagt hat, den Müll sofort nach unten oder vor’s Haus zu bringen, dann könnte er frustriert sein; oder verunsichert, da seine Partnerin ihn (wieder einmal) »ertappt« hat. Welches Gefühl sich auch immer einstellen könnte, benennt er es mit seiner Reaktion nicht.

Variante B

Sie hat ihn ohne konkrete Zeitangabe gebeten. Tatsächlich stellt sie ihre Frage aus reinem Interesse. Seine Reaktion wird umso weniger nachvollziehbar, denn eine Frage läßt sich grundsätzlich leicht beantworten.

Vielleicht wollte er auch nicht angesprochen werden. Oder er wünschte sich alles Erdenkliche von seiner Partnerin, nur nicht die Erinnerung an den Müll. Das beleibt wie alles andere auch reine Spekulation.

Der Partner könnte die Frage grundsätzlich beantworten. Er entscheidet sich dagegen. Werden Fragen nach Informationen in einer Beziehung grundsätzlich nicht oder nur selten beantwortet, scheitert die Kommunikation schnell bereits daran, Informationen auszutauschen.

Dann könnt ihr bereits Kommunikationsstörungen produziert haben. Wenn wir eine Frage als Nachricht mit Botschaften interpretieren, ist unsere Kommunikation sehr wahrscheinlich gestört. Eine Frage enthält neben dem Interesse für einen Sachstand keine weiteren Botschaften.

Komunikationsstörungen bei Nachrichten auf der Sachebene

Meine Freundin meldet sich gar nicht

Ein Paar sitzt gemeinsam im Esszimmer. Während sie ihr Abendessen genießen, sagt die Dame zu ihrem Partner:

“Meine Freundin meldet sich gar nicht”

Der Partner kaut zu Ende und sagt nach kurzer Zeit:

“Vielleicht ist sie zu beschäftigt”

Seine Partnerin ist irritiert und fragt:

Woher willst Du das denn wissen?

Bei Kommunikationsstörungen merken beide nicht, daß sie bereits jetzt aneinander vorbei reden. Dies unterscheidet meines Erachtens ein Kommunikationsproblem von einer Kommunikationsstörung. Beide Seiten begeben sich durch ihr Verhalten als Sender und als Empfänger in eine schlechte Kommunikation. Sie reden bereits nach 3 Sätzen massivst aneinander vorbei.

Kommunikationsstörungen durch Interpretation nach dem 4 Ohren Modell

Doch wie kommt es zu diesen Kommunikationsstörungen? Nach dem 4 Ohren Modell hat eine Nachricht (Aussage) immer 4 Botschaften. Und zwar jeweils eine auf den Ebenen Sachebene, Selbstoffenbarungsebene, Appellebene und Beziehungsebene. Der Partner verhält sich entsprechend. Er interpretiert die Nachricht seiner Partnerin. Folgendes könnte er auf den Ebenen gehört haben.

Auf der Sachebene

“Die Freundin meldet sich nicht”

Auf der Selbstoffenbarungsebene

“Ich vermisse meine Freundin”

Auf der Appellebene

“Sag mir, warum sich meine Freundin nicht meldet”

Auf der Beziehungsebene

“Ich möchte, dass Du mich tröstet”

Vielleicht ist es euch aufgefallen. Ich schrieb, er könnte gehört haben.

Ich selbst habe mir die möglichen Botschaften für die Ebenen ausgedacht. Die Interpretationen sind nichts anderes als konstruiert. Sie entstehen durch unser Denken. In diesem Beispiel und im obigen Beispiel durch mein Denken. Dieses Denken machen wir in der Realität rasend schnell. Dadurch nehmen wir die Botschaften als tatsächlich gesendet an. Dies gilt auch für unsere realen Gespräche. Dieses Beispiel bildet somit das wesentliche Problem ab.

Der Partner interpretiert. Der Partner reagiert auf die vermeintliche Botschaft auf der Appellebene. Er liefert eine vermeintliche Erklärung, warum sich ihre Freundin nicht meldet.

Er hat indes falsch interpretiert. Die Folge ist ein Missverständnis. Denn seine Partnerin hat die Botschaft auf der Appellebene nicht gesendet.

Ihre Nachricht erfüllt sprachlich nicht den Anspruch an einen Appell. Sie sendet eine Sachinformation. Warum, bleibt wie auch oft in wirklichen Gesprächen unklar. Somit tragen beide ihren Teil zu ihren Kommunikationsstörungen bei.

Ich Zustände und Kommunikationsstörungen

Es gibt noch einen weiteren wesentlichen Aspekt hinsichtlich der »Existenz« von Kommunikationsstörungen. Wenn wir miteinander sprechen, befinden wir uns in einem Ich-Zustand. Laut Transaktionsanalyse können wir 3 verschiedene Ich-Zustände einnehmen. Es gibt das Kindheits Ich, das Eltern Ich und das Erwachsenen Ich.

Kommunikationsstörungen werden eure Kommunikation beeinträchtigen, wenn ihr euch eurer Ich-Zustände nicht bewußt seid oder werdet und dadurch Überkreuz Transaktionen eure Gespräche dominieren. Doch die Kommunikationsstörungen erzeugt ihr selbst, wenn ihr euch unmerklich in unterschiedlichen Ich-Zuständen befindet.

Kommunikationsstörungen gibt es nicht, sondern wir produzieren sie selbst

Kommunikationsstörungen sind meines Erachtens nichts anderes als Kommunikationsprobleme. Der Begriff Störung mutet als etwas an, das von außen kommt. Ein Paar oder Ehepaar produziert Kommunikationsstörungen mehr oder weniger gemeinsam.

Kommunikationsstörungen gibt es nicht einfach. Wir produzieren sie, wenn wir nicht sorgsam als Sender und Empfänger agieren. Ursächlich ist der jeweilige Umgang mit den eigenen Gefühlen und das daraus resultierende Verhalten als Sender und Empfänger. Kommunikationsstörungen zeichnen sich vielleicht dadurch aus, dass sie euch weniger oder gar nicht bewusst sind.

Ich freue mich über eure Kommentare oder Direktnachrichten, um eure Erfahrungen zu teilen und euch auszutauschen! Selbstverständlich könnt ihr mich auch direkt ansprechen.

Bis zum nächsten Artikel

Michael

Kategorie Kommunikation

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