Die Facebook-Zahlen von 88 deutschen Lokalmedien im Vergleich
Schön, dass du beim Social Media Best Practice Newsletter dabei bist. Mein Thema ist heute Facebook und wie regionale Publisher die Plattform im Jahr 2022 nutzen können. Dazu habe ich mir die Facebook-Zahlen von 88 deutschen Regionalmedien angeschaut.
In diesem Newsletter erfährst du:
wie sich die Facebook-Zahlen regionaler Publisher zwischen 2018 und 2022 entwickelt haben.
welche Inhalte auf Facebook besonders erfolgreich sind.
was heute die Kernanforderung für lokale Facebook-Seiten ist.
welche Rolle Facebook für die Abo-Strategie von Lokalmedien spielen kann.
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Lokal-Redaktionen gehen in vielen Fällen sehr pragmatisch mit Facebook um. Social Media-Teams wurden verkleinert. Der Fokus liegt auf Abos und SEO. Auf Facebook-Seiten liegen häufig Feeds von Tools wie Echobox.
Ist es richtig, dass sich Redaktionen in vielen Fällen so stark von Facebook abgewandt haben? Oder wird auch Potenzial für die Marke liegengelassen? Und wie können Medien unter ökonomischen Zwängen trotzdem das Beste rausholen?
Diese Fragen möchte ich mit Hilfe von Daten beantworten.
Facebook-Zahlen lokaler Medien zwischen 2018 und 2022
Facebook verliert in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung. Doch für die Seiten lokaler Medien spiegelt sich dieses Bild in den öffentlich einsehbaren Zahlen nicht unbedingt wieder. Einige Beispiele:
Anzahl der Interaktionen
Die Gesamtzahl der Interaktionen von Lokalzeitungen auf Facebook bewegt sich seit etwa zwei Jahren auf einem konstanten Niveau, das höher ist als 2018 und 2019.
Die Interaktionsrate
Die Interaktionsrate beschreibt die Anzahl der Interaktionen gemessen an den FollowerInnen. Diese Rate ist bei den Lokalzeitungen zuletzt zurückgegangen.
Wachstumsrate
Facebook-Seiten wachsen nicht mehr in den Himmel. Das Wachstum ist auch bei Lokalseiten kleiner geworden. Aber: Sie wachsen weiterhin. Mit einer Ausnahme haben alle Lokalzeitungen im ersten Halbjahr 2022 Seiten-AbonnentInnen gewonnen.
Anzahl der Postings pro Tag
Die Zahl der Beiträge pro Tag hat kontinuierlich zugenommen: von knapp über 20 pro Tag auf mehr als 26 am Tag. Meine These ist, dass das an der zunehmenden Automatisierung vieler Seiten liegt.
Welche Lokal-Geschichten erhalten auf Facebook 2022 Interaktionen?
Bei vielen Lokalzeitungen erzielten im ersten Halbjahr lokale Geschichten mit Bezug zur Weltlage (in diesem Fall der Ukraine-Krieg) die meisten Interaktionen. Einige Beispiele:
Warteschlangen an Tankstellen in Slubice (Polen) (Öffnet in neuem Fenster) (MOZ)
Geflüchtete Ukrainerin bringt Zwillinge in Bochum zur Welt (Öffnet in neuem Fenster) (Rheinische Post)
Bäckerei verbannt Z-Logo vom Brot (Öffnet in neuem Fenster) (Stuttgarten Nachrichten)
Bochumer Brauerei ersetzt Z-Etikett (Öffnet in neuem Fenster)(WAZ)
Berliner stirbt im Ukraine-Krieg (Öffnet in neuem Fenster) (B.Z.)
2022 gab es außerdem mehrere „Über-Themen“, mit denen Lokalredaktionen
viele Interaktionen erzielt haben:
Punks auf Sylt (besonders beim Hamburger Abendblatt)
Flughafen-Chaos (besonders bei RP Online und dem Kölner Stadtanzeiger)
Heizkosten und Spritpreise (deutschlandweit)
Wie erziele ich mit lokalen Inhalten jenseits dieser „großen Themen“ Reichweite?
Die folgenden Lokal-Geschichten haben im ersten Halbjahr 2022 viele Interaktionen auf Facebook erhalten. Sie eint, dass sie erstaunlich „normal“ klingen:
Parkplatzmangel in Esslingen: Kommunen gehen gegen abgestellte Wohnmobile vor (Öffnet in neuem Fenster)(Stuttgarter Zeitung)
Seit einer Woche stehen neue Verkehrsschilder in Stuttgart – werden sie beachtet? (Öffnet in neuem Fenster) (Stuttgarten Zeitung)
Nach Sanierung: Aquarium im Leipziger Zoo wird wiedereröffnet (Öffnet in neuem Fenster) (LVZ)
Neues Restaurant bietet gehobene türkische Küche in Essen (Öffnet in neuem Fenster) (WAZ)
Das Ende des Blautal-Centers in Ulm ist besiegelt (Öffnet in neuem Fenster)(Neu-Ulmer-Zeitung)
Kein Ski-Weltcup mehr am Dresdener Elbufer (Öffnet in neuem Fenster) (Sächsische.de)
Diese sechs Facebook-Teaser haben gemeinsam:
Es sind sehr lokale Themen.
Sie betreffen die Menschen vor Ort unmittelbar.
Sie greifen lokale Gesprächsthemen auf und geben einen Mehrwert.
Aus meiner Sicht ist das in zweifacher Hinsicht eine gute Nachricht:
1. Ich muss als lokaler Publisher auf Facebook meine Inhalte nicht neu erfinden.
2. Es geht nicht darum, die Teaser schräger, schriller und abgedrehter zu gestalten. Menschen interessieren sich auch auf Facebook für klassisch lokale Geschichten, die viele Leute vor Ort betreffen und ihnen einen Mehrwert geben. Kurz gesagt: für guten Lokaljournalismus.
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Ich muss das Rad nicht neu erfinden. Lokale Informationen sind relevant. Lokaljournalismus, der die Menschen bewegt und betrifft, erhält auf Facebook nach wie vor sein Publikum.
Doch das ist noch nicht alles.
Wie entwickeln sich Reichweiten auf Facebook?
Die Reichweiten für lokale Medien auf Facebook sind volatiler geworden. Auf Facebook sind mit Link-Posts nach wie vor Reichweiten möglich, die deutlich über der Zahl der FollowerInnen liegen.
Es gibt aber einen hohen Anteil an Posts, die vielleicht 5-10 Prozent der FollowerInnen erreichen und mit denen nur wenige interagieren.
In den vergangenen Jahren haben viele Redaktionen auf eine automatisierte Ausspielung bei Facebook gesetzt, worauf die zuletzt gestiegene Posting-Frequenz hindeutet.
Das führte häufig zu einem sich selbst bestärkenden negativen Kreislauf: schlechtere bzw. automatisierte Facebook-Teaser, weniger Reichweite, weniger Beachtung in der Redaktion.
Kernanforderung für lokale Facebook-Seiten
Der Schlüssel für eine erfolgreiche lokale Facebook-Seite liegt für mich in diesen vier Faktoren:
das Wissen, was Menschen vor Ort bewegt
Empathie für die Stimmung der Menschen vor Ort
ein Gespür dafür, was Menschen am jeweiligen Tag einen lokalen Mehrwert gibt – und sie nicht nur ärgert (ist viel schwieriger als „ein schöner Aufreger“)
die Fähigkeit, diese Faktoren in glaubhafte Facebook-Teaser in einem Newsfeed-Umfeld umzusetzen
2022 geht es aus meiner Sicht nicht mehr darum, die Klaviatur der Aufregung zu bedienen. Menschen sind davon müde. Sie kaufen kein Abo, um sich aufzuregen. Sie kaufen ein Abo, um einen Mehrwert für ihr Leben vor Ort zu haben.
Die Ressourcen-Frage
Nahezu kein lokaler Publisher kann sich zusätzliche RedakteurInnen für Facebook-Teaser leisten. Aus meiner Sicht gibt es hier zwei Möglichkeiten, wenn man wenig Ressourcen zur Verfügung hat:
Seine Geschichten an den oben genannten Faktoren auszurichten und sich für Facebook nicht verbiegen.
Die Seite läuft automatisiert, aber in der Redaktion ist die Kompetenz vorhanden, aus dem Teaser das kleine bisschen Mehr rauszuholen, um auf Facebook eine große Wirkung zu erzielen.
Übrigens: Viele Facebook-Interaktionen bedeuten nicht zwangsläufig eine hohe Reichweite.
Dieses Beispiel aus dem Juni 2022 zeigt:
einen Beitrag mit wenig Reaktionen und viel Reichweite (oben)
einen Beitrag mit vielen Reaktionen und wenig Reichweite (unten)
Warum ist das so? Die Verweildauer auf dem verlinkten Inhalt spielt eine entscheidende Rolle dafür, wie vielen Menschen ein Beitrag im Newsfeed angezeigt wird ("Erreichte Personen"). Ein weiteres Argument für substanzvolle Stücke auch auf Facebook.
So passt Facebook in die Abo-Strategie von lokalen Medien
Die Abo-Zielgruppe ist weitgehend deckungsgleich mit den Menschen, die man auf Facebook erreicht: AbonnentInnen von Lokalmedien sind in der überwiegenden Mehrheit älter als 40 Jahre. Ebenso wie das Publikum auf Facebook.
Aus meiner Sicht macht es aber kaum Sinn, den Facebook-Erfolg ausschließlich in verkauften Abos via Facebook zu messen. In einem Newsfeed-Umfeld gelingt das nur in wenigen Fällen.
Ein Autoverkäufer stellt sich auch nicht an den Eingang der Bahnstation und versucht dort, seine Wagen zu verkaufen.
Warum aber geht es dann? Für eine klare Facebook-Strategie muss ich die Frage beantworten, wo Facebook in meinem Conversion-Funnel stehen soll.
Gerade für kleine Lokalzeitungen bleibt eine starke Facebook-Seite eine relevante Trafficquelle und ein Weg, um neue Menschen zu erreichen.
Weil die Reichweiten volatil und wenig planbar sind, würde ich das nutzen, um die Leute auf die eigenen Angebote zu schicken und sie dort in Modelle zu bringen, die sie nachhaltig loyalisieren. Etwa durch einen Newsletter.
Meine fünf Take-Aways:
Facebook erzielt nach wie vor Interaktionen und Reichweiten in Zielgruppen, die für Abo-Modelle relevant sind.
Im Vergleich mit Instagram geht es weniger um passgenaue Formate für die Plattform, als um Inhalte, die ohnehin vorhanden sind. Ein Vorteil für Redaktionen, die sehr genau auf Ressourcen achten müssen.
Facebook ist nach wie vor die Plattform, auf der ich mit geringem Aufwand die meisten Leute auf die eigene Webseite holen kann.
Die Formel Mehr Wut = Mehr Interaktionen ist gerade für lokale Publisher nicht nachhaltig – auch wenn es für manche verlockend, weil einfach, erscheint.
Auf keinen Fall würde ich mich langfristig auf Facebook-Traffic und Reichweiten verlassen. Es geht nicht darum, eine Seite groß zu machen, um in vier oder fünf Jahren relevante Reichweiten zu erzielen. Es geht darum, im Hier und Jetzt Reichweiten zu erzielen, um LeserInnen im weiteren Schritt auf der eigenen Plattform zu loyalisieren.
Ganz unten in diesem Newsletter siehst du die einzelnen Zahlen der Facebook-Seiten von 88 Lokalmedien in Deutschland (1. Halbjahr 2022) im Vergleich.
Einladung: Folge mir auf meinem Instagram-Kanal @anrickman (Öffnet in neuem Fenster). Dort teile ich neben Fotos aus Brandenburg auch regelmäßig Meinungen, Gedanken und Entdeckungen zu Instagram und Social Media.
Über mich: Ich bin gelernter Journalist und berate Unternehmen und Medienhäuser bei Social Media und digitaler Kommunikation. Zuvor war ich unter anderem Direktor für Digitales Wachstum / Social Media bei BILD.
Anfragen für Workshops & Seminare an: post@andreasrickmann.de (Öffnet in neuem Fenster)
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Lektorat: Isabell Prophet (Öffnet in neuem Fenster)
Lokale Facebook-Seiten nach Anzahl der Interaktionen geordnet: