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Neuer Growth-Trick für günstige Jahresabos?

In jüngster Zeit bin ich häufig auf LinkedIn und verschiedenen Abo-Blogs auf einen vermeintlichen Growth-Hack gestoßen, in dem es um den Einsatz von rabattierten Jahresabos geht. Auch die ein oder andere Nachricht auf LinkedIn hat mich dazu erreicht. Die Ursprungs-Quelle dazu findest Du hier (Öffnet in neuem Fenster).

Auch in der deutschen Publisher-Welt sind rabattierte Jahresabos auf Paywalls angekommen. Dies zeigt ein kleines Benchmarking von 16 lokalen und nationalen Titeln (Stand: 29.3.24):

Mehr als die Hälfte der betrachteten Verlage platziert prominent auf der Paywall rabattierte Jahresabos. Die Rabatte reichen hier von 17 bis 78 Prozent. Durchschnittlich gewähren die untersuchten Verlage einen Rabatt von 40 %. Bei allen betrachteten Verlagen gelten die Rabatte nicht dauerhaft – sondern nur für das erste Jahr (¹).

Jahresabos haben also für Zeitungsverlage eine Relevanz – Grund genug, sich den vermeintlichen Growth-Hack bezüglich rabattierter Jahresabos genauer anzuschauen. Für diesen Artikel habe ich mir Unterstützung von Marcel Obermeier (Öffnet in neuem Fenster), Senior Director für Verlage von der Pricing-Beratung vocatus, geholt.

Der Trick: Preispunkt für rabattierte Jahresabos finden

Der neue Growth-Hack bzw. die Taktik erklärt, wie Du den angeblich perfekten Preispunkt für Dein Jahresabo findest, um nachhaltig zu wachsen. Dabei ist die Taktik auf den ersten Blick recht einleuchtend und simpel:

Im ersten Schritt schaust Du, wie haltbar Dein durchschnittlicher monatlicher Zahler ist. Diesen Wert nimmst Du und rechnest für den Preis Deines Jahresabos jetzt noch einmal 1 bis 2 Monate dazu.

Als Beispiel:

  • Dein Monatsabo kostet 9,99 €. Im Schnitt bleiben Neubesteller 3 Monate im Abo.

  • Zur Kalkulation des Jahresabos rechnest Du nun 3 Monate x 9,99 € + 1 Monat x 9,99 € (+ ein paar Zerquetschte) = 39,99 €.

Klingt erstmal ganz logisch, oder? Vor allem wenn wir einen Blick auf Best Cases im Abo-Geschäft werfen.


Nutzen Benchmarks diesen Growth-Hack?

Ein Blick auf einige der größten Abo-Dienste zeigt, dass diese Taktik tatsächlich häufig Verwendung zu finden scheint. Das Gute dabei: Per 'Reverse Engineering' sind dadurch Haltbarkeiten von Benchmarks berechenbar. Zumindest sehen aus meiner Sicht die Zahlen realistisch aus:

Nach der oben genannten Vorgehensweise liegt der Verdacht nahe, dass die Haltbarkeit monatlicher Abos von Headspace bei ca. 3 Monaten liegt und von Blinkist um die 5 Monate.

Werfen wir jetzt noch einen Blick auf Dienste, von denen wir wissen, dass sie sehr starke Haltbarkeiten aufweisen. Wie zum Beispiel Netflix und Spotify: Beide bieten keine rabattierten Jahresabos an. Wahrscheinlich, weil ihre durchschnittliche Haltbarkeit über 12 Monaten liegt.

Was soll die Taktik bewirken?

Warum gehen so viele Abo-Dienste diese Taktik ein und rabattieren ihre Jahresabos so stark? Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass die Angebote auf Jahresabos optimiert sind – sprich der Monatspreis ist wahrscheinlich mit Absicht höher als eigentlich notwendig, um den Rabatt auf dem Jahresabo höher erscheinen zu lassen.

Jahresabos bieten jedoch tatsächlich verschiedene Vorteile, darunter:

  • Deine Churn-Rate kann v.a. in den schwierigen ersten Abo-Monaten sinken.

  • Du hast eine höhere Umsatz-Planbarkeit.

  • Dein Umsatz pro Abo (LTV) kann steigen.

  • Du reduziert die Anzahl an Fakturen. Und jede Faktur ist ein starker Treiber für Kündigungen.

Was ist der Haken?

Neben dem möglichen positiven Impact hat die Taktik aus meiner Sicht ein Risiko: Du hast auch bei Bestellungen mit monatlichem Zahlungsrhythmen Abonnenten dabei, die haltbarer als der Durchschnitt sind. Nehmen wir unser Beispiel von oben:

Die durchschnittliche Haltbarkeit lag hier bei 3 Monaten. Es gibt aber definitiv Abonnenten, die deutlich über 12 Monaten im Abo bleiben. Das Problem: Genau diese Besteller werden ziemlich sicher auf das rabattierte Jahresabo gehen, wodurch Du Umsatz verlierst. Um in unserem Beispiel zu bleiben: Setzen wir das Jahresabo auf den Preis von 4 Monaten (4×9,99 €), dann verlieren wir bei diesen Abonnenten 8 Monate x 9,99 € pro Jahr.

Der Gedanke des Growth-Hacks ist, dass natürlich auch Nutzer auf das Jahresabo gehen, die sonst nur die durchschnittlichen 3 Monate (oder weniger) im Abo geblieben wären und die Verluste überkompensieren.

Für wen kann diese Taktik sinnvoll sein?

Für wen lohnt es sich nun, diese Taktik zumindest einmal zu überprüfen? Aus meiner Sicht kommen hier 3 Gruppen in Frage:

📉 Die Haltbarkeit Deiner Neu-Bestellungen sind sehr gering

Deine Neu-Bestellungen weisen eine sehr geringe Haltbarkeit bei monatlichen Abos auf: Wenn der Großteil Deiner neu gewonnen Abonnenten bereits nach 2-4 Monaten wieder weg ist, dann kann diese Taktik zumindest ein Ansatz für einen A-/B-Test darstellen.

📍Teilzielgruppen im Blick haben

Deine durchschnittliche Haltbarkeit bei Neu-Bestellungen ist gut – eventuell hast Du aber Teilzielgruppen, bei denen dies nicht der Fall ist. Aus meiner Erfahrung kann dies vor allem bei In-App-Abo-Bestellungen und bei Bestellungen über Referrer (Nutzer kommen von Google oder Facebook) der Fall sein. In solchen Teilzielgruppen kann eine dynamische Paywall mit eben jenem rabattierten Jahresabo ein Hebel sein.

Ein Tipp am Rande: Schaue Dir generell einmal an, wie sich Bestellungen über Direkt-Zugriffe, Google und Social verhalten. Du wirst wahrscheinlich deutliche Unterschiede in Conversion-Rate und auch Wandlung/Haltbarkeit erkennen.

💡Du verwendest bereits Jahresabos

Wenn Du bereits stark rabattierte Jahresabos anbietest, dann challenge mit dieser Methode Deinen aktuellen Preispunkt. Eventuell ist Dein Rabatt sogar zu hoch und Du vergibst Umsatz-Potentiale?

Einschätzungen eines Pricing-Expertens

Das Pricing kann eine weitreichende Tragweite haben. Aus diesem Grund habe ich zu diesem Thema auch eine Experten-Meinung von Marcel Obermeier (Öffnet in neuem Fenster), Senior Director für Verlage von der Pricing-Beratung vocatus, eingeholt. Marcels Pros und Contras für die starke Rabattierung von Jahresabos möchte ich hier gerne mit Dir teilen.

Pros für stark rabattierte Jahresabos:

  • Rabatte als Abschlusstrigger: Der in diesem Fall starke Rabatt kann bei Nutzern, die sowieso schon immer mal wieder “um die Paywall herumschleichen” den Funken für eine Kaufentscheidung überspringen lassen. Positiv ist zudem, dass der Rabatt nicht einfach so gewährt wird, sondern der Nutzer diesen mit einer längeren Bindung “bezahlt”.

  • Chance, Gewohnheiten zu entwickeln: Die Bindung über ein Jahr gibt Dir genügend Zeit, Gewohnheiten und Routinen beim neuen Abonnenten aufzubauen, was die Chance auf langfristige Bindung erhöht.

Contra gegen stark rabattierte Jahresabos:

  • Gefahr, Preisakzeptanz zu zerstören: So nützlich eine Rabattierung für das kurzfristige Wachstum sein kann, muss immer bewusst sein, dass sie auch langfristige Auswirkungen auf die Preisakzeptanz der Nutzer hat. Dass das auf lange Sicht ein Problem werden kann, hat die Baumarktkette Praktiker ja leider sehr anschaulich vorgemacht. Dabei stellt sich auch die Frage, wie hoch der Rabatt tatsächlich sein muss, um einen Kauf zu triggern – wirklich 78% oder reichen nicht auch 20% Rabatt?

  • Unterschiedliches Kundenpotenzial: Für jegliche Pricing-Maßnahmen sollte man zuallererst die eigenen Kunden und ihre Entscheidung im Fokus haben. Ein Blick über den „großen Teich“ kann natürlich Inspiration bieten, aber man sollte nicht vergessen, dass hier ganz andere Kundenpotenziale dahinterstecken, als das v.a. bei lokalen Zeitungen der Fall ist – und dadurch eben auch Maßnahmen nie 1:1 übertragbar sind. Denn wenn ich ein sehr großes Potenzial habe, bringen mir z.B. auch viele kleine Beträge den nötigen Umsatz, bei geringerem Potenzial gilt es hingegen eher, mehr aus dem einzelnen Kunden herauszuholen.

Solltest Du auf stark rabattierte Jahresabos setzen, hat Marcel noch 2 Tipps für Dich:

  • Verstehe die Motive: Erreichst Du mit dem starken Rabatt die weniger haltbaren Schnäppchenjäger und gewinnst dadurch nur kurzfristig Wachstum? Oder hilft Du damit bindungsaversen Nutzern, den Schritt eines Abos bei Dir endlich mal zu wagen? Wenn Du die Möglichkeit hast, unterschiedliche Gruppen zu identifizieren, empfiehlt Marcel das individuelle Ausspielen von Rabatten – damit nur der Kunde einen Preisnachlass bekommt, der ihn auch wirklich braucht.

  • Engagement nicht vergessen: Gerade bei Jahresabos ist es verlockend, den anstrengenden Part des Engagement-Aufbaus erst einmal nach hinten zu schieben. Das ist aber auch bei Jahresabos ein Fehler: Andernfalls schaufelst Du zwar fleißig neue Nutzer ins Jahresabo, verschiebst aber den Absprung einfach nur auf später. Ein Blick auf die Haltbarkeiten nach dem ersten Jahr sind also ebenso unerlässlich.

Ich hoffe, dieser Artikel hat Dir bei der Einordnung dieses Thema geholfen. Falls Dir dieser Artikel oder der Newsletter gefällt, würde ich mich freuen, wenn Du ihn an Deine Kolleginnen und Kollegen weiter empfiehlst.

Sascha

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Kategorie Snacks