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Über pinke Socken und Fußballtrikots. Brief an eine Schulärztin.

Vorbemerkung: Wenn Kinder aus der Kita oder Schule berichten, sind diese Nachrichten mit Vorsicht zu genießen, denn oft fehlen wesentliche Infos, der Kontext war eventuell ein anderer. Das Kind erzählt seine Interpretation, es liefert keine objektive Berichterstattung. - All das ist mir bewusst, und vielleicht ist es in diesem Fall ganz anders abgelaufen. Allerdings reiht sich diese Geschichte ein in eine lange Reihe vergleichbarer Berichte, die uns immer wieder erreichen, aus unterschiedlicher Perspektive, mal von Eltern, mal von Erzieherinnen bzw Lehrkräften.

Sehr geehrte Frau Doktor,

durch meinen Sohn habe ich vergangene Woche eine Nachricht von Ihnen erhalten; vorweg möchte ich mich sehr für diesen sensiblen Vermittlungsweg bedanken, ich hätte mir keinen besseren ausdenken können.

Da die ‘Stille Post’ hin und wieder zu Misserständnissen führt, fasse ich kurz zusammen, was bei mir ankam. Bitte korrigieren Sie mich, falls ich falsch liege. (Sie treffen ja offenbar dann und wann in der Schule auf meinen Sohn, richten Sie ihm der Einfachheit halber ruhig auch weitere meiner Erziehungs- und Interpretationsfehler aus, denn wo wären sie besser aufgehoben?!)

Ihre Nachricht also: ich möge doch meinem Sohn in Zukunft verbieten, seine pinken Lieblingssocken zu tragen.

Ich soll ihn, so lese ich zwischen den Zeilen, in lebenswichtigen Fragen wie Sockenfarben am besten gar keine eigenen Entscheidungen mehr treffen lassen, sondern stattdessen rigoros und ohne Widerrede auf ‘richtige’ Jungsfarben umsteigen. Damit ich keine weiteren Fehler mache: sind die kinderfreundlichen Farben Schwarz, Braun, Grau, Beige für Jungen unbedenklich?

Da es hier nun offenbar nicht um eine modische Stilfrage geht, sondern um eine medizinische, verlasse ich mich selbstverständlich gerne auf Ihre Expertise, ich selbst bin ja nur Mutter und bitte deshalb um Aufklärung:

Inwiefern beeinflusst die Farbe von Kleidung das Geschlecht? Gilt das auch für Kleidungsstücke? War es also meinerseits ein Fehler, jahrelang Jeans zu tragen? Wie ist Ihre fachliche Einschätzung: war ich als Kind ein Junge? Und, wenn Sie mir eine persönliche Frage erlauben: würden Sie nicht auch gerne manchmal Hosen tragen?

Ich möchte abschließend meine Freude zum Ausdruck bringen, dass Ihr Mann Ihnen zugesteht, einem richtigen Beruf nachzugehen! Ich hoffe sehr, dass es Ihnen trotzdem immer gelingt, Ihren häuslichen Pflichten nachzukommen, auch was Sockendetails betrifft, um nicht Gefahr zu laufen, dass er ihren Arbeitgeber kontaktiert und in Ihrem Namen kündigt! Richten Sie Ihrem Gatten bitte jedenfalls die Dankbarkeit einer verwirrten Mutter aus, die ob Ihres Einsatzes ihre Familie wieder auf die korrekte Spur bringt! (Dieser Brief bleibt ja unter uns, so kann ich Ihnen gestehen, dass mein Mann neulich ein rosa Hemd zur Arbeit trug, das er sich obendrein selbst bügeln wollte! Aber wir geloben Besserung!).

Über die Gelegenheit, mich Ihnen einmal persönlich vorstellen zu dürfen, würde ich mich sehr freuen. Oder anders gesagt: ICH KANN ES KAUM ERWARTEN!!

Mit freundlichen Grüßen,

Anna Tunichtgut

PS. Falls Sie meinem Sohn wieder begegnen, mögen Sie ihm bitte erklären, dass auch die Deutschen Nationalspieler im Männerfußball in ihren neuen Auswärtstrikots keine Mädchen sind? Oder führt das jetzt zu weit?🤔

Foto © @nickpage via unsplash (Öffnet in neuem Fenster)

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