Zum Hauptinhalt springen

Das Ende der GenderReveal-Tradition

Gender-Reveal-Partys - Hiermit läute ich das Ende dieser jungen Tradition ein, noch bevor sie sich überall als solche verfestigt. Ja, ich weiß, was interessiert schon, was ich hier fordere, aber ich möchte bewusst machen, dass es sich bei dem Thema um etwas Großes, Folgenschweres handelt, viel mehr als ein bloßer PartyGag. Dieses Enthüllungs-Ritual beeinflusst nicht nur Kinder, die teilnehmen und zusehen aufs massivste, sondern alle, die auch nur von der Existenz eines solchen Rituals erfahren. Man entzieht sich dem nicht, indem man die Einladung absagt!

Wir sind Teil einer gesellschaftlichen Re-Traditionalisierung

Und wer auf Gender-Reveal-Partys steht, gibt sich dem Rollback hin, fördert die Entwicklung sogar, hat ihr nichts entgegenzusetzen. Warum so unkritisch? Warum mitschwimmen? Achso, “sind doch bloß Farben!”? Wohl kaum.

Zwar gab es schon immer das Orakeln um Bauchform, Ernährung, Stimmung der Frau, und die Hoffnung, dass man am spitzen Bauch, dem unruhigen Schlaf oder ihrer Lust auf Gurken, das Geschlecht erkennen könnte. Aber das Ultraschall-Bild, DIE binäre Antwort aus dem Gender-KaffeeSatz, die ist erst seit den 1970ern für alle zugänglich. Und die Idee, man könne die Information "man sieht etwas, das ein Penis sein könnte" vs. "Es versteckt sich noch - hihi" nicht nur teilen, sondern auch feiern, die ist so jung, dass wir uns am besten direkt wieder von ihr verabschieden, indem wir uns klarmachen, welchem Bedüfnis da eigentlich nachgegangen wird:

was genau feiern Menschen da?

Was ist es, das unbändige Freude bzw aggressive Enttäuschung auslöst? Ein Penis? GeschlechtsOrgan-Reveal? Warum ist das nicht creepy? Vor allem mit dem Wort “Reveal”, Enthüllung verbunden. Bin so froh, dass das Kind noch im Bauch ist, wer weiß, was da sonst enthüllt würde :-o

Es geht um die individuelle aber vor allem die sozial geprägte Erwartung dessen, was ein Sohn bzw. ein Mädchen ins Familienleben mitbringen wird. Die Kuchen-Deko verrät es: Jungs bringen Wildes mit, Sport und Bewegung, Abenteuer und Technik. - und allzu viele Väter halten daran fest, dass Mädchen nichts davon wollen, ein Teufelskreis!

Mädchen bringen Niedliches mit, Mode und Beauty, Sanftheit und Häusliches. - und allzuviele Mütter halten daran fest, dass alle Mädchen darin aufgehn werden, das Rosa-Gen als Sehnsuchtstraum.

“Wir doch nicht!”

“NEIN, das ist von gestern, bei uns gehts da gar nicht drum!” - Dann bitte, worum denn sonst? Den Stammhalter, der die Firma übernehmen soll? Die Tochter, zu der die Bindung statistisch gesehen, enger bleiben wird, die sich um die älter werdenden Eltern kümmern wird, während Söhne mehr Zeit mit der Familie ihrer Partnerin verbringen werden? Bietet das Anlass für eine rosa-blaue Party? Wohl eher eine private Gedenkfeier, in der wir trauern, dass wir Verhaltensweisen ans Geschlecht binden und selbst dazu beitragen, dass sich das nicht ändert.

Und warum haben sich manche der Paare vor dem (Video)Moment noch NiE über das was-wäre-wenn unterhalten? Man sieht Mütter wie Väter, die auf eine Farbe derart abwehrend reagieren, dass man sich wundert, wie danach noch weitergefeiert werden konnte. Wäre gut gewesen, sie hätten sich im Vorfeld Gedanken gemacht, ob bzw. warum sie eine Vorliebe fürs eine oder andere Geschlecht haben*. Und wie sie mit dem Gefühl der Ablehung umgehen wollen. Ob sie das a) wirklich öffentlich teilen und b) ob sie sich damit nicht vor der Geburt noch befassen und das aufarbeiten wollen.

Folgenschwer für die Familie

Vor allem die Väter, die es sich leisten, ihre große Abscheu gegenüber einer Tochter öffentlich auszuleben. Sie zeigen am deutlichsten, dass GenderReveal kein PartyAnlass ist, sondern die Einladung, sich mit einer verinnerlichten Geschlechterhierarchie zu befassen. Denn die hat Folgen auf diese Familie! Um so mehr, wenn sie unausgesprochen bleibt, oder als "normal" durch den Alltag getragen wird.

Wie viele Erwachsene erinnern heute noch, dass sie als Kind gespürt haben, dass die Eltern sich eigentlich einen Jungen / ein Mädchen gewünscht hätten!? Es braucht nicht viel Empathie um zu wissen, dass es ein Kind tief verletzt, aus Sicht der Eltern falsch zu sein, unerwünscht. Aber es braucht einiges an emotionaler Bereitschaft bei werdenden Eltern, sich selbst zuzugestehen, dass man eine solche Vorliebe vor einem Kind nicht verstecken kann.

Willkommen!

Beenden wir also die junge, fehlgelaufene Tradition der Gender-Reveal-Partys und beginnen wir das Ritual bunter Willkomens-Partys. Die Botschaft in Deko, Kuchen, Geschenken und Karten soll sein:

"Wir freuen uns auf Dich! Wir feiern schon jetzt, dass wir dich bald kennenlernen dürfen! Alles weitere, Deine Art, Deine Interessen, Deinen Charakter, Dein Geschlecht… all das erfahren wir dann im Lauf der Zeit von Dir selbst, wenn Du Zeit hattest, in Ruhe hier anzukommen und dich einzufinden in diese Welt mit ihren Regeln und Kategorien. Punkt."

--

*außen vor gelassen: psychologische Gründe durch familiäre Vorgeschichte, Erbkrankheiten u.ä.

Kategorie Rosa-Hellblau-Falle

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Almut & Saschas Newsletter aus der Wort & Klang Küche und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden