LÄDEN MIT GRÄBEN
Zum neuen Gesetz in Kalifornien, das Wahlfreiheit ermöglicht, und über die Ursprungsidee des Gendermarketing.
Läden mit Gräben - binär farbsortiert, geschlechtlich getrennt, Klischee olé vom Eingang bis zur Kasse. Ich dachte, es hätte sich inzwischen überall herumgesprochen, dass Waren im Kinderbereich auf diese Weise angeboten werden. Auch wer nicht für Kinder einkauft, könnte bemerkt haben, dass es seit ein paar Jahren MännerMarzipan, FrauenRucksäcke, MännerKochbücher, LadyWerkzeugkästen und ja, Spielküchen in pink für Puppenmuttis und Baukästen in blau für coole Abenteurer, gibt. Deshalb staune ich, dass es noch Menschen gibt, die einkaufen gehen und diese Entwicklung entweder gar nicht realisiert haben, oder aber meinen, das sei schon immer so gewesen und müsse deshalb so bleiben.
Aktueller Anlass: ein neues Gesetz
Seit dem 1. Januar 2024 gilt in Kalifornien ein neues Gesetz, das größere Geschäfte dazu verpflichtet, Produkte aus dem Kinderbereich auch (!) neutral anzubieten, in bunt, "für Kinder", nicht getrennt durch Farblabels oder Regal-Überschriften "für wilde Kerle" in blau und "für niedliche Prinzessinnen" in pink. Die Nachricht dazu hat in den Kommentarbereichen allerorten zu krudem, uninformiertem Fläz geführt, der mich einigermaßen ratlos zurücklässt. Man solle doch aufhören mit diesen Vorschriften und stattdessen Kinder einfach selbst entscheiden lassen. Eh … ja, genau! Darum geht ’s doch!
Was genau ist Gendermarketing?
Gendermarketing ist eine Werbestrategie, die seit rund 20 Jahren auch in Deutschland von sehr, wirklich sehr vielen Unternehmen umgesetzt wird. Und in Kalifornien ist wohl aufgefallen, dass diese Strategie den Konsument*innen Vorschriften macht, anstatt ihnen die Wahlfreiheit zu lassen. Gendermarketing bedeutet nämlich, dass die Zielgruppen binär nach Geschlecht getrennt werden (durch getrennte Regale, Aufschriften, Symbole …) mit dem Ziel:
a) dasselbe Produkt in unterschiedlicher Verpackung (oft auch teurer in der pinken Variante) anzupreisen: Rasierer, Deo, Trinkwasser, Gummistiefel …
https://x.com/fuchswinter/status/1106875226489610240?s=20 (Öffnet in neuem Fenster)oder
b) dieselbe Produktart in zwei Varianten / Designs zu verkaufen: Wickelrucksack in hellen Farben für Sie mit Blümchen, Wickelrucksack, Terminator-Protector-Variante in schwarz für echte Kämpfer-Väter, deren Männlichkeit durch den Kontakt mit kontaminierten Windeln sonst in Gefahr gerät.
Natürlich geht es den Unternehmen darum, zwei Wickelrucksäcke in eine Familie zu verkaufen. Wo kämen wir hin, wenn die Eltern sich ein Modell teilen?! Und diese Markeetingstrategie hat nachweislich Einfluss auf das Kaufverhalten. Es nimmt Einfluss auf unsere Vorstellung davon, was Jungen bzw. Mädchen angeblich brauchen und mögen. Es verändert (Geschlechter-)Normen und engt ein. Deshalb ist das kalifornische Gesetz sinnvoll, es schützt Kinder! Zumindest ein bisschen.
Anfänge der Gendermarketing-Strategie
Die ursprüngliche Idee war, Produkte, die nur von einer engen Käufergruppe gekauft wurden (Bohrer und Werkzeugkästen für Heimwerker), auch für andere Zielgruppen attraktiv zu machen (Akkuschrauber für Heimwerkerinnen, die eine schwere Maschine unhandlich finden und öfter "mal eben kurz" etwas schrauben wollen). Als dann der Akkuschrauber für Frauen auf dem Markt war, der leichter, kleiner, handlicher und leiser war, stellte sich heraus, dass es auch Männer mit kleineren Händen gibt - no Shit, Sherlock - und Männer, die gar kein Interesse haben an schweren, lärmenden "Powertools". Und deshalb wurde der Schrauber vor allem auch von Männern ausgewählt und zu einem Verkaufsschlager.
Sagt, was es kann, und nicht, wem ihr es vorenthaltet!
Daraus hätte man lernen können und ab sofort Produkte so bewerben, dass mensch erfährt, was sie hervorhebt und was sie Besonderes leisten: Werkzeug mit Griffen in S, M, L, in leicht und schwer, in "für kurzen Einsatz" vs. "für Dauer-Profis". Oder wie wär ‘s mit Rucksäcken in schmal-mittel-breit, Shampoo für lange, kurze, lockige, schuppige Haare … ja, das gibt es alles, noch! möchte ich fast sagen, es wirkt wie ein Relikt aus Zeiten vor Gendermarketing. In mancher Sparte muss man mühsam danach suchen, also wie wunderbar, dass uns das mancherorts noch erhalten blieb, und Danke an die Firmen, die daran festhalten! Doch leider haben sich viele entschieden, aufs Klischee zu setzen, und die kleinere Variante - ob Werkzeugkasten, Gartenhandschuh, Schere, Schneeschippe oder Hantel - in Pink anzubieten. Die Lady-Version, danke für nichts. Denn so, wie viele Männer die Schnauze voll haben vom ölverschmierten Powertool-Image des harten Kerls, haben auch viele Frauen kein Interesse an Kreischpink, Model-Silhouette und niedlichen Diät-Symbolen auf Werkzeugkoffer, Fahrradhelm oder Tee. Das rührt die Werbebranche bisher wenig, im Gegenteil, seit 20 Jahren Gendermarketing sind die Regale immer noch gefüllter mit Prinzessinnen-Müsli und Dino-Joghurt, alkoholfreiem Bier in pink (ist natürlich ZuFalL!1!11!!!11), Pastell-Schokolade für Muttis auf Diät, Blümchen-Shampoo für Langhaarmädchen vs. Shampoo in Ölkanister-Flaschendesign mit Schinken-Aroma.
Soziale Verantwortung der Unternehmen - Corporate Social Responsibility
Was Mann mag, wie Frau zu sein hat, womit ein “richtiger” Junge spielt, was ein “typisches” Mädchen trägt… die binären Werbebotschaften des Gendermarketing sind laut und allgegenwärtig. Denn die jährlichen Milliardenumsätze des Marketing sorgen dafür, dass sie auch ja in allen Haushalten gehört werden. Es ist deshalb schwierig bis unmöglich, sich dem zu entziehen und davon unabhängige Entscheidungen zu treffen. Das gelingt den wenigsten Erwachsenen, und deshalb sollten sie es auch von Kindern nicht erwarten. Ein Gesetz, das hier eingreift, und nicht mal von allen, sondern nur von den Großen im Spielwarenbusiness fordert, wenigstens in einem kleinen, eigenen Verkaufsbereich auf die rosa-hellblaue Einteilung zu verzichten, ist also das mindeste, was wir uns auch für Deutschland wünschen sollten! Denn das Recht auf “die freie Entfaltung der Persönlichkeit”, das im Grundgesetz, Artikel 2 verankert ist, ist kein Versprechen, um dessen Einlösung wir uns alleine im Privaten kümmern müssen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich die Unternehmen in Deutschland, und damit auch die Spielwarenbranche, bisher entzieht.
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Weiterlesen:
Mehr zum Thema Gendermarketing auf der website unserer ehrenamtlichen Initiative ‘Goldener Zaunpfahl - Award für absurdes Gendermarketing’: goldener-zaunpfahl.de (Öffnet in neuem Fenster)