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12. Juni 2024 - HERZLICHKEIT, Tag 164 – ein Tag im Zug

Mittwoch, der 22. Mai... der Abschied am frühen Morgen gestaltete sich kurz und schmerzlos. Alles war klar und es fiel mir leicht mit schweren Gepäck die Tür hinter mich zuzuziehen... oh, wow... ja, tatsächlich packte ich ganz schön viel physisches Gewicht auf meine Schultern, obwohl ich es ja bereits reduziert hatte. Nun gut, ich hatte mich bewusst für diesen Lebensweg entschieden und so fühlte ich mich jetzt zum ersten Mal wirklich wie eine Reisende, eine Wanderin durch die Welt und da die nächste Reisestation, wesentlich weiter entfernt von meinem Ausgangspunkt, im Süden des Landes zu finden war, verstärkte sich dieses Gefühl auf wundervolle Weise. Fröhlichkeit erhielt Einzug und die Leichtigkeit auf der seelischen Ebene nahm an der Kaffee-Tafel im Wunderland Platz. So erschien es vielleicht nicht verwunderlich, dass schon während der ersten Fahrt mit dem Bus mir ein großes MAGIC auf einem Plakat ins Auge sprang und mich zum Schmunzeln brachte. Am Hauptbahnhof meiner Geburtsstadt angelangt, wuchtete ich den Rucksack wieder auf meine Schultern, um ihn wenig später wieder erleichtert von meinen Schultern neben mich in der Bahn zu platzieren. Dieses Kapitel eines unverhofften Aufenthaltes in der Stadt, in der ich größtenteils die ersten 40 Jahre meines Lebens verbracht hatte, lag nun endgültig hinter mir und ich fuhr dem nächsten Zwischenstopp entgegen.

So erreichte ich nochmals den Stadtteil, in dem ich größtenteils die letzten 15 Jahre verbrachte, um letzte Post-Aufgabe-Tätigkeiten zu erledigen. Doch erst einmal lief mir eines der ersten Mitglieder & Unterstützer von ALICE IM REISEWUNDERLAND überraschend über dem Weg. Die Freude darüber, dass wir uns nochmals vor meiner Weiterreise, ohne Wiederkehr in naher Zukunft, begegneten und uns kurz austauschen konnten, erschien in mir groß und äußerte sich unter anderem über das Strahlen in meinen Augen. Neuigkeiten bei dem Herrn gewannen ebenfalls Raum und so lauschte ich seinen Ausführungen, den Wohnsitz hier zu einer Insel im Norden des Landes zu verlegen und freute mich für ihn über die geplanten Veränderungen in seinem Leben. Reibungslos verlief dann danach der Paketversand, um geliehenes Gut zum besitzenden Unternehmen zurückzuführen und veranschaulichte nochmals auf praktische Weise die Leichtigkeit, die sich in meinem Leben wieder bemerkbar machte. Nun galt es noch die ehemaligen Nachbarn mit einem „see you“ in Gedanken zu verabschieden - schließlich befanden sich bis zur Abholung ohne bekanntem Datum noch meine persönlichen Dinge eingelagert in diesem Haus - und Rucksack-bepackt mit Tasche den nächsten S-Bahnhof zu erreichen.

Ein Aufzug vor Ort ließ mich dann schnell die Entscheidung treffen nicht die endlos erscheinenden Treppenstufen mit meiner Last zu nutzen und als sich noch eine bepackte Dame im letzten Moment dazu gesellte, sprach ich mit einem Lächeln zu ihr: „Man kann es sich so bepackt auch leicht machen.“ Darauf erwiderte sie ein: „Ja, wir sind ja schon alle mehr als genug belastet.“ Mir war sogleich bewusst, dass sie nicht von der physischen Last sprach und ahnte, dass sie das Weltgeschehen meinte, das nicht mit Gutem einherging. Doch ich fühlte mich davon nicht belastet und so antwortete ich ihr noch schnell mit „Ach, ich trage nur schwer an meinem Rucksack.“, während sich die Tür bereits öffnete und sie etwas verdutzt aus meinem Blickfeld verschwand.

Zwei Tage zuvor geriet auf der Café-Terrasse des Kinderbauernhofs ein Wort in mein Blickfeld, das ich mir, am Hauptbahnhof angekommen, nun ins Gedächtnis rief und einen Stand mit französischem Namen auserkor, um Proviant für meine Zugfahrt zu erwerben. Während ich die Uhr für die Abfahrt innerlich im Blick hatte und am Stand etwas ungeduldig darauf wartete meinen Wunsch zum belegten „petit pain“ zu äußern, bemerkte ich auch einen Herrn, der Menschen um Geld bat. In dem Moment, als er mich ansprach, antwortete ich mit einem „nein“, das mich vom Herzen her tatsächlich just in diesem Augenblick schmerzte und später noch an anderer Stelle Bedeutung erlangen würde. So traf ich mit dem Proviant und schwerem Gepäck auf dem Bahnsteig ein und traf auf einen Herrn mit französischen Wurzeln und Künstlerseele, der mir wohlbekannt erschien. Freudig über das unverhoffte Wiedersehen begrüßten wir uns und das „Super“ zu meinem Reiseabenteuer aus seinem Mund, ein paar Tage zuvor, klang noch in meinen Ohren nach. Nun erzählte er mir von seinen sehr seltenen Besuchen des Bahnhofsareals und seinen Eindrücken zu den zahlreichen Menschen, die vor Ort um Geld baten. Er gab beim ersten, beim zweiten, beim dritten und beim vierten, um beim fünften zu bemerken, dass er nichts mehr für sich übrig haben würde, wenn er so weitermacht. So trat das „nein“ wieder auf wundersame Weise in Erscheinung und wir sprachen über dessen Bedeutung, die Abgrenzung und das Verantwortungsgefühl. Die Wunder-Kette „Proviant-Foto - französischer Verkaufsstand - ein „nein“ - französische Künstlerseele (Öffnet in neuem Fenster) – die „nein“ Bedeutung“ wurde schließlich noch dadurch wundervoll abgerundet, dass der Herr mir offenbarte den gleichen Zug zu nehmen und mich so bis Köln zu begleiten. Ein fulminanter Start meiner Zugfahrten, denn ganze vier Umsteigestationen lagen noch vor mir.

Nachdem sich der Künstler (Öffnet in neuem Fenster) verabschiedet hatte, der seinerzeit schon in Paris mit seinem Schaffen große Erfolge erzielte, wechselte ich den Platz in Fahrtrichtung, ohne aus den Augen zu verlieren, dass sich kurz zuvor eine junge Dame mit ebenso großem Reiserucksack unweit hingesetzt hatte. Nun sprach ich sie auf das Gewicht an, das sie genauso wenig im Sinn hatte wie ich und wir fortan einen interessanten Wortwechsel über die Mathematik, Backpacker-Erfahrungen in Neuseeland und die Reise nach Hawaii pflegten. Das beiderseitige Interesse aneinander war groß und freudestrahlend tauschten sich so zwei Seelen miteinander aus. Ließen die Zeit wie im Fluge vergehen, verbanden uns virtuell und lieferten nun auch in unserem Austausch die Antwort auf eine Frage, die mir noch auf meiner Zwischenstation an einer Säule aufgefallen war: „Was lässt Dich alles um Dich herum vergessen?“ Dann wendeten wir uns beide wieder eigenen Dingen zu, bis sich die junge Frau verabschiedete.

Der erste Umstieg in Koblenz stand bevor und so wuchtete ich den Rucksack auf meinen Rücken, nahm die Tasche mit „LIEBE IN HÜLLE UND FÜLLE“ & dem „ALOHA“ in die linke Hand und wechselte einige Minuten später reibungslos das Gleis, um in den Anschlusszug nach Frankfurt einzusteigen. Der Zug erschien gut gefüllt, allerdings fand sich auch ein Platz neben einem hilfreichen, jungen Mann. Gemeinsam hoben wir den Rucksack ins Gepäckfach über uns und ich bemerkte bei meinen Sitznachbarinnen linker Hand das Shirt mit dem Schriftzug „Influence the World“ & auf der Tasche ein „be kind to the world“, das mich beides zum Lächeln brachte. Die Stromzufuhr für das mobile Endgerät wurde ebenfalls dank Bahn-Steckdose gesichert und während der Zug auf den Schienen dahinglitt, erfreute ich mich an der Aussicht. Entlang des Flusses reihte sich eine Burg an die nächste, die Sonne begann durch die Wolkendecke zu blitzen & blaue Flecken mit sich zu führen und als ein Schiff am Zug oder der Zug an ihm vorbeifuhr, auf dem „Vater Rhein“ zu lesen war, strahlte ich nicht nur innerlich. So bemerkte ich dann auch insbesondere das „Schönen Tag noch“, das der Schaffner mir bei der Kontrolle hinterließ und damit weiteres in Aussicht stellte, das mir Freude bereiten würde.

In Frankfurt blieb ausreichend Zeit für das Hauptbahnhof-Erlebnis, das sich unter anderem mit dem internationalen Flair vieler anderer Reisender befüllte. Ich fühlte mich glänzend. Meine Abenteuerseele hüpfte vor Freude auf und ab und so saugte ich jede Beobachtung in mich hinein, die sich mir offenbarte. Bauarbeiten wurden mit schwarz-weiß Aufnahmen von längst vergangenen Tagen untermalt, die vielleicht auf das Eröffnungsjahr von 1888 hinwiesen; die Stahl-Glaskuppel-Konstruktion faszinierte mein architektonisches Auge und meine Glückszahl trat ebenfalls als Gleis-Hinweis groß in Erscheinung und brachte mich damit zum Lächeln. Später entdeckte ich dann auf der Fotografie noch einen knallroten Kolibri auf der Tasche einer Dame vor dem französischen Backwaren-Verkaufsstand, der schon in Düsseldorf die Wunder-Kette verband und mich nun das Vogelabbild davor verzauberte. „Ein Bisschen Glück“ sprang mir dann noch vor Ort ins Auge und die Reisekasse mit Weltkugel & Meeresblick auf dem Tresen eines weiteren Verkaufsstands erinnerte mich an die Befüllung meiner eigenen (Öffnet in neuem Fenster), die weiterhin anstand. Schließlich fand ich mich in dem nächsten Zug ein und kam recht schnell mit einer Dame einen Platz hinter mir ins Gespräch. Ich erinnere mich gar nicht mehr an den Einstieg in den Gedankenaustausch, doch das offene Herz & Ohr der Dame für meine Reisegeschichte und deren Umstände ist mir noch sehr wohl bewusst. Wir strahlten uns an und manchmal brachte ich sie wohl zum Staunen, da sie auch den Mut erwähnte. In Kahl am Rhein verließ sie den Zug und unvergessen klingt noch ihr „Ich bewundere Sie. Das müssen Sie unbedingt in Ihrem Blog erwähnen.“ in meinen Ohren nach und ich sehe mit Freude noch immer vor meinem geistigen Auge, wie Uta einen Augenblick stehen blieb und mir zuwinkte bis der Zug losfuhr und ich sie weggehen sah.

Völlig beseelt von dieser Begegnung setzte ich mich wieder mit dem Rücken zur Fahrtrichtung hin und bemerkte recht schnell, dass dies auf Dauer nicht mit meinem Wohlgefühl im Einklang erscheinen würde. So beschloss ich einen Platzwechsel, der mich eine Etage höher brachte. Dort sah ich eine Dame im Gespräch mit einem Herrn, der wohl auf indische Wurzeln zurückblicken konnte und setzte mich der Dame gegenüber hin. So geriet ihr Koffer und die Aufschrift in mein Blickfeld, die auf die Crew-Mitgliedschaft der Airline hinwies, die dank eines Gewinns dafür gesorgt hatte, dass mein Sohn und ich auf eine wundervolle Zeit in New York City im Jahr 2016 (Öffnet in neuem Fenster) zurückblicken konnten. In einer Gesprächspause sprach ich dann laut den Fluggewinn aus, der seinerzeit beim Check-in auch dazu führte, dass wir als Crew-Mitglieder gelistet wurden. Die Dame horchte voller Neugierde auf und so schloss sich wieder einmal ein interessanter Gedankenaustausch an, der uns die Zeit vergessen ließ. Die Synchronizität brachte mich erneut zum Strahlen und so unterhielten wir uns neben der Umweltfreundlichkeit beim Reisen & BRIDGE TO HAWAII, auch über die Achtsamkeit im Leben, während der Herr noch ein Musikstück aus Indien beisteuerte, als ich von der “Noseflute” erzählte, die 2020 von Kaua'i zu mir fand. Mit einer beherzten Visitenkarte im Gepäck der Dame und einer ausgesprochenen Einladung an mich nach Bamberg, verließen wir in Würzburg gemeinsam den Zug, um schließlich in unterschiedliche Richtungen weiterzureisen.

Auf der vorletzten Etappe des Tages nahm dann irgendwann eine weitere Dame neben mir Platz, die von Stuttgart nach Hause fuhr und ich dieses Mal gänzlich ihren Erlebnissen lauschte, ohne meine eigenen zu erwähnen. So avancierte ich zur Zuhörerin und genoss mit einer guten Portion Neugierde im Gepäck die Erzählungen von einem geplatzten Westernhagen-Konzert und seinen Auswirkungen. Der anfängliche Frust der Dame über die Entwicklungen des Vorabends wandelte sich glücklicherweise dann noch in ein gutes Ende mit Straßenmusik & Coverversion von besagtem Herrn, der abgesagt hatte und mit guten Wünschen verabschiedeten wir uns, als sie an ihrer Station angekommen war. Bald darauf bescherte mir das Leben noch zwei Herren auf der anderen Seite des Ganges. Nun ja, erst einmal nahm nur einer von beiden dort Platz, der mir bereits durch sein Outfit beim hin und herlaufen durch den Zug aufgefallen war. Der zweite gesellte sich später hinzu und so wurde ich unweigerlich Zeuge von Geschichten rund ums Angeln und den fröhlichen Austausch der beiden, der sogar mich zum Lachen brachte. Der jüngere trug wie ich eine dunkelgrüne Lederjacke und so sprach er noch mit einem Lächeln unseren gleichen Geschmack in Modeangelegenheiten aus, den ich nur bekräftigen konnte. Für mich stand nun der letzte Zugwechsel in Treuchtlingen an und so verabschiedete ich mich von beiden mit einem „Petri Heil“, das uns fröhlich auseinandergehen ließ.

Reibungslos vollzog sich auch der Anschluss an den letzten Zug, der mich zu meiner 4. Reisestation nach Dachau bringen würde und eine ruhige Fahrt verschaffte mir die Gelegenheit Grüße zum Sohn zu senden und mich bei meinen 5. Gastgebern virtuell bemerkbar zu machen, um von meiner baldigen Ankunft zu berichten. Fast pünktlich erreichte ich schließlich am Abend um 22:38 Uhr mein vorläufiges Ziel, wuchtete ein letztes Mal den Rucksack auf meinen Rücken und betrat zum ersten Mal in meinem Leben den Boden der Stadt, der mich gleich mit einem großen A an einer Säule empfing, das ich mit einem Lächeln im Bild festhielt. Da mir mitgeteilt wurde, dass mich ein großer Herr mit roter Jacke am nahegelegenen Busbahnhof abholen würde, hielt ich mit meinem Lächeln Ausschau und sah wie im Gegenlicht der Straßenlaterne ein großes Wesen mit ebensolcher Jacke auf mich zutrat. Kurz darauf blickte ich dem Gastgeber in das freundlich lächelnde Gesicht und fühlte sofort eine Vertrautheit, da er mich mit seinem Antlitz auch an einen Schulkameraden aus alten Zeiten erinnerte. Ein kurzer herzlicher Austausch & die Hilfsbereitschaft beim Tragen bekräftigte direkt mein Wohlgefühl und so fuhren wir in seinem Gefährt auf vier Rädern zur Gastgeberin, die ich bereits vor vielen Jahren kennengelernt hatte. Ebenso herzlich nahm auch sie mich in Empfang. Ich war angekommen. Bei Freunden... und das war eine Wohltat... im wahrsten Sinne des Wortes. Erschöpft und glücklich endete so für mich der 22. Mai im Zeichen der Herzlichkeit und untermalte noch die Worte „LET THIS NEW CHAPTER OF YOUR LIFE BE THE BEST ONE YET“, die mich am Mittag per e-Mail erreicht hatten.

Fortsetzung folgt...

Fotografische Zeitzeugen

Foto-Credit: RAK Foundation…

Kategorie Reiseabenteuer

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