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Behind-the-Scenes: Wie ich mit meinen ADHS-Dämonen und der Community jongliere (und dabei nicht aufgebe)

Das Erleben von Gemeinschaft und Unterstützung statt Isolation und Selbstzweifel

Hallo liebe Community,

wenn Ihr meinen Newsletter lest, meine Vorträge verfolgt oder meine Aktivitäten in der Community seht, könnte man meinen, ich sei unglaublich produktiv, gut organisiert und voller Energie. Ein Macher, der Themen nach außen trägt, Inhalte aufbereitet, sich für ADHS und Neurodivergenz engagiert und scheinbar unermüdlich in seinem Element ist.

Und gerade aktuell bin ich wirklich mal mächtig stolz, weil wir die Marke von 200 aktiven Mitgliedern in der ADHSSpektrum-Community auf Skool “geknackt” haben. Ein riesen Dankeschön dafür !


Und ja, ein Teil von den ganzen “Stärken” ist wahr. Ich liebe, was ich tue. Ich brenne für meine Themen. Ich bin tief überzeugt davon, dass wir als neurodivergente Menschen uns gegenseitig stärken können, dass Wissen über ADHS eine unglaubliche Erleichterung sein kann, dass es sich lohnt, Strategien zu entwickeln, die uns das Leben leichter machen.

Aber hier kommt die Wahrheit, die mir oft nur allzu schmerzlich bewusst ist: Dieser Output, diese sichtbare Aktivität nach außen, ist für mich auch eine Art Funktionsmodus. Eine Strategie, um nicht in der inneren Schwere zu versinken. Eine Ablenkung von dem, was sich in meinem Kopf und meinem Leben manchmal anstaut.

Wenn der Funktionsmodus übernimmt

Es gibt Tage, an denen ich voll im Flow bin, in denen mir die Ideen nur so zufliegen und ich mich am liebsten sofort in das nächste (unvollendete) Projekt, den nächsten Newsletter oder einen neuen Community-Post stürzen würde. Aber es gibt genauso viele Tage, an denen ich nur funktioniere.

Dann arbeite ich nicht aus einem kreativen Überschuss heraus, sondern aus einem Überlebensmodus. Ich schiebe die innere Unruhe weg, indem ich mich auf To-dos stürze. Ich lenke mich von unangenehmen Gedanken ab, indem ich Inhalte produziere. Und manchmal, wenn ich sehr ehrlich bin, hilft mir die Tatsache, dass ich für Euch da sein kann, einfach dabei, mich selbst nicht so sehr mit meinen eigenen ungeklärten Dingen beschäftigen zu müssen.

Dieser Mechanismus ist mir vertraut. Schon früher in meinem Leben hat mich Aktivität davor bewahrt, mich mit all den offenen Baustellen in meinem Kopf auseinanderzusetzen. Ich arbeite dann nicht, weil ich besonders motiviert bin, sondern weil der innere Druck es verlangt. Weil Anspannung da ist, die irgendwohin muss. Weil meine Exekutivfunktionen bei Chaos in meinem Umfeld am besten unter Druck funktionieren – oder zumindest so tun, als ob.

Die Klinik: Wenn die Anspannung steigt

Gerade jetzt ist wieder so eine Phase. Die Anforderungen in der Klinik sind enorm, es gibt viele schwierige Fälle, vieles läuft parallel, und ich merke, dass die Anspannung nicht einfach wieder verschwindet, sondern sich in mir festsetzt. Längere Anspannung ist für mich ein Problem. Denn je länger sie dauert, desto mehr häufen sich die unerledigten Dinge – und desto größer wird der innere Druck.

Das sind dann die Tage, an denen ich besonders in diesen Funktionsmodus rutsche. Ich gebe nach außen Vollgas, schreibe einen Newsletter, halte einen Vortrag, diskutiere aktiv in der Community – und wenn ich dann am Abend innehalte, wird mir bewusst, dass ich mich selbst dabei wieder mal komplett ignoriert habe. Dass mein Schreibtisch voller offener Briefe, unbeantworteter Mails und unerledigter Aufgaben ist, für die ich bisher „keine Zeit hatte“ (oder vielleicht eher: für die mein Gehirn gerade keinen Zugang hat).

Und dann? Dann bleibt manchmal nur die Scham. Dieses unangenehme Gefühl, dass ich zwar nach außen so viel schaffe, aber gleichzeitig so viele Dinge im Hintergrund liegen bleiben. Dass ich in manchen Bereichen sichtbar funktioniere – und in anderen geradezu versage.

Warum ich trotzdem weitermache

So sehr mich diese Momente treffen, so sehr habe ich auch gelernt, dass mein System trotzdem funktioniert – auf meine Weise. Denn trotz allem profitiere ich von der Struktur, die ich mir mit der Community geschaffen habe.

Gerade das Buddy-Coaching in der Community hilft mir, mich wieder zu erden. Der Faktor “Mensch” in der Gemeinschaft ist enorm wichtig.

Man (ich) muss sich nicht maskieren, nicht erklären oder vor Scham im Boden versinken.

Nicht als „Experte“, sondern als jemand, der genauso struggelt wie viele von Euch. Es ist nicht nur meine Aufgabe, Euch zu unterstützen – Ihr unterstützt mich genauso. Durch Eure Fragen, durch Eure Rückmeldungen, durch die Verbindlichkeit, die entsteht, wenn ich mich mit Euch verabrede oder in einem Gespräch bin.

Manchmal ist es genau das, was mich davor bewahrt, mich ganz in meiner eigenen Welt zu verlieren. Die Tatsache, dass ich mich in dieser Community nicht verstecken kann. Dass ich nicht einfach „verschwinden“ kann, wenn ich mich überfordert fühle – weil ich weiß, dass andere Menschen auf meine Antwort warten, dass in den täglichen Buddy-Calls jemand sitzt, der sich darauf freut, nicht alleine zu sein.

Und so versuche ich, immer wieder den Weg zurückzufinden – zu mir selbst, zu einer Balance zwischen Funktionsmodus und echtem Leben.

That’s life

Ich weiß, dass ich wahrscheinlich nie zu den Menschen gehören werde, die alles perfekt organisiert haben. Ich werde mich wohl immer wieder daran erinnern müssen, dass mein Funktionsmodus nicht alles ist, dass hinter der Fassade ein echtes Leben mit echten Herausforderungen steht.

Und vielleicht ist genau das die wichtigste Erkenntnis: Dass es okay ist, wenn nicht alles glattläuft. Dass ich mit meinen Struggles nicht alleine bin. Dass es am Ende nicht darum geht, nie wieder ins Chaos abzurutschen – sondern darum, Wege zu finden, mit dem Chaos zu leben.



Ich freue mich über jeden Begleiter auf diesem Weg.
Neue Newsletter-Leser:innen
Neue Unterstützer hier auf Steady und
natürlich auch neue aktive Mitstreiter in der Skool-Community ADHSSpektrum bzw. im Buddy-Coaching



Wie auch immer.
Auch Teilen meiner Beiträge auf LinkedIn oder Facebook oder anderen Social Media hilft ungemein.


Danke, dass Ihr mich dabei begleitet. Danke, dass ich mit Euch diese Reise gehen darf.


LG
Martin

2 Kommentare

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