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ADHS Urlaubs-Newsletter

Familie Winkler ist im Urlaub und Du sollst aber dennoch nicht ganz ohne Nachrichten aus der neurodivergenten Welt bleiben. Zumindest diese Woche also eine weitere Ausgabe (Nummer 10) u.a. zu einem neuen “objektiven” Test in Sachen Medikamentenwirkung bei ADHS… Und etwas aus meiner persönlichen Vergangenheit in Mainz bzw. die Rolle der Selbsthilfe in der Aufklärung von ADHS und Neurodiverenz (schönen Gruß nach Mainz).
Damit das Aufräumen etwas besser klappt, dann auch noch einige praktischen Tipps im Kampf gegen das Unordnungs-Monster…



Die Suche nach Objektivität in der ADHS-Diagnostik – Ein Blick auf die Augen-Tracking-Technologie

Liebe Leserinnen und Leser,

In der Medizin wird ständig nach neuen Wegen gesucht, um die Objektivität und Genauigkeit der Diagnosestellung zu verbessern. Ein spannendes Feld, das in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erregt hat, ist die Nutzung von Augen-Tracking-Technologien. Könnten diese Technologien uns dem Traum eines "objektiven ADHS-Tests" näherbringen, insbesondere bei einer so vielschichtigen Spektrum-Störung wie ADHS?

Ich war da immer etwas sehr skeptisch, aber auch neugierig.

Eine kürzlich im Journal of Attention Disorders veröffentlichte Studie stellt eine neuartige Methode vor, die Wirkung von Stimulanzien bei Personen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) durch den innovativen Einsatz von Augen-Tracking-Technologie objektiv zu messen. Diese Methode, bekannt als das iFocus-Verfahren, verspricht ein signifikantes Fortschreiten hin zu einer personalisierten Medizin bei der Behandlung von ADHS. Zumindest wird das erstmal so dargestellt.

ADHS ist ja nun sicher mehr als Ablenkbarkeit und UnruheDie primäre Behandlung besteht aus Stimulanzien wie Methylphenidat (MPH) und Amphetaminen (AMP), deren Wirksamkeit jedoch traditionell auf subjektiven Bewertungen basiert, die in ihrer Genauigkeit stark variieren können.

Um diese Herausforderungen zu adressieren, entwickelten Forscher die iFocus-Methode, die eine objektive Beurteilung der Auswirkungen von Stimulanzien auf ADHS-Patienten ermöglichen könnte. Laut Studienautor Glen Elliott von der Stanford School of Medicine bietet das iFocus-Verfahren die Möglichkeit, die Wirksamkeit von Medikamenten nahezu überall und jederzeit objektiv zu messen, vorausgesetzt, man hat Zugang zu einer Webcam und einem Computer.

Die Ergebnisse der Studie zeigen eine signifikante Verbesserung der Lesegeschwindigkeit unter Medikation, was darauf hindeutet, dass Stimulanzien positiv auf die Leseleistung und somit indirekt auf die Aufmerksamkeitsfähigkeit wirken. Ein maschinelles Lernalgorithmus konnte darüber hinaus zwischen medizierten und nicht-medizierten Zuständen mit angemessener Genauigkeit unterscheiden.

Doch wie objektiv kann ein Test sein, wenn es um eine Spektrum-Störung wie ADHS geht? Und sagt nun Lesegeschwindigkeit bzw. Leseleistung etwas über ADHS aus?
Die Studie selbst weist auf mehrere Limitationen hin, darunter die relativ kleine Stichprobengröße und die Fokussierung auf die Wirkung von Stimulanzien, ohne die gesamte Effektivität der Behandlung zu berücksichtigen. Zudem basiert der AI-Algorithmus, der das Herzstück des iFocus-Verfahrens bildet, auf Daten einer Gruppe von 100 Teilnehmenden, was bedeutet, dass die Methode nicht bei jedem Einzelfall greifen könnte.

Es ist wichtig zu betonen, dass keine medizinische Entscheidung ausschließlich auf Basis des iFocus-Scores getroffen werden sollte. Vielmehr kann das iFocus-Verfahren dazu beitragen, Diskussionen zwischen Kliniker:innen und Patient:innen zu leiten und den Patient:innen mehr Sicherheit bei ihren Entscheidungen zu geben.

Die Frage bleibt: Kann oder sollte es einen objektiven Test für eine Spektrum-Störung wie ADHS geben? Während objektive Messungen zweifellos wertvolle Werkzeuge in unserem diagnostischen Arsenal sind, dürfen wir die Komplexität und Individualität der ADHS nicht unterschätzen. Eine ganzheitliche Betrachtung, die sowohl objektive als auch subjektive Aspekte berücksichtigt, bleibt unerlässlich.

Ich freue mich über eure Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema.

Quelle : An Objective Assessment of Effect of Stimulants on Attention in Individuals With ADHD (Öffnet in neuem Fenster),” von Glen R. Elliott, Adi Diner, and Einat Sitbon.
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Ein persönlicher Ein (Öffnet in neuem Fenster)
blick: Eine unerwartete Begegnung

In der Zeit, als ich noch an der Universität Mainz arbeitete (also um 2001), war ich aktives Mitglied der dortigen Selbsthilfegruppe für Erwachsene mit ADHS. Diese Gruppe bot einen wertvollen Raum für Austausch und Unterstützung, in dem wir unsere Erfahrungen teilen und voneinander lernen konnten.

Bei einem unserer Treffen erlebte ich eine besonders denkwürdige Begegnung, die mir immer noch ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn ich daran denke. Ein neues Mitglied kam zu unserem Meeting – ein junger Mann, der mit großer Sorgfalt zwei dicke Aktenordner bei sich trug. Diese Ordner enthielten ausgedruckte Beiträge von ADD-Online, einer Webseite, die ich zusammen mit Piero Rossi aus der Schweiz ins Leben gerufen hatte. ADD-Online war quasi der Vorläufer von ADHSSpektrum.com (Öffnet in neuem Fenster) und diente als eine zentrale Informationsquelle für Menschen mit ADHS.

Das neue Mitglied war offensichtlich sehr engagiert und wollte uns die Inhalte dieser Ordner vorstellen, die er als äußerst hilfreich für sein Verständnis von ADHS empfand. Als ich mich schließlich als Martin Winkler vorstellte, konnte ich die Überraschung in seinem Gesicht sehen. "So ein Zufall, dass du den gleichen Namen hast wie der Autor dieser ganzen Beiträge...", sagte er, sichtlich verblüfft.

Diese Begegnung war für mich ein eindrucksvoller Moment, der zeigte, wie weit die Reichweite unserer Arbeit gegangen war und wie sie Menschen, denen wir nie persönlich begegnet sind, unterstützen und beeinflussen konnte. Es war auch eine Erinnerung daran, dass die Welt manchmal kleiner ist, als wir denken, und dass unsere Bemühungen, die Gemeinschaft zu unterstützen, tatsächlich Früchte tragen.

Die Zeiten haben sich seitdem natürlich verändert, und die Art und Weise, wie wir Informationen über ADHS austauschen und darauf zugreifen, hat sich weiterentwickelt. Doch mein Engagement für die ADHS-Gemeinschaft bleibt unverändert stark. Ich freue mich immer über den Austausch mit Selbsthilfegruppen und darüber, neue Wege zu finden, um Unterstützung und Verständnis für ADHS zu fördern.

Wenn ihr Teil einer Selbsthilfegruppe seid oder einfach nur eure Gedanken und Erfahrungen teilen möchtet, zögert nicht, Kontakt aufzunehmen. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, ein Netzwerk des Verständnisses und der Unterstützung zu schaffen, das über die Grenzen von Webseiten und persönlichen Begegnungen hinausgeht.

Eure Geschichte ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie wichtig und wertvoll der persönliche Austausch in der ADHS-Gemeinschaft ist. Lasst uns diese Verbindungen weiter stärken und ausbauen.

Ich bin froh, dass DU teil meiner Gemeinschaft bist. Wir tauschen uns zwischenzeitlich übrigens immer mehr auch über Threads von Meta aus. Dort bin ich als dr.martin.winkler@threads.net (Öffnet in neuem Fenster) zu finden.

Es wäre schön, wenn Du den Newsletter bzw. ADHSSpektrum weiter im ADHS-Bekanntenkreis verbreitest bzw. Beiträge teilst. Oder am besten gleich Mitglied als Unterstützer wirst :-)



Alltagstipps

Alltagshacks gegen Unordnung im Wohnzimmer bei ADHS

Liebe Community,

Unordnung im Wohnzimmer kann für Menschen mit ADHS eine besondere Herausforderung darstellen. Die ständige visuelle Stimulation durch herumliegende Gegenstände kann überwältigend wirken und die Konzentration sowie das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen. Um euch dabei zu unterstützen, ein harmonischeres Wohnambiente zu schaffen, möchten wir heute 7 praktische Alltagshacks mit euch teilen.

Andi aus meiner Coaching-Gruppe hat eine besonders effektive Methode für das Aufräumen. Er nutzt eine Stirnlampe, die quasi jeweils nur einen bestimmten Bereich (der Unordnung) im Zimmer ausleuchtet. Gerade dann, wenn es dunkel ist….



Er wird beim Aufräumen nicht von der Menge der anderen Reize (oder Aufgaben) überfordert oder abgelenkt sondern kann dann wirklich Stück für Stück die Sachen abarbeiten.

Gestern im Einzel-Coaching mit einer Autistin berichtete sie mir, dass sie es genauso macht. Und auch viel weniger Entscheidungsprobleme hat, wo sie anfangen soll oder was weg kann oder was bleibt.

Hier sind 7 weitere Hacks aus der Ordnungs- und Unordnungsszene….

1. Definiere Zonen

Teile dein Wohnzimmer in klar definierte Bereiche oder Zonen ein, wie z.B. eine Lese- oder Entspannungsecke, eine Spielezone oder einen Arbeitsbereich. Dies hilft, Ordnung zu halten, da jeder Bereich seinen eigenen Zweck und somit auch eine klar definierte Ordnung hat.

2. Nutze Aufbewahrungslösungen



Investiere in Aufbewahrungslösungen, die zu deinem Lebensstil passen. Körbe, Boxen und Regale können effektiv dabei helfen, Gegenstände zu organisieren. Beschrifte die Aufbewahrungslösungen, um den Überblick darüber zu behalten, wo alles hingehört.

3. Tägliche Aufräumroutine

Integriere eine kurze Aufräumroutine in deinen Tagesablauf. Nehme dir zum Beispiel vor, jeden Abend 10 Minuten aufzuwenden, um das Wohnzimmer aufzuräumen. Diese Routine kann dabei helfen, die Ansammlung von Unordnung zu verhindern.

4. Reduziere Besitz

Weniger ist oft mehr. Durchforste regelmäßig deine Besitztümer und entscheide, was du wirklich brauchst und was weg kann. Dies verringert die Menge an Gegenständen, die Unordnung verursachen können.

5. Ein-Item-Regel

Führe die Ein-Item-Regel ein: Wenn ein neuer Gegenstand ins Wohnzimmer kommt, muss ein anderer weichen. Dies hilft dabei, die Anhäufung von Dingen zu vermeiden und fördert gleichzeitig die Entscheidungsfähigkeit darüber, was wirklich wichtig ist.

6. Visualisiere Ordnung

Manchmal kann es hilfreich sein, sich eine visuelle Erinnerung an Ordnung zu schaffen. Das kann ein Foto von deinem ideal aufgeräumten Wohnzimmer sein, das du an die Wand hängst. Dieses Bild dient als Motivation und Erinnerung, den Raum ordentlich zu halten.

7. Setze auf Routinen statt auf Perfektion

Akzeptiere, dass nicht immer alles perfekt sein wird, und setze stattdessen auf praktikable Routinen und Systeme, die dir dabei helfen, ein Grundmaß an Ordnung zu halten. Perfektionismus kann demotivierend wirken, während Routinen eine nachhaltige Lösung bieten.

Schreib mir mal DEINEN persönlichen Aufräum-Hack für das Wohnzimmer oder die Wohnung (unter webpsychiater@gmail.com (Öffnet in neuem Fenster))


Wie immer gilt : Teile und Verbreite meinen Newsletter in den Social Media oder Selbsthilfegruppen. Denk an ein Abo des Newsletter bzw. die Mitgliedschaft bei ADHSSpektrum. Und vor allem, bleibt neugierig auf die nächste Ausgabe…

Kategorie Neurodiversität

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