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Failure to launch : Vom gescheiterten Start in das Erwachsenenleben

Das "Failure to Launch" Syndrom (FTL Syndrom) ist ein Problem, das sich immer häufiger bei jungen Erwachsenen zeigt. Dabei handelt es sich um Menschen, die Schwierigkeiten haben, in das Erwachsenenleben einzusteigen.



Ob man dazu nun einen eigenen neuen Begriff braucht, darüber kann man streiten. Dennoch beobachte ich dieses Phänomen halt auch im klinischen Umfeld immer häufiger. Entweder wird dann an eine "Depression" gedacht oder aber Traumata / Entwicklungstraumatisierungen postuliert. Aber ist das wirklich immer die beste Erklärung, wenn die Selbstständigkeitsentwicklung irgendwie misslingt und der Aufbruch ins Erwachsenenalter so schiefgeht bzw. "die Rakete erst gar nicht zündet"?

In Deutschland gibt es keine direkte Übersetzung für den Begriff "Failure to Launch". Es wird jedoch manchmal als "Versäumnis des Erwachsenwerdens" oder "Misserfolg beim Aufbruch ins Erwachsenenleben" übersetzt. Es bezieht sich auf junge Erwachsene, die Schwierigkeiten haben, Verantwortung zu übernehmen und sich unabhängig zu machen, obwohl sie keine neurologischen oder psychischen Störungen haben.


Diese jungen Menschen leben häufig bei ihren Eltern und sind von ihnen abhängig, um finanzielle Unterstützung, Nahrung und Unterkunft zu erhalten. Das FTL Syndrom ist besonders frustrierend für Eltern, die sich bemühen, ihre Kinder auf das Erwachsenenleben vorzubereiten, aber das Gefühl haben, dass ihre Kinder trotzdem nicht in der Lage sind, auf eigenen Beinen zu stehen.

Es ist mir wichtig zu betonen, dass das FTL Syndrom nicht das Ergebnis einer neurologischen, mentalen oder intellektuellen Beeinträchtigung ist. Also eben gerade beispielsweise nicht durch ADHS oder Autismus-Spektrum-Syndrom zu erklären ist.

Es handelt sich vielmehr um eine Schwierigkeit, sich an die Herausforderungen des Erwachsenenlebens anzupassen. Betroffene haben möglicherweise Schwierigkeiten, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen oder langfristige Ziele zu setzen. Sie können auch Schwierigkeiten haben, sich in sozialen oder beruflichen Situationen zurechtzufinden und Sicherheit im Leben für eigene Entscheidungen, aber auch eigene Fehler zu entwickeln. Und nicht zuletzt eben auch in Hinblick auf sexuelle Beziehungen, Partnerschaft und dann Familie sich zurecht finden zu können.

Das FTL Syndrom kann viele Ursachen haben, einschließlich fehlender Lebenskompetenzen und Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Stress. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tendenz der Eltern, ihre Kinder zu sehr zu beschützen und ihnen nicht genügend Freiraum zu geben, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und aus ihren Fehlern zu lernen.

Obwohl es keine genauen Zahlen gibt, zeigen einige Studien, dass FTL in den letzten Jahren zugenommen hat. Einige Experten schlagen vor, dass dies auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen sein könnte, darunter eine unsichere Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage, höhere Bildungsanforderungen und eine zunehmend individualistische Kultur, die dazu beiträgt, dass junge Erwachsene sich später im Leben niederlassen und Verantwortung übernehmen.

Je verunsicherter aber Eltern (bzw. alleinerziehende) Elternteile in Hinblick auf richtige oder falsche Erziehung heute sind, desto mehr überträgt sich diese Unsicherheit dann auf ihre Kinder. Die Möglichkeiten in Gemeinschaft von Gleichaltrigen (Sportvereine, andere Jugendgruppen, Musikgruppen, DRK, DLRG oder freiwillige Feuerwehr) entsprechende Lernerfahrungen zu machen, werden immer weniger. Und es werden äußere Vorbilder bzw. Rituale im Übergang in das Erwachsenenleben immer weniger.

Eltern, die mit dem FTL Syndrom konfrontiert sind, können sich hilflos und frustriert fühlen. Sie haben möglicherweise das Gefühl, dass sie versagt haben, ihre Kinder auf das Erwachsenenleben vorzubereiten, oder dass sie ihre Kinder zu sehr verwöhnt haben. Es ist jedoch wichtig, sich daran zu erinnern, dass das FTL Syndrom nicht die Schuld der Eltern ist, sondern ein Problem, das von vielen Faktoren verursacht wird.

Es gibt jedoch Schritte, die Eltern unternehmen können, um ihren Kindern dabei zu helfen, das FTL Syndrom zu überwinden. Eine Möglichkeit ist es, klare Erwartungen und Grenzen zu setzen. Eltern sollten ihren Kindern klare Richtlinien für das Zusammenleben geben und sie ermutigen, Verantwortung zu übernehmen. Eine andere Möglichkeit ist es, ihnen Raum zu geben, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und aus ihren Fehlern zu lernen. Indem sie ihren Kindern erlauben, unabhängiger zu sein, können Eltern dazu beitragen, dass ihre Kinder ihre Fähigkeiten und ihr Selbstvertrauen verbessern und sich besser auf das Erwachsenenleben vorbereiten.

In einigen Fällen kann es jedoch notwendig sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Therapeut oder Berater kann den Betroffenen helfen, Fähigkeiten zu entwickeln, um mit den Herausforderungen des Erwachsenenlebens umzugehen, und den Eltern helfen, Strategien zu entwickeln, um ihre Kinder zu unterstützen.

Wie unterscheidet sich FTL nun von Prokrastination oder ADHS?


Das "Failure to Launch" (FTL) Syndrom unterscheidet sich von Prokrastination und Störungen der Exekutivfunktionen bei ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) in einigen wichtigen Aspekten.

Prokrastination bezieht sich auf eine Verzögerungstendenz, bei der Menschen Aufgaben oder Entscheidungen aufschieben, obwohl sie wissen, dass sie diese erledigen müssen. Im Gegensatz dazu haben Menschen mit FTL Schwierigkeiten, überhaupt Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Sie können sich auch schwer tun, langfristige Ziele zu setzen und zu verfolgen.

Störungen der Exekutivfunktionen bei ADHS können ebenfalls Schwierigkeiten beim Starten und Fertigstellen von Aufgaben und Projekten verursachen. Diese Schwierigkeiten sind jedoch auf eine spezifische neurologische Störung zurückzuführen. Im Gegensatz dazu haben Menschen mit FTL keine neurologische Störung und haben Schwierigkeiten, sich an die Herausforderungen des Erwachsenenlebens anzupassen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass Menschen mit ADHS oft Schwierigkeiten haben, sich zu organisieren und Prioritäten zu setzen. Dies kann jedoch mit geeigneten Behandlungen wie Medikamenten und Therapie verbessert werden. Im Gegensatz dazu ist das FTL Syndrom nicht auf eine spezifische Störung zurückzuführen und erfordert möglicherweise eine andere Art von Intervention.

Betrifft FTL dann Kinder von „Helicopter-Eltern“?


FTL betrifft eher junge Erwachsene, die Schwierigkeiten haben, sich an die Anforderungen und Herausforderungen des Erwachsenenlebens anzupassen, obwohl sie kein neurologisches oder psychisches Leiden haben. In vielen Fällen können die Gründe für FTL komplex und vielfältig sein.

Obwohl eine überfürsorgliche Erziehung ein Faktor sein kann, der zur Entwicklung von FTL beiträgt, ist es wichtig zu betonen, dass nicht alle Kinder von Helicopter-Eltern betroffen sind und nicht alle jungen Erwachsenen mit FTL-Problem in einer solchen Umgebung aufgewachsen sind. Andere Faktoren wie mangelnde berufliche Orientierung, mangelnde finanzielle Unabhängigkeit, Beziehungsprobleme oder gesundheitliche Probleme können ebenfalls eine Rolle spielen.

Es ist jedoch bekannt, dass eine überfürsorgliche Erziehung, bei der Eltern Entscheidungen für ihre Kinder treffen und ihnen nicht genügend Raum geben, um unabhängig zu werden und Erfahrungen zu sammeln, ein Risikofaktor für die Entwicklung von FTL sein kann. Kinder, die in dieser Art von Umgebung aufwachsen, haben möglicherweise Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit zu entwickeln, was sich negativ auf ihre Fähigkeit auswirken kann, sich an die Herausforderungen des Erwachsenenlebens anzupassen.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das FTL Syndrom ein eigenständiges Problem ist, das sich von Prokrastination und Störungen der Exekutivfunktionen bei ADHS unterscheidet. Es erfordert möglicherweise spezifische Behandlungsansätze und Strategien, um betroffenen Personen zu helfen, sich an das Erwachsenenleben anzupassen und unabhängiger zu werden.

 Habt ihr auch Erfahrungen in der eigenen Familie bzw. Umfeld gemacht, dass es zu Fehlstarts in das Erwachsenenleben kommt?

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