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Marian Grau über schweres Schicksal, Lektionen und eine entscheidende Frage

In einem Café am Berliner Hauptbahnhof sind wir mit Marian verabredet. Dass er für unser Treffen nach Berlin gekommen ist, finden wir nicht selbstverständlich. Klar verbindet er das auch gleich noch mit einem Besuch bei seinem Buchverlag, wenn er schon mal da ist. Ansonsten lebt und studiert der 19-Jährige in Baden-Württemberg oder reist an Orte, die kaum jemand auf der Bucketlist hat. Darin hat er seine Leidenschaft gefunden, nachdem er die erste Hälfte seines Lebens nur ein Reiseziel kannte: Das Kinderhospiz in Olpe. Mit 14 Jahren hat er über die Zeit mit seinem verstorbenen Bruder ein Buch geschrieben. Es heißt Bruderherz – ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt. Damit wollte er Marlon ein Denkmal setzen. Heute ist er zurecht stolz darauf, dass er das geschafft hat und noch eine ganze Menge mehr. Als wir uns gerade im Spreebogenpark in eine ruhige Ecke setzen, beginnt nicht weit von uns ein Glockenspiel zu läuten, über das wir mehrmals gemeinsam lachen können, weil es über eine Stunde lang nicht mehr aufhört. Ein durchweg außergewöhnliches Gespräch.

Interview Florian Saeling & Marcel Ristau Fotos Max Saeling

Marian, dein Buch hat mich vor vier Jahren sehr inspiriert und du weißt, dass ich mich darauf­hin entschieden habe, einen Jungen über ein Kinderhospiz zu begleiten und auch einige Geschwisterreisen. Aber wenn ich das Buch jetzt noch nicht kennen würde und dich einfach so frage: “Worum geht's?” Was würdest du sagen?
Es geht um einen jungen Menschen, der in eine Welt geboren wird, die vielleicht von außen sehr klein und beschränkt wirkt, in der er sich aber unglaublich wohlfühlt. Die Geschichte soll zeigen, was schwierige Situationen aus einem Menschen machen und wie bereichernd so ein schweres Schick­sal auch sein kann. Marlon hat mein Leben so grundlegend verändert und mir so eine gute Basis gegeben, dass es bis heute seine Wurzeln geschlagen hat, bis heute nachwirkt und hoffentlich auch noch viele Jahrzehnte weiter.

Was war denn dein Antrieb, mit 14 Jahren eure Geschichte in einem Buch zu erzählen?
Letzten Endes war es eine Schnapsidee von mir. Ich war im Flugzeug unterwegs mit meinem Vater, habe aus dem Fenster geschaut und über mein Leben nachgedacht, über mei­nen Bruder. Meine Mutter hatte immer gefragt: “Warum? Warum ausgerechnet wir? Was soll das?” Ich hatte mir die Frage nie richtig gestellt, aber dort im Flugzeug habe ich sie mir gestellt und binnen zwanzig Minuten meine Antwort gefunden:

Ich glaube, das war Marlons Job.

Marlons Aufgabe war es einfach, meine Familie zu dem Haufen liebenswerter Menschen zu machen, der sie eben heute ist. Er sollte mir, aber auch meinen Eltern so ein paar grund­legende Lektionen mit auf den Weg geben, so ein paar absolute Basics, die ich auf's Innerste verinnerlichen soll und die ich mein Leben lang mittragen werde. Das hat für mich Sinn gemacht und dann hab ich mich gut gefühlt und mir gedacht: “So, und was mache ich jetzt damit?”

Dann ist es jetzt also dein Job, rauszugehen, deinem Bruder ein Denkmal zu setzen und zu erzählen, was du gelernt hast über das Leben.

Dass es dann so schnell so weit gekommen ist und ich dann wirklich so schnell die Möglichkeit bekommen habe, ein Buch zu schreiben, das hatte ich da­mals natürlich nicht gewusst. Aber es ist eine glückliche Fügung und dann denke ich, es hat auch schon alles so sein sollen.

Was haben deine Eltern zu dem Vorhaben gesagt?

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Kategorie Interview

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