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Von Little India nach Little Jaffna

Salut aus Paris,

Vive la République, vive la France! Letzte Woche wurde in Frankreich der Nationaltag gefeiert und die Hauptveranstaltungen haben natürlich alle in Paris stattgefunden: Von der großen Militärparade bis zum feierlichen Abendkonzert und dem pompösen Feuerwerk. Nachdem wir im letzten Jahr das volle Programm live vor Ort miterlebt haben, haben wir die Feierlichkeiten diesmal von zu Hause aus verfolgt. Neben Emmanuel und Brigitte Macron hat in diesem Jahr der indische Premierminister Narendra Modi auf der Tribüne gesessen und sich die Militärparade vom Place de la Concorde aus angeschaut, denn Indien ist als Gastland nach Frankreich eingeladen worden. Das haben wir zum Anlass genommen, uns die indische Gemeinschaft in Paris einmal genauer anzugucken.

Dafür sind wir in die berühmte Brady-Passage im 10. Arrondissement gefahren (wo sich Irem immer ihre Augenbrauen machen lässt – nur als kleiner Tipp am Rande), die voll mit indischen Restaurants, Friseuren und Schönheitssalons sowie einem kleinen Supermarkt ist, in dem wir Delia und ihren Kater Minou getroffen haben. Dann sind wir weiter Richtung Gare du Nord gelaufen, wo wir die kulinarischen Köstlichkeiten Indiens entdeckt und auch ein kleines bisschen über Politik geredet.

Damit verabschieden wir uns für den Moment von euch, denn wie ihr wisst, gehört Paris im August den Touristen. Nach einer hoffentlich erholsamen Pause und vielen neuen Ideen melden wir uns im September wieder zurück!

Schönen Sommer und viel Spaß beim Lesen
İrem & Arthur

Was war diese Woche los in Paris?

Am 14. Juli waren wieder alle Augen auf Frankreich, beziehungsweise Paris gerichtet, als in der Hauptstadt die traditionellen Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag stattgefunden haben. Während der 3. Oktober in Deutschland eher bescheiden ausfällt, werden in Frankreich die schweren Geschütze ausgefahren – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Alles, was das französische Militär zu bieten hat, wird auf und über den Champs Élysées unter den wachsamen Blicken Macrons präsentiert und von tausenden Schaulustigen (meist Nicht-Parisern) bestaunt.

Für das abendliche Festkonzert am Eiffelturm (Opens in a new window) sind in diesem Jahr renommierte Künstler aus der Klassikbranche wie die Sänger Ludovic Tézier und Pretty Yende, Pianist Daniil Trifonov und Geigerin Vilde Frang nach Paris gereist. Mit dem anschließenden Feuerwerk hat der Nationalfeiertag wieder einmal seinen feierlichen Abschluss gefunden.

Doch so glänzend wie das Feuerwerk ging nicht alles über die Bühne. Als Gastland ist diesmal Indien eingeladen worden, was für einige Kontroversen gesorgt hat. Ende April hat es indischen Bundesstaat Manipur starke ethnische Unruhen gegen die christliche Gemeinschaft dort gegeben: Bei gezielten Angriffen und Brandstiftungen sind mehr als 300 Kirchen und 1.000 Privathäuser von Christen zerstört worden. Mehr als 70 Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Als die „Wall Street Journal“-Reporterin Sabrina Siddiqui im Juni Indiens Premierminister Narendra Modi während seines USA-Besuchs fragt, welche Maßnahmen er zum Schutz und zur Wahrung der Minderheiten treffe, wird sie im Netz heftig angefeindet (Opens in a new window).

Auch Modis Aufenthalt in Paris im Rahmen des Nationalfeiertags hat reichlich Aufregung in die indische Community in der Hauptstadt gebracht. Am Abend des 13. Juli hat der Premierminister bereits in den großen Saal von La Seine Musical geladen, wo sich 4000 Diaspora-Inder zusammengefunden und ihn gefeiert haben (Opens in a new window). Darunter auch unser Freund Murugesh: „Natürlich bedeutet es uns etwas, wenn Premierminister Modi an der Parade des Nationalfeiertags in Frankreich teilnimmt, denn es zeigt die Partnerschaft zwischen den beiden Ländern“, sagt er. „Die indische Diaspora hier in Paris ist sehr groß, denn es werden viele unterschiedliche Sprachen gesprochen und je nachdem ist auch die Community anders. Aber wenn es um Indien geht, halten wir alle zusammen.“

Das sieht ein Sari-Ladenbesitzer, der uns seinen Namen nicht nennen möchte, ganz anders. Er sei Christ, erzählt er uns und sagt: „Modi lässt Menschen in Kirchen verbrennen und fährt nicht einmal zum Unglücksort. Dafür reist er nach Frankreich, um 26 Flugzeuge zu kaufen.“ Aufhalten ließ sich Modi davon nicht: Gut gelaunt zeigte er sich bei der Parade und feierte mit Präsident Macron sein Militär, das ebenfalls extra zu diesem Anlass nach Paris gereist war.

Von Little India nach Little Jaffna

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Auf dem Kühlschrank schläft Minou, unbeeindruckt von den Geräuschen seiner Umgebung. Der achtjährige Kater ist ein bekanntes Gesicht im Supermarkt „Velan“, der nur wenige Schritte vom Gare de l’Est entfernt liegt. Hier treffen sich die indische Gemeinschaft und Liebhaber asiatischer Aromen, um Gewürze, große Säcke Reis, Schmuck, Räucherstäbchen und religiöse Accessoires zu kaufen.

Der Supermarkt befindet sich in der Brady-Passage, in der es viele weitere indische Restaurants, Geschäfte und Schönheitssalons gibt, und geht auf die Mitte der 1970er Jahre zurück. Sein Gründer, Antoine Ponnoussamy, war ein katholischer Inder aus Pondichery, einer ehemaligen französischen Kolonie, wo er als Koch des französischen Botschafters tätig war. Zwar verstarb er 2017 – eine Tafel erinnert noch immer an ihn –, doch der Laden blieb in den Händen seiner Familie. Als wir ihn besuchen, steht seine Tochter Delia an der Kasse.

„Etwa zehn Jahre lang befand sich unser Geschäft am Eingang der Brady-Passage. Um zu expandieren, konnte mein Vater diesen Laden, eine ehemalige Wäscherei, günstig erwerben“, erzählt sie. Im Laufe der Jahre haben sich die Brady-Passage und die angrenzende Straße Faubourg Saint-Denis als Hochburg der indischen und südasiatischen Gemeinschaft in der französischen Hauptstadt etabliert und werden seit den 1990er-Jahren von den Medien als „Indiatown“ oder „Little India“ bezeichnet.

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In der Brady-Passage gibt es zahlreiche indische Restaurants, Geschäfte und Schönheitssalons © Aus Paris

Treffpunkt und Ort der Solidarität

„Die Präsenz von Bevölkerungsgruppen südasiatischer Herkunft in Frankreich ist zwar kein neues Phänomen, entwickelt sich aber vor allem seit den 1970er-Jahren“, schreibt der Forscher Delon Madavan, Mitglied des Centre d’études et de recherche sur l’Inde, l’Asie du Sud et sa diaspora (Zentrum für Studien und Forschung über Indien, Südasien und seine Diaspora). Die Migration kam zunächst aus den ehemaligen von Frankreich kolonisierten Gebieten und weitete sich nach und nach auf Bevölkerungsgruppen aus ehemals von den Briten kolonisierten Regionen des Subkontinents wie Sri Lanka, Indien, Pakistan oder Bangladesch aus.

„Die Verschärfung der Einwanderungsgesetze in Großbritannien seit 1962, um den Zustrom von Migranten aus dem Commonwealth zu reduzieren, [zwang] die Bevölkerungen des indischen Subkontinents, sich nach anderen Zielen umzusehen“, betont der Forscher.

Während die ersten Ankömmlinge sich in Wohnungen und kleinen Hotels in Paris niederließen, verlagerte sich ihr Wohnort allmählich aus der Hauptstadt heraus. Dennoch dienen das 10. und 13. Arrondissement der Stadt weiterhin als Treffpunkt und Ort der Solidarität für die indische Gemeinschaft.

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Kämpfte für die Unabhängigkeit der Tamilen: Tamil Tigers-Anführer Velupillai Prabhakaran © Aus Paris

In der Nähe des Gare de l’Ests, wo sie sich mit Menschen aus der Türkei und dem subsaharischen Afrika mischt, besteht diese Gemeinschaft hauptsächlich aus Leuten, die aus Nordindien, Pakistan, Bangladesch und Mauritius stammen. Wenn man jedoch zum Gare du Nord und weiter in den Stadtteil La Chapelle hinaufgeht, ändert sich die Stimmung. Wir befinden uns nun in „Little Jaffna“, benannt nach der Hauptstadt der nördlichen Provinz Sri Lankas.

Ältester Tempel ist Ganesha gewidmet

Auch hier finden wir Restaurants, Sari- oder Videoläden, Übersetzungsbüros oder Supermärkte – wie den beliebten VS-CO –, die sich an die gesamte südasiatische Gemeinschaft richten. Im Gegensatz dazu ist die tamilische Präsenz aus Sri Lanka hier vorherrschend mit einer viel stärkeren „politischen Funktion“ als in „Little India“, wie Delon Madavan erklärt.

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Wirkt von außen eher unscheinbar: Der Tempel Ganesha © Aus Paris

Das Porträt eines Mannes in einer Militäruniform auf der Vorderseite eines Geschäfts fällt uns auf. Wir fragen einen Angestellten, um wen es sich handelt. „Das ist der Anführer“, antwortet er. Eine schnelle Internetrecherche ergibt, dass es sich um Velupillai Prabhakaran handelt, den ehemaligen Führer der Tamil Tigers, einer bewaffneten Bewegung für die Unabhängigkeit der Tamilen in der nordöstlichen Provinz Sri Lankas.

In „Little Jaffna“ ist auch die religiöse Dimension stärker ausgeprägt, da es hier mehrere hinduistische Tempel gibt. Der älteste ist der 1985 gegründete Sri-Manicka-Tempel, der dem elefantenköpfigen Gott Ganesha gewidmet ist. Von außen lässt die sehr schlichte Fassade nicht vermuten, dass sich in dieser relativ ruhigen Parallelstraße ein Tempel befindet. Doch das an diesem Samstag geöffnete Tor zeigt einen großen Raum, der mit einer reichen Dekoration, zahlreichen Skulpturen und Opfergaben ausgestattet ist. Wir gehen nicht hinein, um die vielen Gläubigen nicht zu stören, nehmen uns aber vor, an der großen jährlich stattfindenden Parade teilzunehmen, bei der jedes Mal mehrere Tausend Menschen dabei sind. Dieses Jahr findet sie am 27. August statt.

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