Referenzbudgets 2024
Ende Mai wurden die neuen Zahlen für die Referenzbudgets veröffentlicht, auf die ich jedes Jahr gespannt warte. Diese Zahlen sind der breiten Öffentlichkeit jedoch weitgehend unbekannt und werden von den Medien maximal in einer Randnotiz erwähnt. Dies bestätigte auch eine Umfrage in meiner Twitter-Community, die aus sehr informierten Menschen besteht:
81% der Teilnehmenden kannten die Referenzbudgets nicht. Auch wenn diese Umfrage nicht repräsentativ ist, wage ich zu behaupten, dass eine größere und repräsentativere Umfrage zu ähnlichen Ergebnissen führen würde.
Deshalb werde ich in nächster Zeit mehr über dieses Thema schreiben. Warum? Weil diese Zahlen nicht einfach in einer Schublade verschwinden sollten. Denn es handelt sich um exakte Berechnungen, die zeigen, was Menschen je nach Haushaltssituation zum Leben brauchen.
Diese Budgets umfassen sowohl die Fixkosten als auch die Ausgaben für den täglichen Bedarf, Kleidung, Schulkosten sowie kulturelle und soziale Teilhabe. Sie verdeutlichen den eklatanten Unterschied zwischen dem, was Menschen, die Sozialhilfe beziehen oder gepfändet werden, bleibt und dem, was tatsächlich notwendig wäre, um nicht in eine Spirale aus fehlender Teilhabe, Rückzug, sozialer Isolation, aufgeschobenen Rechnungen und Zahlungsrückständen zu geraten.
Wer die Bekämpfung von Armut ernst nimmt und vor allem die Prävention von Armut in den Vordergrund rücken möchte, muss sich mit diesen Zahlen auseinandersetzen.
Was sind nun eigentlich diese Referenzbudgets und wer erstellt sie?
Referenzbudgets sind Richtwerte für unterschiedliche Haushaltstypen, die aufzeigen, wie viel Geld man braucht, um ein bescheidenes, aber gutes Leben zu führen, unter Berücksichtigung von sozialer und kultureller Teilhabe. Erstellt werden sie vom Dachverband der Schuldnerberatung anhand genauer Berechnungen.
Was beinhalten diese Budgets?
Fixkosten - Miete / Wohnbaukredit, Energiekosten (Strom, Gas…),Öffis, Tanken, Reparatur, Service, Parkgebühr/Garage, Haftpflichtversicherung/Steuer, Telefon/Internet/TV, Rundfunkgebühr, Haushaltsversicherung, Schulkosten (inkl. Materialien), Nachmittagsbetreuung, sonstige Ausgaben z.B. Abos, Nachhilfe, Mitgliedsbeiträge
unregelmäßige Ausgaben - Kleidung, Schuhe, Möbel/Ausstattung, Gesundheits(vorsorge), soziale und kulturelle Teilhabe
Haushaltsausgaben - Nahrungsmittel inklusive Snacks, Reinigungsmittel, Körperpflege, Taschengeld für Kinder, Sonstiges (Haustiere, Rauchwaren …)
Referenzbudgets im Vergleich
Betrachtet man die Referenzbudgets im Vergleich zur Armutsgefährdungsschwelle, zeigt sich folgendes Bild:
Die Referenzbudgets liegen also sichtbar höher als die Armutsgefährdungs-schwelle. Blickt man nun auf die Höchstsätze der Sozialhilfe - in diesem Beispiel in Oberösterreich - so würde ein Paar mit 2 Kindern maximal 2.138,31 € erhalten. Einkommen und Wohnbeihilfe werden von diesem Höchstbetrag allerdings noch abgezogen (Sozialhilfe OÖ (Opens in a new window)).
Gehen wir noch einen Schritt weiter und ziehen auch das Existenzminimum zum Vergleich heran, so liegt diese Pfändungsgrenze für eine Person 2024 bei 1.217 € (14 Bezüge) bzw. 1.420 € (12 Bezüge).
Die Referenzbudgets liegen demnach über allen für Armut relevanten Grenzen:
Diese Budgets zeigen nicht nur aufgrund der Erfahrungen der Schuldnerberatungen, was es zum Leben bräuchte, sondern beruhen auf konkreten Berechnungen. Jede:r Mensch, der/die unter diesem Betrag auskommen muss, lebt mit teils massiven Einschränkungen, das kann die Ernährung betreffen, den Wohnraum, die Mobilität, die Möglichkeiten für die Kinder, die Gesundheit, sowie die soziale Teilhabe. Doch all dies sind Faktoren, die in unserer Gesellschaft notwendig sind, um zu “funktionieren”. Einschränkungen bewirken nämlich immer nur eins: ausgeschlossen zu sein
Ein Leben unter diesen Grenzen kenne ich selbst gut genug, kennt meine Familie gut genug. Es gibt keinen Vorteil, kein “naja, aber mit wenig auskommen kann auch was gutes haben, man lernt sparen, die Kinder lernen, genügsam zu sein”. Nein, nichts daran ist romantisch oder hilft irgendwem. Es ist Dauerstress pur. Es ist beschämend, es drängt dich dazu, alles, was nicht lebensnotwendig ist, aufzugeben. Und alles, was den Kindern Chancen ermöglichen würde, einzuschränken.
“Die Würde des Menschen ist unantastbar”
ist zwar ein guter Satz, doch leider im Bereich der Armut nicht vorhanden. Wer arm ist, hat ein würdevolles Leben und eins mit Chancen nicht verdient. So ungefähr wird es uns immer wieder gesagt, wenn auch umschrieben.
Es geht und ging übrigens nie um Luxus, oder darum, anderen etwas wegzunehmen. Es geht darum, nicht in der Spirale der Armut festzustecken, sondern auch Perspektiven sehen zu können. Doch wer in dieser Spirale steckt, jeden Monat noch mehr an Zahlungen schiebt, weil dank Inflation selbst das sparen bei Lebensmittel nur noch schwer möglich ist, jeden Abend mit einem Gedankenkarussell zu Bett geht, der/die hat meist keine Kraft mehr, um Perspektiven sehen zu können.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, was es bedeutet, endlich aufatmen zu können und ohne Existenzangst nach vorne zu blicken. Erst dann sieht man die eigenen Fähigkeiten wieder, erst dann kann man Chancen erkennen und wahrnehmen. Armut ist komplex, ich weiß. Armut ist ein Zusammenspiel von vielen Faktoren. Doch wer die finanzielle Angst nimmt, trägt dazu bei, Betroffenen wieder die Kraft zu geben, um Perspektiven entwickeln zu können.
Quellen:
Schuldnerberatung: Referenzbudgets (Opens in a new window)
Statistik Austria: Armut (Opens in a new window)