Sport: Hertha BSC goes 777 - neuer Investor bei der alten Dame und was das für andere Vereine bedeutet
777 Partners erwirbt Windhorsts Anteil an Hertha BSC und welche Lehren andere Vereine und die Fans daraus ziehen können
Woran denken Fußball-Manager vermutlich unentwegt? An Geld, Geld und noch mehr Geld. Schließlich ist da ja noch viel Luft nach oben, denkt man zum Beispiel nur an die Fernsehgelder der englischen Premier League. Die Clubs auf der Insel erhalten für die Zeit von 2019 bis 2025 mit umgerechnet 2 Mrd. € fast doppelt so viel wie die Bundesligavereine für den Zeitraum 2021 bis 2025. Hinter England und Spanien liegt die Deutsche Fußball-Liga nur auf Platz drei. Da geht also noch einiges!
https://sportbild.bild.de/fussball/international/fussball-international/premier-league-la-liga-bundesliga-tv-geldrangliste-so-viel-nehmen-die-ligen-ein-79495856.sport.html (Opens in a new window)Aber Fernsehgelder sind nur eine Seite der Medaille. In England pumpen reiche Investoren und Oligarchen aus Amerika, den arabischen Staaten, aus Asien und bis vor kurzem noch Russland aberwitzige Summen in ihre Vereine, während die 50+1 - Regel in Deutschland dem bunten, hemmungslosen Treiben der Anteilseigner noch einen gewissen Riegel vorschiebt.
Aber nicht jeder Bundesligaverein ist ein Finanz-Kösus wie der FC Bayern München. Sollten nicht gerade die abgehängten Vereine, die mittlerweile schon nicht einmal mehr mit dem Fernglas den Münchnern hinterherschauen können -um mit den Worten des früheren FCB-Managers und Präsidenten Uli Hoeneß zu sprechen - sollten nicht gerade diese Vereine einen Investoreneinstieg ernsthaft prüfen? Bei mir quasi in der Nachbarstadt die SpVgg Greuther Fürth, um endlich einen großen sportlichen und wirtschaftlichen Sprung nach vorne zu machen und nicht vorhersehbar zweimal sang- und klanglos aus der 1. Bundesliga abzusteigen? Oder mein Heimatverein 1. FC Nürnberg, eine notorische Fahrstuhlmannschaft, einer der wenigen verbliebenen eingetragenen Vereine (e.V.) im deutschen Profifußball (11 von 36 Clubs der 1. und 2. Liga sind 2022/23 noch als e.V. organisiert), früher stolzer Altmeister und jetzt Rekordabsteiger mit Schulden und wenig Aussicht auf einen Wiederaufstieg, der so nötig wäre, um sich wirtschaftlich zu stabilisieren. Realistischer ist indes sogar ein Abstieg in die dritte Liga.....
Vielleicht lohnt also ein Blick nach Berlin: dort also ist Hertha BSC wohl Lars Windhorsts Tennor Holding wieder los, falls nicht der Club (was nicht zu erwarten ist) oder die DFL noch ihr Veto einlegen. Die seit 2019 bestehende Verbindung zwischen Lars Windhorst und Hertha BSC stand unter keinem glücklichen Stern. Die kurze Ära Jürgen Klinsmann, der nie nur Interims-Trainer, sondern auch Sportdirektor sein wollte und die Unterstützung Windhorsts genoss, legte die Risse zwischen dem Verein und dem Investor offen. Die Vereinsoberen wollten das Geld, aber nicht die Mitsprache des Mitgesellschafters. Das alte Dilemma zwischen Vereinsrepräsentanten und Kapitalgebern: der Verein nimmt gerne das Geld, ja, er braucht es dringend und bettelt gerade darum, aber sobald die Liquidität geflossen ist, soll der edle Spender sich doch bitte aus dem Alltagsgeschäft heraushalten.
So lautet das Credo der 50+1 - Regel, doch ein Anteilseigner wie Windhorst, der 64,7 % für 374 Mio. € erwirbt, lässt sich nicht mit netten Floskeln und Visionen vom "Big City Club" abspeisen. Ein Blick nach Hamburg hätte genügt, um demütig zur Einsicht zu gelangen: die dortige HSV Fußball AG kann sich der stetigen Einmischungen ihres "nur" 15,21 % haltenden Aktionars Klaus-Michael Kühne kaum erwehren. In München beim Drittligisten TSV 1860 kann sich der stolze Verein nur mit Mühe gegen den Investor Hassan Ismaik behaupten, der zudem die Kontrolle über Marketing und Merchandising hat. Das alles focht die Hertha nicht an: Vielleicht war die "Alte Dame" von der Spree zu sehr vom vorherigen Investor verwöhnt. 2014 war die 1976 gegründete New Yorker Private-Equity-Gesellschaft Kohlberg Kravis Roberts & Co. L.P. (KKR) für ungefähr 60 Mio. € eingestiegen mit der Option, ihren Anteil an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA auf 33 % zu erhöhen.
Mit dem Geld der Amerikaner konnte die schon damals hoch verschuldete Hertha ihre Kredite von knapp 37 Millionen Euro größtenteils zurückzahlen. Darüber hinaus kaufte der Club Marketing-, TV- und Catering-Rechte zurück. Angenehm an der Zusammenarbeit war für die Hertha, dass KKR sich relativ zurückhielt und die Vereinsführung gewähren ließ. Die geräuschlose Kooperation galt geradezu als beispielhaft für ein erfolgreiches Investoren-Modell.
Hertha BSC kaufte die KKR-Anteile für kolportierte 71,2 Mio. € zurück und schien 2019 mit dem Einstieg von Lars Windhorsts Tennor Holding das ganz große Ding zu drehen. 374 Mio. € - damit konnten die Berliner endlich eine Top-Mannschaft zusammenstellen. Dumm nur, dass es den blau-weißen Machern nicht gelang, diese Chance in Erfolg umzusetzen. Die medienwirksame Abrechnung Jürgen Klinsmanns Anfang 2020 an Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz und deren Kaderplanung, an der Medien- und Medizinabteilung, an der Einstellung des aus seiner Sicht überalterten Kaders legte das ganze Zerwürfnis offen. Die Differenzen zwischen Investor und Verein ließen sich danach nur schwer übertünchen. Als sich nun herausstellte, dass Windhorst über eine israelische Security-Firma eine Kampagne gegen den damaligen Präsidenten Werner Gegenbauer orchestrierte, war das Tischtuch zerschnitten.
Die Wahl des ehemaligen Ultras und Kommunikations-Unternehmers Kay Bernstein im Juni 2022 zum Präsidenten drückte das Verlangen der Mitglieder aus, endlich jemanden zum Vereinsrepräsentanten zu wählen, der aus der Mitte des Fan- und Mitgliederlagers kommt. Leichter wurde das Verhältnis mit dem Investor dadurch nicht.
Nun also fand Windhorst einen neuen Käufer. Die 777 Partners aus Miami sind ein Investment-Vehikel, das in verschiedenen Branchen aktiv ist, darunter auch im Sport-Business.
Beteiligungen an der britischen Basketball-Liga BBL, an den "London Lions" sowie an den Fußballklubs FC Genua (seit September 2021), FC Sevilla (seit 2018), Standard Lüttich (seit 2022), Red Star FC Paris (seit 2022. dritte franzöische Liga), Vasco de Gama in Brasilien und jetzt Hertha BSC runden das Portfolio der Amerikaner ab. Zweifelsohne verfügen die neuen Miteigner über ausreichende sportliche Expertise. "Transforming visions into value" ist der Leitspruch von 777 Partners, und diesen Value, diesen Wert, wollen sie durch den Zugriff auf den Vereins-Pool, der ihnen zur Verfügung steht, erhöhen. Es wäre also kein Wunder, wenn nun Spieler aus Genua oder Sevilla plötzlich in Berlin spielen - oder umgekehrt.
Ein bisschen erinnert das an Red Bull´s Netzwerk mit Fußballclubs in Salzburg, Leipzig, New York und Bragantino (Brasilien), bis 2014 noch in Ghana. Da wechseln dann schon mal Spieler und Trainer auf Geheiß der RB-Spitze von Salzburg nach Leipzig, einfach so, nicht weil die Betreffenden sich gerade dort "weiter entwickeln" wollen, sondern weil die Eigner es so bestimmen. Oder an den amerikanischen Investor Chien Lee mit seiner NewCity Capital, der Vereine wie AS Nancy-Lorraine, FC Thun, KV Oostende, Esbjerg fB oder FC Den Bosch erworben hat. Nicht die großen Namen, teilweise (noch) zweitklassige Vereine, aber daher auch zu leicht unter dem Radar der UEFA.
Was - und das ist doch die entscheidene Frage - aber passiert, wenn Red Bull Salzburg in der Champions League auf RB Leipzig trifft, oder vielleicht bald der FC Sevilla auf Hertha BSC ? Wer garantiert, dass der Besitzer nicht doch Einfluss nimmt auf den sportlichen Ausgang? Wenn er aus wirtschaftlichen Gründen es für geboten hält, dass der FC Sevilla eben nicht gegen Hertha BSC gewinnt, oder umgekehrt?
Der immer häufigere, ungebremste Einstieg von Investoren in die Fußballvereine droht indes den sportlichen Wettbewerb umso stärker einzuschränken.
Die Vereine suchen trotzdem weiter nach Investoren und hoffen, bei ihnen gehe alles anders und besser aus. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig: viele sind finanziell notorisch klamm. Der bodenständige, sparsame Kurs als "Ausbildungsverein" bei der SpVgg Greuther Fürth zum Beispiel bringt durchaus hoffnungsvolle Talente hervor, aber die müssen verkauft werden, damit sich das Geschäftsmodell rentiert. Kontinuierliche sportliche Verbesserung ist so nicht möglich. Auch der 1. FC Nürnberg investiert stark in seine Nachwuchsarbeit, ein anhaltender Erfolg blieb ihm nicht beschieden. Der FC St. Pauli, der sich als links-alternativer Kultklub mit klarer grünroter politischer Akzentuierung erfolgreich inszeniert und sein Merchandising entsprechend pusht, wandert dennoch auf einem schmalen wirtschaftlichen Grat. Und diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Alle diese Vereine haben strategisch keine realistische, dauerhafte Perspektive, den immer weiter klaffenden Abstand zu den Erst- und vielen Zweitligavereinen zu verringern. Außer - ein Investor steigt ein. Geht nicht? Nein, amerikanische Investoren, die in Lüttich oder Den Bosch investieren, finden mit Sicherheit auch kleinere Vereine interessant, so diese ihnen einen roten Teppich ausrollen und sie gewähren lassen.
Es lohnt sich also, das Geschehen bei Hertha BSC weiter intensiv zu verfolgen ........
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