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"Gefährliche Nachbarschaften!"

Eine Kneipe mit vielen Leuten an der Bar, auf den Bänken, sitzend und stehend. Auf einer niedrigen Bühne spricht ein alter hamburger Unternehmer darüber, dass er sich nie Gedanken übers Geld machen musste. Danach eine junge Frau über die Ablehnung, Angst vor dem Krieg und Ungewissheit. Eine Leinwand dahinter zeigt Fotos oder Zeichnungen. Es ist dunkel draussen. Durch das Fenster sieht man Kreuzfahrtschiffe vorbei fahren. Es ist Barboncino Zwölfi im Gezi Park Fiction. Es ist St.Pauli. 

Dieser Ort ist nicht nur mein Zuhause, sondern auch ein Ort der Konflikte, der freien Meinungsäußerung und der Diskussionen. Zweiteres trifft man in Form von Demos, Schlagermoves, vollgesprühten Flächen, Kunstaktionen oder eben von Glasscherben, verdreckten Ecken und lauter Musik.

Ganz im Süden von St.Pauli, direkt an der Elbe, findest Du hier auf einem kleinen Fleck eine Stadtteilschule, einen Kindergarten, eine Kirche, eine VoKü, einen Club, Palmen, Hundespielplatz, Basketballplatz, mehrere besetzte Häuser, Punker:innen, Flüchtlinge, Anwohner:innen, Tourist:innen, Unternehmer:innen, Familien mit Kindern, Betrunkene, Grabsteine, Liebende, Drogendealende, Hippies, Hipster, Musizierende, Rollstuhlfahrer:innen, Sportliche ... Kein Wunder, dass es ständig Konflikte gibt.

Aus diesem Anlass wird es in Hamburg diskutiert, das Areal von Park Fiction als ein besonders gefährliches Gebiet einzustufen und die polizeilichen Kontrollen zu verschärfen. Dadurch wird es natürlich viel entspannter hier … (Ironie aus).

Die Initiative Park Fiction wurde 1997 von Kunstschaffenden und Anwohner:innen gegründet. 2003 waren Sie damit auf der Dokumenta in Kassel. Ihr Motto ist "Kollektive Wunschproduktion" – "... die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Strasse gehen." Zusammen planen und gestalten Sie den Park bis Heute. Nicht ohne Eingriffe und Kontrollversuche seitens der Stadt. 2013 wurde der Park aus Solidarität mit den türkischen Freiheitskämpfer:innen in Gezi Park Fiction umbenannt.

In der wöchentlichen Talkrunden im Café Barboncino Zwölfi geht es um die Nachbarschaft. Wie gefährlich ist sie wirklich und was kann man tun, um diesen Ort so frei und vielfältig zu erhalten? Braucht man wirklich mehr Polizeipräsenz? Helfen die einseitigen, rassistisch orientierten Kontrollen wirklich, um diesen Ort für alle ungefährlicher zu machen? Wie fühlt es sich an, wenn man mitten am Tag vor allen Leuten von fünf bewaffneten Polizist:innen umringt und "befragt" wird? 

So kommt es, dass an einem Abend der Betreiber des Panoptikums in dritter Generation und Flüchtlingsaktivist:innen, sowie aus der Ukraine geflüchtete afrikanische Studierende zu Wort kommen.

Hier erfährst Du, ob Du als Polizistin, bewaffnet, bei Pizza Bande Essen bestellen kannst, oder wie sich das anfühlt, als Person of Color durch die Strassen zu gehen. Wie man Fesseln und Feminismus zusammen bringt und was muss man tun kann, um unter ständiger Ablehnung und Kontrolle nicht zu verzweifeln.

Noch bis Ende November werden die Talkrunden fortgeführt. Im Café über dem Pudelclub – Barboncino Zwölfium 19 Uhr, jeden Mittwoch.

Bisher habe ich bei jeder Runde live gezeichnet. Am kommenden Mitwoch, dem 9.11.2022 werden viele dieser Reportage-Illustrationen dort gezeigt. 

Ich freue mich, wenn Du vorbei kommst. Die Talkgäste werden mal wieder sehr spannend sein: 

Tschüß und bis bald!

Julia Zeichenkind

https://park-fiction.net/category/park-fiction-projekt/ (Opens in a new window)

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