Face to Place #2

Diese Ausgabe von “Face to Place” liegt mir heute besonders am Herzen. Dieses Jahr ist noch nicht mal 60 Tage alt und schon ist so viel passiert – da schwirrt einer der Kopf. Allein über 100 Zeichnungen habe ich in den letzten Tagen von Leuten, Veranstaltungen und Demos gemacht.
Jeden Monat veröffentliche ich ein Portrait von einer Person aus Hamburg, die etwas zu sagen hat. Es gibt ein Graffity, das dem britischen Künstler Banksy zugeschrieben wird: “STOP MAKING STUPID PEOPLE FAMOUS”. Das fand ich ganz passend in Zusammenhang mit der medialen Präsenz von gewissen Leuten aus der Welt.
Dem möchte ich etwas entgegensetzen, indem ich über kluge und engagierte Menschen aus meiner Umgebung berichte. Menschen, die etwas zur Vielfalt beitragen. Menschen, denen Frieden am Herzen liegt.
Mädchen vom Jupiter

Mein heutiges Portrait ist ein Bild mit vielen Gesichtern und vielen Geschichten. Ich bin stolz, Teil einer Frauengruppe zu sein, die so viel von ihrer Energie und Kreativität in Arbeit an Frieden steckt.
Wir sind Forscherinnen. Wir kommen aus unterschiedlichen Ecken der Welt und sind verbunden durch den Wunsch, die Welt etwas heiler zu machen. Denn sie ist zerbrochen. Zumindest unsere … zumindest empfinden wir das so. In gewisser Weise verdanken wir unsere Bekanntschaft dem Angriffskrieg in der Ukraine.
Die ersten Treffen fanden auf dem Dach des Jupiter-Gebäudes in der Hamburger Innenstadt statt. Deswegen nennen wir uns liebevoll “Mädchen vom Jupiter”.

Natalia (links) ist Journalistin, Lehrerin, Aktivistin aus Kijiw. Sie arbeitet in einer Schule und bringt Flüchtlingskindern Deutsch bei (das sie selbst erst vor Kurzem gelernt hat). Sie ist das ukrainische Sprachrohr dieser Gruppe.
Nana (rechts) – Theaterautorin, unermüdliche Macherin. Hat das dokumentarische Theaterstück “Memoria” , das unter anderem in den Münchner Kammerspielen (Opens in a new window) aufgeführt wurde, geschrieben. In Russland ist das Stück verboten. Nana hat sich um die Untertitel für unsere Lesung gekümmert, so dass möglichst viele Menschen die Texte verstehen können.
Ich schätze mich glücklich, Teil dieser so engagierten und aktiven Gruppe zu sein. Unser Profil ist vielfältig: Journalistinnen und Lehrerinnen, Übersetzerinnen und Autorinnen, Film- und Theaterschaffende … und ich – bildende Künstlerin. Wir kommen aus der Ukraine, Deutschland, Russland. Unsere Wurzeln sind aber noch weiter verzweigt: Armenien, Israel, Kasachstan und einige mehr. Wenn ich mir das so anschau, wundert es mich nicht, dass wir so produktiv und inspirierend sind.
Nicht nur wir empfinden die Welt als zerbrochen, vielen Menschen geht es ähnlich und das wollen wir untersuchen.
Unser Projekt heisst “Verbotene Gefühle in Zeiten des Kriegs” – geboren aus dem monatlich stattfindenden Ukraineforum in Hamburg Altona.
Das Ergebnis aus zahlreichen Gesprächen und Interviews, die im Zusammenhang mit dem Krieg entstanden sind, ist eine Kollage aus ineinander greifenden Texten, die wir auf der Bühne vorlesen.
Die Texte sind so gewählt und angeordnet, dass sie ein Bild von menschlichen Emotionen und Geschichten zeichnen. Ein Bild, das zum Nachdenken anregt, Erkentnisse liefert. Wir wollen keine Analysen aufstellen oder Rezepte aussprechen.

Friederike (links) ist Literaturübersetzerin aus dem Englischen und Russischen. Sie glaubt an das Gute in den Russen und ist überzeugt, dass ein friedliches Miteinander, trotz aller Konflikte, nicht nur möglich, sondern auch wichtig ist. Sie engagiert sich für dekoder (Opens in a new window), eine unabhängige Plattform, die Kompetenzen und Medien (also Übersetzungen von unabhängigen Medienmacher:innen) zu Russland und Belarus bietet. Sie ist unsere feste Brücke zu den östlich von Detschland gelegenen Medien und Veranstalter:innen.
Henrike (rechts) – unser Ruhepol und die Schnittstelle zu der akademischen Welt. Sie ist Übersetzerin und Autorin. 2023 hat sie den Hamburger Literaturpreis für die Übersetzung von »Kleine Welt, große Welt« / »Malkijat svjat, golemijat svjat« (Gedichte) von Nadya Radulova aus dem Bulgarischen (eta Verlag) erhalten.
Die Distanz zur Bühne ermöglicht es den Zuhörenden, diese verbotenen, unausgesprochenen Gefühle zu ordnen, genauer anzuschauen. Sie verlieren ihren bedrohlichen Ton und werden zu Echos unserer Zeit. Einer Zeit, in der es (noch?) möglich ist, über die negativen Gefühle zu sprechen, ohne sie auszuleben, dafür bestraft zu werden oder jemand direkt damit zu verletzten.
In den letzten Jahren haben wir viel an den Texten gefeilt, sie schon einmal auf die Bühne gebracht und damit sehr viele Menschen erreicht. Wir sind in den Shortlists von internationalen Antikriegs-Festivals gelandet und haben Förderungen erhalten. Ich habe Kunstwerke zu den Texten gemacht, die ich während der Lesung ausstelle und zahlreiche Reportagen gezeichnet.
Bei der letzten Probe sind die Zeichnungen zu diesem Beitrag entstanden:


Julia (links) ist in Moskau aufgewachsen und lebt schon sehr lange in Hamburg. Sie hat russische, ukrainische und jüdische Wurzeln. Sie ist Theater- und Filmemacherin und unsere Verbindung zu der Medienwelt. Sie hat ein Essay verfasst, in dem sie das Thema “Verbotene Gefühle in Zeiten des Kriegs” ausführlich aus ihrer eigenen kulturellen Sicht beschreibt. Hier (Opens in a new window) kannst das Essay anhören.
Nadiia (rechts), Produktionsdesignerin aus Kyjiw, kümmert sich gerade um ihr kleines Kind und ist ein fester Teil unserer Gruppe (Remote ;)
Einladung zur Lesung:

Am Mittwoch, 5. März 2025 um 18:30 Uhr, laden wir Dich herzlich ein, an unserer Lesung und anschließender Diskussion teilzunehmen (der Eintritt ist frei, eine Spendenbox wird aufgestellt).
Die Lesung wird in drei Sprachen abgehalten: Ukrainisch, Deutsch und Russisch. Alle Texte werden mit Hilfe von Untertiteln in den jeweils anderen Sprachen angezeigt.
Verbotene Gefühle in Zeiten des Kriegs
Zentralbibliothek Bücherhallen, Hamburg
Hier ist der Link zur Veranstaltung:
https://www.buecherhallen.de/zentralbibliothek-termin/verbotene-gefuehle-in-zeiten-des-kriegs.html?day=20250305×=1741195800,1741203000 (Opens in a new window)Make us Visible
Passend zum Thema Sichtbarkeit habe ich vor Kurzem ein Plakat für Südpol (ein Klub in Hamburg) zu einer Veranstaltung im Rahmen des internationalen Weltfrauentags gestaltet, der für den Kampf für Gleichberechtigung, Gleichstellung und soziale Anerkennung von Frauen weltweit steht.
Auf dem Plakat habe ich Flinta*portraits von Veranstaltungen der letzten Jahre zu einer Kollage zusammengeführt.
Vernertzungstreffen, Ausstellungen, politische Veranstaltungen, Künstlerinnen, Misikerinnen, Unternehmerinnen … diese Vielfalt stellt den aktuellen politischen Ereignissen entgegen, die die Vielfalt gefährden. Das macht mir Hoffnung und die möchte ich mit Dir teilen.

Übrigens spiele ich wieder öffentlich Akkordeon. Diesmal in einer Galerie während einer Livepainting-Aktion einer guten Freundin Stefanie Rausch. Fühl Dich herzlich auch dazu eingeladen:
8. März 2025 ab 19 Uhr
in der MEGA Conteporary (Opens in a new window)
📍 Kaiser-Wilhelm-Straße 87
Tschüss!
Julia Zeichenkind