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Wort-Dock

Buch- und Ausstellungstipps für den April 2024. Immer am 15. des Monats.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in der April-Ausgabe meines monatlichen Newsletters „Wort-Dock“ stelle ich Euch einen tollen Episoden-Roman vor und eine Collagen-Ausstellung in Berlin. Und für diejenigen von Euch, die Kunst von zuhause aus genießen möchten, gibt es einen Surftipp.

Übrigens: Am 23. April ist der „Welttag des Buches (Opens in a new window)“ - ein weltweiter Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren, den die UNESCO 1995 ins Leben gerufen hat. In ganz Deutschland feiern Buchhandlungen, Verlage, Bibliotheken, Schulen sowie Lesebegeisterte an diesem Tag ein großes Lesefest mit vielen Partnern.

Eine nachhaltige Art des Lesens sind öffentliche Bücherschränke, ob Ihr nun gelesene Bücher hineinstellt, um sie mit anderen zu teilen, oder Euch kostenlos ein Buch zum Lesen herausnehmt. Die folgenden, nebeneinandergestellten Fotos zeigen drei Beispiele dafür*:

Drei Beispiele für öffentliche Bücherschränke. Standorte von links nach rechts: Krohnskamp (bei der Matthäuskirche) in Hamburg / St. Jürgen-Ring (Ecke Kronsforder Allee) in Lübeck / Lange Reihe (im Durchgang zum Kunsthandwerkerhaus Koppel 66) in Hamburg.

*Abgebildete Standorte, von links nach rechts: Krohnskamp (bei der Matthäuskirche), Hamburg / „Kultur Kiste“ am St. Jürgen-Ring (Ecke Kronsforder Allee, ein ehemaliger Kiosk), Lübeck / Lange Reihe (im Durchgang zum Kunsthandwerkerhaus Koppel 66), Hamburg.

Viel Spaß beim Lesen!

Berührender Episodenroman

Roman "Leuchtfeuer" von Dani Shapiro, erschienen bei hanserblau im Carl Hanser Verlag

Titel: Leuchtfeuer

Autorin: Dani Shapiro

Verlag: hanserblau in der Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG

Originaltitel: Signal Fires

Aus dem Englischen übersetzt von: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Erstveröffentlichung: 2022

Deutsche Erstveröffentlichung: 19.02.2024

Gebundene Ausgabe: 288 Seiten, 23 Euro

Inhalt: Der Roman beginnt in einer Augustnacht des Jahres 1985 in Avalon, einem beschaulichen Vorort von New York. Die Teenager Sarah und Theo Wilf fahren im Buick ihrer Mutter mit ihrer Nachbarin Misty umher. Alkohol und Imponiergehabe führen zur Tragödie.

Doch die Familie Wilf lebt hinterher weiter, ohne über die Ereignisse zu sprechen. Weder mit anderen, noch miteinander. Die Geschwister Sarah und Theo leiden ihr Leben lang an Schuldgefühlen und auch ihr Vater, der Arzt Ben Wilf, macht sich schwere Vorwürfe über sein Verhalten in dieser Nacht.

Jahre später spricht Ben abends mit dem zehnjährigen Waldo Shenkman aus dem gegenüberliegenden Haus, der sich für Astronomie begeistert. Im Laufe dieser Nacht wird sich ihr Leben und das ihrer Familien verändern…

Hauptteil: In den USA war Dani Shapiros (geboren 1962 in New York City) Roman „Leuchtfeuer“ ein mehrfach ausgezeichneter Bestseller. Derzeit entwickelt die Autorin ihren Roman nach Angaben des Carl Hanser Verlags zur Fernsehserie.

In diesem Roman über zwei benachbarte amerikanische Familien, deren Geschichten sich mehrfach überkreuzen, geht es um Schuld, um falsche Entscheidungen, es geht um Leben und Tod, Liebe und Freundschaft und um Hoffnung.

Dani Shapiro erzählt „Leuchtfeuer“ nicht linear nach der zeitlichen Abfolge der Ereignisse, sondern wie einen Episodenroman, der in jener tragischen Nacht 1985 beginnt und auf der Zeitskala mal vor, mal zurückspringt. Ich mag diese Erzählweise sehr.

Die Leserschaft begleitet die einzelnen Personen durch lebensverändernde Tage während der Jahre 1970 bis 2020. Das ist komplex, aber man behält den Überblick: Nach Daten benannte Kapitel sorgen für zeitliche Orientierung, während die Unterkapitel die Namen der Personen tragen, aus deren Perspektive die Lesenden die Ereignisse erleben.

Die Autorin verwendet eine klare, eindringliche Sprache und arbeitet zwischendurch mit zeitlichen Vorgriffen in der Zukunftsform. Letzteres treibt die Geschichte voran, zeigt die Flüchtigkeit der Gegenwart und ist sprachlich interessant.

Fazit: Was für ein toller Roman, wenngleich die Verstrickungen zwischen Ben und Waldo in meinen Augen fast ein bisschen kitschig sind. Eine schöne Sprache, ein spannender, nicht-chronologischer Erzählstil und eine ebenso berührende wie fesselnde Geschichte.

Ausstellung: Collagen von George Grosz

Außenansicht von Das kleine Grosz Museum in der Bülowstraße 18 in 10783 Berlin. Aktuelle Sonderausstellung: „A Piece of My World in a World Without Peace - Die Collagen“.

Eine Kochklasse aus den fünfziger Jahren: Neun junge Frauen umringen einen Tisch unter den Augen ihrer Lehrerin. An der Wand hinter ihnen hängen zwei Tafeln mit Koch- und Servieranweisungen. Auf der schneeweißen Tischdecke - im Zentrum der Szene - liegt wie selbstverständlich ein riesiger Klumpen rohes Fleisch, aus dem menschliche Organe erkennbar sind und Finger mit rot lackierten Nägeln. Zwei Schülerinnen decken den Tisch. Die anderen beobachten sie konzentriert, zwei machen sich Notizen. Die Tür im Hintergrund ist versperrt, eine Klinke ist nicht sichtbar, nur eingerissene Planen gewähren eine Ahnung des Außen.

Die beschriebene Collage „Cookery Class“ des Berliner Künstlers George Grosz (1893 - 1959) aus dem Jahr 1958 ist eine von rund 100 Arbeiten, die Das kleine Grosz Museum in Berlin aktuell in der Sonderausstellung „A Piece of My World in a World Without Peace - Die Collagen“ zeigt, und zwar in erstmaliger Kooperation mit der Berliner Akademie der Künste.

Der Dadaist und spätere Vertreter der Neuen Sachlichkeit ging 1933 ins amerikanische Exil und kehrte erst 1959, kurz vor seinem Tod, nach Berlin zurück. Grosz’ Collagen sind nur wenig bekannt, obwohl diese Technik, bei der Bild- und Textelemente aus ihrem Zusammenhang genommen und neu kombiniert werden, das Werk des Künstlers durchzieht.

Es ist spannend, die vielschichtigen Arbeiten zu betrachten. Sie sind grotesk, satirisch, politisch. Einen prominenten Platz in der Sonderausstellung hat die Reproduktion des verschollenen politischen Werks „Deutschland, ein Wintermärchen“ - eines collagenartig aufgebauten Ölgemäldes aus dem Jahr 1918. Darin verhöhnt Grosz den deutschen Bürger und die „drei Stützen der Gesellschaft”: Militär, Kirche und Schule.

Die Ausstellung in Das kleine Grosz Museum läuft noch bis zum 3. Juni 2024.

Surftipp: Kunst von zuhause aus entdecken

Das Bank Austria Kunstforum Wien zeigt aktuell eine Retrospektive des chilenischen Künstlers Roberto Matta (1911 - 2002), der zu den bedeutendsten und visionärsten Malern des 20. Jahrhunderts gehört. Der ausgebildete Architekt begann 1938 zu malen, zählte zu den Surrealisten der ersten Generation.

Matta ging Ende 1939 - wie viele Künstler des Surrealismus - nach New York ins Exil. Stellte dort aus, fand schnell Anschluss an die New Yorker Kunstszene. Er tauschte sich unter anderem aus mit den jungen Künstlern des Abstrakten Expressionismus wie Robert Motherwell, Jackson Pollock und Arshile Gorky. Mattas Einfluss prägte die Entwicklung des Abstrakten Expressionismus in Amerika nachhaltig, wenngleich seine Malerei stets gegenständlich blieb.

Ihr könnt Mattas künstlerische Galaxien auch virtuell von zuhause aus entdecken: In Zusammenarbeit mit Discover Culture bietet das Bank Austria Kunstforum Wien diese und andere Ausstellungen als digitale 360-Grad-Touren an. Kosten: 4,99 Euro (bei Wohnsitz in Österreich) beziehungsweise 4,95 Euro (bei Wohnsitz in Deutschland).

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