VH9 Einen einzelnen Staat opfern, um den Frieden in Europa zu retten?

Guy Spencer, Peace? ( – or Postponement?), Morning World-Herald (USA), 22. September 1938.

„Peace for our time”, verkündete Neville Chamberlain, als er am 30. September 1938 aus Deutschland zurückkehrte. Der britische Premier und sein französischer Kollege Daladier hatten sich im Münchener Abkommen darauf festgelegt, zur Wahrung des Friedens in Europa Hitlers ultimativen Forderungen nach einer Aushändigung des Sudetenlandes nachzugeben – entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Tschechoslowakei.

In Guy Spencers heute 85 Jahre alten Karikatur führt John Bull die wehrlosen Tschechen zur Schlachtbank – in der Hoffnung, Hitler mit diesem „Opfer“ zu besänftigen und so den Frieden in Europa zu sichern. Vergeblich.

Schon in der Überschrift „Frieden (oder Aufschub?)“ klingt Spencers Skepsis an, ob ein Nachgeben gegenüber dem Aggressor wirklich Frieden bringen wird.

Anhand der Schatten im Hintergrund deutet der Zeichner an, wie die Geschichte seiner Ansicht nach weitergeht: Großbritannien bettelt um Gnade gegenüber einem nun nur noch machtgierigeren, noch stärkeren Hitler („A strengthened, more arrogant Hitler“), der schon bald das Inselreich selbst bedrohen wird.

Heute wissen wir, wie die Sache ausging: das Fallbeil fiel unmittelbar nach "München" (und dann nochmal mit der „Zerschlagung der Resttschechei“ im März 1939), ohne dass dies die Expansionsgelüste des Diktators stoppen konnte.

Vielleicht sollte uns Spencers prophetische Zeichnung heute angesichts von Forderungen nach einem raschen Waffenstillstand in der Ukraine zu denken geben?

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