Der 10. September in der Geschichte
Ein toter Kaiser, eine tote Kaiserin, Akte X und der LHC
210 v. Chr. – Qin Shi Huang Di, erster chinesischer Kaiser, reißt die Hufe hoch. Weil man Angst hat, dass die Todesnachricht zu Aufständen in der Bevölkerung führen könnte, karrt man ihn noch zwei Monate in der Sänfte durch die Gegend und tut so, als wäre er lebendig. Um den Verwesungsgestank zu überdecken, zieht man zeitweise einen Wagen mit verfaultem Fisch hinter ihm her. Letztlich wird er in einem Mausoleum bestattet, komplett mit einem Teil seines Gefolges, darunter etliche Konkubinen, die bestimmt dachten: »Na, schönen Dank auch.«
1419 – Auf einer Brücke wird der Herzog von Burgund, Johann Ohnefurcht, ermordet. Eigentlich war man auf dem Weg vielleicht eine Einigung zwischen den Armagnacs und Bourguignons im Bürgerkrieg, der in Frankreich schwelte, zu finden, aber mit der Ermordung ist das alles wieder zunichtegemacht. Andererseits war Johann Ohnefurcht aber auch irgendwie ein Arschloch, insofern kam die Ermordung nicht von ungefähr. Aber wäre er vielleicht statt Ohnefurcht ein Bisschenfurcht gewesen, hätte er vielleicht gemerkt, dass etwas im Busch ist, und überlebt..
1874 – Papst Pius IX. erlässt eine Bulle, die sagt, dass kein italienischer Katholik wählen oder gewählt werden darf. Das hatte vor allem damit zu tun, dass das Königreich Italien sich einfach den Kirchenstaat einverleibt hatte und der Papst sich jetzt wie ein Gefangener im eigenen Haus vorkam. Erst 1929 wird das Verbot aufgehoben, nachdem geklärt ist, was Kirche und was Italien ist. Bei den 15 Parlamentswahlen zwischendurch ist natürlich kein Katholik angetreten, denn das wäre ja gegen den Papst gewesen ... *hüstel*
1898 – Elisabeth von Österreich-Ungarn, kurz »Sisi« genannt, will eine schöne Dampferfahrt über den Genfer See machen, als der italienische Anarchist Luigi Lucheni ihr eine spitze Feile ins Herz stößt. Sie merkt gar nicht, wie schwer sie verletzt ist, steht wieder auf und bedankt sich bei allen Passanten, die ihr helfen, aber nach zehn Minuten, kurz nachdem der Dampfer abgelegt hatte, bricht sie zusammen. Sie stirbt bald darauf. Der Attentäter wird zu lebenslanger Haft verurteilt, bringt sich aber »selber« um. Oder so. Ein paar seiner Gefängniswärter meinen dazu nur: »Huch, na sowas! Wie das passieren konnte? Ein Rätsel. Ein absolutes Rätsel.«
1939 – Kanada erklärt Deutschland den Krieg. In Deutschland fragt man sich erstmals, ob man nicht vielleicht der Bösewicht ist, wenn sogar Kanada sich gegen einen stellt.
1960 – Abebe Bikila, äthiopischer Marathonläufer, gewinnt als erster Schwarzafrikaner – also Afrikaner, der südlich der Sahara lebt – eine olympische Goldmedaille. Mit zwei Stunden, fünfzehn Minuten und sechzehn Sekunden hat er eine neue Weltbestzeit beim Marathon gelaufen. Das Besondere dabei: Er war der einzige Läufer, der barfuß lief.
Schätze, der hat keinen Werbevertrag von Nike oder Adidas bekommen.
1977 – In Frankreich wird Hamida Djandoubi als letzter Mensch weltweit mit der Guillotine enthauptet. Er ist außerdem der letzte Mensch, der in Westeuropa hingerichtet wurde. Um das zeitlich besser einordnen zu können: In den USA startete knapp vier Monate zuvor »Star Wars« in den Kinos und die Mondlandung war schon acht Jahre vorbei, da meinte man noch, Leute wie Zweihundert Jahre zuvor hinrichten zu müssen.
1990 - In Yamoussoukro, Elfenbeinküste, wird eine der größten Kirchen der Welt, die Basilika Notre-Dame de la Paix, durch Papst Johannes Paul II. geweiht. Sie fasst rund 11.000 Menschen und hat, umgerechnet auf heutiges Geld, rund 200 Millionen Euro gekostet. Kritiker wundern sich, ob man in dem Land, das zwar nicht arm ist, aber genug andere Probleme hat, mit dem Geld nicht etwas anderes hätte anfangen können, aber Staatspräsident Félix Houphouët-Boigny meint nur: »Heult mal nicht rum, ich hab das alles von meinem Privatvermögen bezahlt.«
Und die Kritiker so: »Wie zum Teufel sind sie an 200 Millionen Euro gekommen?«
Houphouët-Boigny: »Tja, ähm, also ... meine Mutter hat viel gestrickt.«
Es hilft vermutlich, wenn man Präsident in einem Einparteiensystem ist.
1991 – Die Band Nirvana veröffentlicht die Single »Smells Like Teen Spirit« und begründet damit den Siegeszug des Grunge. Was Kurt Cobain da ins Mikro brüllt, versteht trotzdem kaum einer.
1993 – Die Ärzte meinen nach fünf Jahren Pause, mal wieder Musik machen zu müssen, und schicken die Single »Schrei nach Liebe« ins Rennen. Das Lied gegen Rechtsradikale, die sich nicht artizukulieren wissen, landet auf Platz 9 der deutschen Singlecharts. Im Jahr 2015 allerdings, als die »Aktion Arschloch« gestartet wurde, die sich speziell gegen Fremdenfeindlichkeit während der Flüchtlingskrise wandte, wurde der Lied noch einmal aktuell und landete tatsächlich kurzzeitig auf Platz 1 der Charts.
1993 – In den USA läuft die erste Folge von »Akte X«. Die Zuschauer lernen, dass die Wahrheit irgendwo da draußen ist, verlassen aber die heimische Couch trotzdem nicht.
2008 – Im CERN in Genf wird der größte Teilchenbeschleuniger der Welt, der »Large Hadron Collider« (kurz: LHC), in Betrieb genommen. Entgegen allen Erwartungen wird die Erde nicht von einem schwarzen Loch verschluckt.
2011 – In Tansania geht die Fähre »Spice Islander I« unter. Das für rund 700 Personen zugelassene Schiff wird ersten Berichten zufolge als überladen beschrieben, da sich rund 800 Personen darauf befunden haben sollen. Immerhin hatte man etwas über 600 Menschen gerettet und etwas über 200 Menschen tot geborgen. Gut einen Monat später stellt sich aber heraus, dass wohl doch fast 3000 Menschen getötet worden waren, weil irgendwer dachte: »Für 700 Personen zugelassen? Na ja, das ist ja nur eine sehr grobe Schätzung. Da kriegen wir doch noch jemand in den Besenschrank.«
Es bleibt eines der größten Schiffsunglücke überhaupt. Zum Vergleich: Die Titanic hatte ungefähr halb so viele Opfer.